Geografie

Der Gleichtakt der Gletscher

Die Pasterze am Großglockner – das „ewige Eis“ hat viel dieser Ewigkeit bereits eingebüßt.
Die Pasterze am Großglockner – das „ewige Eis“ hat viel dieser Ewigkeit bereits eingebüßt.APA/Johann Groder
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Einem 23-köpfigen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Federführung der Uni Graz ist der Beweis gelungen, dass es die Klimakrise ist, die den Gletschern zusetzt.

Es klingt irgendwie logisch, dass Gletscher mehr abschmelzen, wenn die Lufttemperatur höher ist. Das allein ist Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Graz und Innsbruck, der TU Graz sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften allerdings als wissenschaftliche Erkenntnis zu wenig gewesen. Deshalb haben sie sich tief in Daten gekniet: Die Forschung umfasst den gesamten Alpenbogen, mit Daten aus Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz. Auswertungen aus den Jahren 1995 bis 2022 wurden von einem 23-köpfigen internationalen Team analysiert, das sich auf die sogenannten Blockgletscher konzentrierte.

Dabei handelt es sich um an Lavaströme erinnernde Formen, die sich aus einem Gemisch von Fels und Eis bilden. Im Inneren taut nichts auf. Sie kriechen talwärts. Die Geschwindigkeit variiert – in den Jahren 2000 bis 2021 lag beim Dösener Blockgletscher das höchste Tempo bei 60 Zentimetern pro Jahr, während der Blockgletscher im Hinteren Langtalkar mit sechs Metern pro Jahr zehnmal so flott talwärts rutschte.

Blockgletscher bewegen sich harmonisch

Obwohl die beiden Gletscher in unterschiedlichem Tempo unterwegs sind, verhalten sie sich parallel – und das trotz der Tatsache, dass sie Hunderte an Kilometern voneinander entfernt sind. Das ist kein Einzelfall: „Die Analyse ergab unter anderem, dass sich der westlichste und der östlichste der über 40 Blockgletscher, die von uns erfasst wurden, harmonisch zueinander bewegen. Das heißt, sie beschleunigen und verlangsamen sich zur gleichen Zeit in ähnlichem Maße, obwohl sie 570 Kilometer voneinander entfernt sind“, berichtet Andreas Kellerer-Pirklbauer.

Er forscht am Institut für Geographie der Universität Graz und ist Lead-Autor dieser Forschungsergebnisse, die nun in den „Environmental Research Letters“ veröffentlicht worden sind. „Das zeigt ganz klar: Ihre Geschwindigkeit ist klimatisch gesteuert. Somit liefert unsere Arbeit erstmals den Beleg dafür, dass die Blockgletscherbewegung einen Aspekt der ‚Essential Climate Variable‘ (ECV; Anm.) Permafrost beschreibt und entscheidend zur Charakterisierung des Erdklimas beiträgt“, so der Forscher.

In Österreich gibt es etwa 5800 Blockgletscher, 2300 von ihnen haben noch Permafrost in sich. Während also das Verhältnis der Talbewegung der Gletscher relativ zueinander ähnlich verläuft, sind die absoluten Bewegungen variabel. Sie werden etwa von der Bodenfeuchtigkeit, dem Eisgehalt und der inneren Reibung beeinflusst. Innere Reibung kann sich durch die Änderung des Gefälles erhöhen, aber auch durch eine Zunahme der Gesteinspartikel – sei es durch einen anderen Untergrund, sei es durch dünner werdendes Permafrosteis. Zum Erliegen kommt die Bewegung des Blockgletschers, wenn das Permafrosteis geschmolzen ist.

Das Wissenschaftsteam regt jedenfalls an, dass mehr Blockgletscher in ein Langzeit-Monitoring aufgenommen werden – dadurch gebe es mehr wertvolle Daten, die Aufschluss über die fortschreitende Erwärmung geben.

Gletscher in Bewegung

Einem Team von 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist der Beweis gelungen, dass das Abschmelzen der Blockgletscher eine direkte Reaktion auf den Klimawandel darstellen.

Talwärts-Bewegungen der Gletscher laufen parallel ab, während das absolute Tempo unterschiedlich ist.
Talwärts-Bewegungen der Gletscher laufen parallel ab, während das absolute Tempo unterschiedlich ist.Universität Graz

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