Wissenschaft

Vom Erbe zehren

Solche Kastanien wurden in Australien von Aborigines verbreitet, die Erinnerung ist in „Songlines“ lebendig.
Solche Kastanien wurden in Australien von Aborigines verbreitet, die Erinnerung ist in „Songlines“ lebendig. Konrad Wothe/Minden Pictures/picturedesk.com
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Was uns als ursprüngliche Natur erscheint, Regenwälder etwa oder Savannen, ist oft der gestaltenden Hand des Menschen zu danken, die vergessen und verdrängt wurde.

Wie kommt es, dass Gazellen in Afrikas Savannen kleine ovale Stellen – etwa so groß wie 50-Meter-Schwimmbecken – zum Grasen bevorzugen, und wieso gibt es auf hohen Bergen in Aus­tralien Bäume, die sonst nur weit unten an Flüssen gedeihen? Beides ist Eingriffen von Menschen in die Natur zu danken, die vor Jahrtausenden stattgefunden haben, später in Vergessenheit geraten sind oder gar in Abrede gestellt wurden, um die Machtansprüche von Kolonisatoren zu legitimieren. So war es in Australien, das zwar seit 50.000 Jahren besiedelt ist, aber Ende des 18. Jahrhunderts, als die britischen Siedler ihre Hände auf alles legten, zum Niemandsland („terra nullius“) erklärt wurde, in dem nur Jäger und Sammler planlos herumzogen. Aber die Aborigines dachten sich schon etwas auf ihren Wanderungen, und ihre Erinnerungen gingen von Generation zu Generation, als „Song­lines“, in denen alte Wege memoriert wurden. Eine handelte von einem Geist, der von der Küste auf Berge wanderte und Früchte der Australischen Kastanie (Castanospermum australe) mit sich trug und bisweilen fallen ließ, die auch „schwarze Bohnen“ heißen und den Aborigines als Nahrung dienen. Diese gibt es von Natur her nur an Flüssen, ihre Samen sind zu groß für eine Verbreitung durch Vögel oder Nagetiere, aber sie schwimmen und breiten sich so aus.

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Und doch wachsen manche auf Bergen, und sie sind genetisch sehr eng mit jenen an den Flüssen verwandt. Das zeigte Mauricion Rosetto, Evolutionsökologe vom Royal Botanical Garden in Sydney gemeinsam mit Emilie Ens (Macquarie University), die kulturübergreifende Ökologie betreibt, in der Überlieferungen so viel Gewicht haben wie Genanalysen, sie hatte Kontakte mit „Wissenswächtern“, die an die in der Songline überlieferte Aussaat erinnerten (PloS One 0186663). Auch gemeinsam mit Aborigines hat Allison Lullfitz (University of Western Australia) die Verbreitung einer essbaren Knolle rekonstruiert (Biological Journal of the Linnean Society 130, S. 61), viele Pflanzen waren so auf dem Kontinent unterwegs (Science 381, S. 598).

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