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Doskozil: „Eine Koalition mit der ÖVP würde der Republik schaden“

„Ich gehe davon aus, dass wir eine Wahl erleben werden, in der die Freiheitlichen Erster werden“: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im „Presse“-Interview
„Ich gehe davon aus, dass wir eine Wahl erleben werden, in der die Freiheitlichen Erster werden“: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im „Presse“-InterviewClemens Fabry
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Hans Peter Doskozil übt harte Kritik an seiner Partei und ihrer „Hinterzimmer“-Politik. Dass etliche Genossen für eine Koalition mit der ÖVP plädieren, hält er für einen „Riesenfehler“. Und: Die FPÖ als Partner schließt er per se nicht aus.

Die Presse: Herr Doskozil, wie oft denken Sie an den 5. Juni 2023?

Hans Peter Doskozil: Was war am 5. Juni?

Der Montag nach dem SPÖ-Parteitag, an dem das Ergebnis …

… ja, weiß ich schon, danke. Man muss als Politiker so weit Profi sein, dass man so etwas ausblenden kann. Und es gibt genug Aufgabenstellungen im Burgenland, wir arbeiten hier an einer weiteren Verbesserung der Pflege und der Frage, wie man Spitäler bestmöglich organisiert, am Mindestlohn, den ich immer noch gern auf ganz Österreich umgelegt sehen würde. Da gibt es also schon Momente, in denen ich darüber nachdenke, wie man all diese Dinge noch besser auf Bundesebene regeln könnte. 

Wie oft haben Sie die Momente?

Immer seltener. 

Die FPÖ liegt konstant in allen Umfragen vorn, aus Andreas Bablers Ankündigung, im großen Stil Blauwähler zur SPÖ zu ziehen, wurde bisher nichts. Glauben Sie, das wäre anders, wenn Sie an der Parteispitze stünden?

Das will ich gar nicht beurteilen. Wir müssen uns eher mit der Frage auseinandersetzen, wie sich die Sozialdemokratie weiterentwickeln soll. Wir sind immer noch verhaftet in diesen alten Strukturen der Sozialpartnerschaft und mit einigen übermächtigen Landesorganisationen, die in den Hinterzimmern wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Landesorganisationen nehmen. Diese Strukturen verhindern sehr viel. Egal, wer gerade vorn steht. 

Sie scheinen nicht sehr überrascht, dass die SPÖ in Umfragen hinter der FPÖ liegt.

Man hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, dass über die Jahre einfach zu viel versprochen wurde. Wie viele Wahlen haben wir damit geschlagen, dass der Wohnraum billiger werden muss? Dass man von dem, was man verdient, besser leben können muss? Passiert ist nichts. Dafür sagen wir, die Leute sollen da und dort einen Rabatt kriegen, so quasi als Almosenpartei. Wer 40 Stunden arbeitet, muss so ausgestattet werden, dass all diese Leistungen nicht nötig sind. Das müsste der Anspruch der Sozialdemokratie sein, aber wir haben ihn verloren. Wenn heute ein Spitzengewerkschaftsfunktionär mit Nationalratsmandat durch die letzten zwei Lohnerhöhungen monatlich brutto 2500 Euro mehr hat, eine Mindesteinkommensbezieherin aber unter 300 Euro mehr, dann stimmt doch etwas nicht. 

Liegt Kickl deshalb vorn?

Ich gehe davon aus, dass wir eine Wahl erleben werden, in der die Freiheitlichen Erster werden. Das ist sicher dem Umstand geschuldet, dass die arrivierten Parteien so schwach sind. Was hat Kickl schon geleistet bisher? Er hat viel über Pferde geredet, aber in der Migrationsfrage nichts weitergebracht.

Kann man mit ihm regieren?

Es wäre schwierig, einer Partei, die vielleicht 30 Prozent der Stimmen bekommt, die Demokratiefähigkeit abzusprechen. Man kann nicht allen FPÖ-Wählern sagen, sie haben falsch gewählt, nur weil sie unzufrieden sind mit der arrivierten Politik. Obwohl Kickl es natürlich allen schwer macht, mit ihm in eine Koalition zu gehen. Wir haben einen Wertekatalog für mögliche Koalitionspartner, in dem wir die FPÖ nicht per se ausschließen. Der soll zur Anwendung kommen. 

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