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„Ich weiß, was zum Teufel ich tue“: Joe Biden wütet gegen Kritik an mentaler Fitness

US-Präsident Biden bei seinem Statement im Weißen Haus.
US-Präsident Biden bei seinem Statement im Weißen Haus.Reuters / Kevin Lamarque
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Ein Sonderermittler bezeichnet den US-Präsidenten „als wohlmeinenden älteren Mann mit schlechtem Gedächtnis“. Biden habe sogar vergessen, wann sein Sohn verstorben sei. Das lässt Biden in einem emotionalen Statement nicht auf sich sitzen - und macht wenig später Ägyptens Machthaber al-Sisi zum Präsidenten Mexikos.

Joe Biden ist empört. „Ich weiß, was zum Teufel ich tue. Ich bin Präsident und ich habe dieses Land wieder auf die Beine gebracht“, sagt der 81-Jährige sichtlich aufgebracht an einem Pult im Weißen Haus. Extrem kurzfristig hat der Demokrat ein Statement in der Regierungszentrale anberaumt, um sich seine Wut von der Seele zu reden. Ja, er sei ein älterer Mann, aber sein Gedächtnis sei völlig in Ordnung, wettert er da.

Bidens Versuch, die Öffentlichkeit von seiner Eignung für das höchste Amt im Staat zu überzeugen, endet in einem turbulenten Schlagabtausch mit Journalisten - und mit einem weiteren Beleg, dass der älteste US-Präsident aller Zeiten tatsächlich vieles durcheinanderbringt.

Was hat seine wütende Reaktion ausgelöst? Der brisante Abschlussbericht des Sonderermittlers Robert Hur zur Dokumentenaffäre, die Biden vor etwa einem Jahr in Erklärungsnot brachte. In dem Bericht steckt eigentlich eine positive Nachricht für Biden: Die Tatsache, dass er Jahre nach seinem Abschied aus dem US-Vizepräsidentenamt vertrauliche Regierungsunterlagen privat aufbewahrte, hat für den jetzigen Präsidenten kein juristisches Nachspiel. Das stellt Hur schon im ersten Satz seines Abschlussberichts klar. Doch was auf den mehr als 300 Seiten danach folgt, ist vernichtend: Der mächtigste Mann der Welt wird darin in aller Ausführlichkeit dargestellt als tattriger Greis, als „wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis“, dem man schwerlich böse Absicht nachweisen könne. Mitten im Wahlkampf für eine zweite Amtszeit ist das für Biden politisch verheerend.

Kleinere Versprecher nähren die Kritik

Der Demokrat will bei der Präsidentenwahl im November erneut antreten, und sein Alter ist ohnehin das größte Problem seiner Wiederwahlkampagne. Selbst in seiner eigenen Partei stellen sich einige die Frage, ob Biden in seinem Alter die richtige Wahl für einen der härtesten Jobs der Welt ist. Die Republikaner wiederum nutzen Bidens ständige Patzer schon jetzt für stetige politische Angriffe gegen ihn. Alle paar Tage liefert Biden neues Futter. Allein innerhalb einer Woche verwechselte Biden zuletzt Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron mit einem von dessen Vorgängern, François Mitterrand, - und kurz darauf die frühere Kanzlerin Angela Merkel mit dem verstorbenen Ex-Regierungschef Helmut Kohl.

Und nun das: Ein Sonderermittler des Justizministeriums kommt nach einer 15-monatigen Untersuchung mit 173 Befragungen von 147 Zeugen und der Sichtung von Millionen Dokumenten zu dem hochoffiziellen Schluss, dass es um die mentale Fitness des US-Präsidenten schlecht bestellt ist. Biden selbst stand den Ermittlern an zwei Tagen im vergangenen Oktober fünf Stunden lang Rede und Antwort. Ausgewertet wurden auch lange Mitschnitte von Unterhaltungen Bidens mit seinem Ghostwriter für ein 2017 erschienenes Buch. Das Material hinterließ bei den Ermittlern ein desaströses Bild.

Joe Biden nach seiner Rede im Weißen Haus in Washington.
Joe Biden nach seiner Rede im Weißen Haus in Washington.Reuters / Kevin Lamarque

Biden wisse nicht, wann sein Sohn gestorben sei

In dem Bericht von Sonderermittler Hur heißt es, Bidens Gedächtnis habe „erhebliche Einschränkungen“ offenbart und sei teils „verschwommen“ gewesen. Die Gespräche seien „oft quälend langsam“ verlaufen. Biden habe Mühe gehabt, sich an Ereignisse zu erinnern und mitunter sogar, eigene Notizen zu lesen und wiederzugeben. „Er wusste nicht mehr, wann er Vizepräsident war, vergaß am ersten Tag des Gesprächs, wann seine Amtszeit endete und vergaß am zweiten Tag des Gesprächs, wann seine Amtszeit begann.“ Der Präsident habe sich auch nicht mehr erinnern können, wann sein Sohn Beau gestorben sei.

Darüber echauffiert sich Biden bei seinem Auftritt ganz besonders. „Wie zur Hölle kann er es wagen, das aufzubringen“, schimpft er über den Sonderermittler. Der Tod seines Sohnes ist eine der offenen Wunden in Bidens Leben. Auch sonst weist er mehrere Anschuldigungen aus dem Bericht zurück - und all die Zweifel an seiner geistigen Verfassung.

Dokumentenaffäre: Ähnliche Vorwürfe gegen Trump

Die Angelegenheit der privat aufbewahrten geheimen Dokumente ist für Biden auch deshalb politisch heikel, weil sein voraussichtlicher Herausforderer bei der Präsidentenwahl, sein republikanischer Amtsvorgänger Trump, wegen ähnlicher Vorwürfe ins Visier von Ermittlern geriet - und nicht ohne eine Anklage davon kam. Trumps Fall hat freilich ein ganz anderes Ausmaß: Er lagerte nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus in deutlich größerem Umfang Regierungsunterlagen in einem privaten Anwesen - darunter Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe, etwa zu den nuklearen Fähigkeiten der USA. Vorgeworfen wird Trump außerdem, er habe die Ermittlungen bewusst behindert und mithilfe von Mitarbeiten versucht, Material verschwinden zu lassen. Er muss sich dafür ab Ende Mai vor Gericht verantworten.

Trump wettert nun - erwartbar und wie schon zuvor - über ein angebliches Zwei-Klassen-System in der US-Justiz. Bidens Fall sei schlimmer als seiner, und trotzdem werde der Präsident verschont. Diese Botschaft dürfte Trump weiter durch das Wahljahr tragen - und all die Einschätzungen zu Bidens geistiger Fitness für seine Zwecke ausschlachten. Dabei bringt Trump selbst ständig Namen durcheinander.

Biden betont mehrfach, sein Fall sei in keiner Weise mit dem von Trump vergleichbar. Er habe umfassend kooperiert bei den Ermittlungen, anders als Trump. In seinem Fall gebe es auch keine Anklage. Und dann passiert, was nicht hätte passieren dürfen: Biden ist eigentlich schon dabei, nach seinem Wutauftritt den Raum zu verlassen, da stoppt er - und kehrt zurück ans Pult, um noch eine Frage zum Konflikt im Nahen Osten zu beantworten. In seiner Replik macht er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi allerdings zum Staatschef von Mexiko. (APA/Christiane Jacke und Julia Naue für die DPA)

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