Morgenglosse

Von Traktoren, Klebstoffen und Hausverstand

Traktoren vor der Siegessäule in Berlin.
Traktoren vor der Siegessäule in Berlin.Imago/Rolf Zoellner via www.imago-images.de
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Was Bauernproteste und Klimaaktivisten unterscheidet, sollte uns zu denken geben. Hausverstand allein wird nicht ausreichen.

Wir haben ereignisreiche Monate hinter uns. Zuerst gab es große Aufregung um Klebstoffe zwischen Hand- und Asphaltoberflächen. Und dann gab es die europaweiten Proteste, die zu Blockaden von Autobahnen geführt haben. Klimakleber da, Bauern auf ihren mächtigen Traktoren dort. Beide Gruppen haben sich für konkrete Anliegen eingesetzt – die Bauern tage- und wochenlang gegen neue Umweltvorschriften, die sie als Zumutung empfinden. Die Klimakleber punktuell und zeitlich in engem Rahmen nicht für eigene Interessen, sondern für wirksame Klimaschutzmaßnahmen.

Den Klimaaktivisten trug das die Etikettierung als „Terroristen“ und einzeln auch harte Gerichtsurteile ein, die Bauern brachten einige Regelungen, die ihnen nicht passten, zu Fall. Beide Seiten berufen sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit. Die öffentliche Meinung, die zu vernehmen war, hat allerdings ein klares Urteil gefällt: Wohlwollen den einen und Ablehnung den anderen gegenüber.

Auf der Strecke geblieben ist dabei nicht nur die Gleichheit, wie den unterschiedlichen Anliegen und deren Proponenten begegnet wird, sondern auch gleich generell ein Anliegen: der Schutz des Klimas. Dieser ist im Lichte der Ereignisse um angebliche „Klimaterroristen“ umgedeutet worden: „Klimaschutz mit Hausverstand“.

Ein wunderbarer Begriff für all jene, die lieber wenig oder vielleicht auch gar nichts unternehmen wollen. Die Klimaskeptiker segeln ja mittlerweile mit Rückenwind durch die unterschiedlichsten Blogs. Da werden schon auch Interessen bedient, nicht wenige Politiker lassen sich dabei willfährig vor einen Karren spannen – wenn sie ihn nicht ohnehin ganz aus eigenem Antrieb ziehen.

Die „Letzte Generation“ hat nun ultimative Forderungen gestellt und weitere Blockadeaktionen nicht ausgeschlossen - ob das dem Anliegen gut tut, sei dahingestellt; darüber ließe sich trefflich streiten.

Aber: Es ist auch ein Innehalten angesagt. Vor dem Hintergrund von Klimaaktivisten und Bauernprotesten sollten wir uns als Gesellschaft zwei Fragen stellen: Was bedeutet Meinungsfreiheit konkret? Und wie ernst nehmen wir die Klimakrise tatsächlich? Einen Klimaschutz ohne Maßnahmen kann es nicht geben. Veränderung wird notwendig sein. Wie auch immer wir uns entscheiden: Mit dem Klima ist nicht zu spaßen, es folgt seinen eigenen Gesetzen. Hausverstand wird nicht genügen.

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