Grüner Bundeskongress

Grüne wählen Schilling mit 96,55 Prozent zur EU-Spitzenkandidatin

Beim Einzug der Parteispitze vorn gingen Werner Kogler mit den EU-Kandidaten Lena Schilling und Tom Waitz.
Beim Einzug der Parteispitze vorn gingen Werner Kogler mit den EU-Kandidaten Lena Schilling und Tom Waitz. APA / Erwin Scheriau
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Am heutigen Samstag treffen die Grünen zu ihrem Bundeskongress zusammen. Parteichef Werner Kogler sprach in seiner Rede über das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und eine aktive Neutralitätspolitik.

Ihrem 45. Bundeskongress im Vorfeld der diesjährigen EU- und Nationalratswahl haben die Grünen das Motto „Mit dir für‘s Klima und Europa“ gegeben. Am heutigen Samstag trafen die rund 260 Delegierten in Graz zusammen. Eigentlich hätte der „Buko“ bereits im Dezember stattfinden sollen, er wurde aber verschoben, weil sich die Suche nach einer Spitzenkandidatin für die EU-Wahl verzögerte.

Nun aber wählen die Delegierten aller Voraussicht nach Umweltaktivistin Lena Schilling auf Listenplatz eins. Das sollte per elektronischer Abstimmung passieren. Die Delegierten hatten fernsehbedienungsähnliche Geräte in der Hand und sollten einmal eine Test-Frage beantworten, welche die besseren Tiere seien: Hunde, Katzen, Frösche, alle Tiere, oder „ungültig.“ Es funktionierte nicht.

Während versucht wurde, das hinzubekommen, hielt Schilling ihre Rede. Es habe sie gewurmt, wenn sie von Journalisten gefragt worden sei, warum sie den Schritt vom Aktivismus in die Politik wage. „Weil die Frage nicht stimmt“, sagte Schilling. „Wir als Klimaaktivisten haben Politik gemacht, nicht in Parlamenten, sondern auf der Straße.“ Nun wolle sie Klimapolitik im EU-Parlament machen. Die Grünen seien die einzige Partei, mit der sie das glaubhaft machen könne, begründete Schilling ihre Kandidatur. Wenn Kanzler Karl Nehammer in seinem Plan für Österreich das Mobilitätskapitel mit einer vierspurigen Autobahn bebildere, sei das „scheiße zynisch“. Dazu passend versprach sie später, sie werde weiter laut und goschert sein. „Meine Kandidatur ist eine fürs Klima und gegen rechts“, fasste sie zusammen. und bekam minutenlangen Applaus. Die Delegierten wählten sie schließlich - altmodisch per Stimmkarte mit 96,55 Prozent.

Af Platz zwei landete EU-Routinier Thomas Waitz mit fast 97 Prozent der Stimmen.

Spannend wird zumindest, wer Listenplatz Drei bekommt. Aktuell haben die österreichischen Grünen ja drei Mandate im EU-Parlament. Öffentlich ihre Kandidatur dafür bekanntgegeben hat Ines Vukajlović, grüne Integrationssprecherin in Oberösterreich, aber auch die Wienerin Katrin Fallmann.

Auf Platz Vier landete der Präsident des American-Football-Verbandes Michael Eschlböck. Sarah Wiener, prominente Quereinsteigerin bei der letzten Wahl, verzichtet ebenso auf ein weiteres Antreten wie die langjährige Mandatarin Monika Vana. Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler, beim letzten Urnengang grünes EU-Zugpferd, konzentriert sich diesmal ganz auf die Nationalratswahl im Herbst.

Apropos Kogler: Nach der Eröffnung des Bundeskongresses und die Begrüßung durch die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner und Sandra Krautwaschl, Landessprecherin Grüne Steiermark, hielt der Parteichef seine Rede.

„Die Welt ist aus den Fugen, ja eh“

Dabei ging es zunächst um die EU: „Nie war die europäische Einigung so bedroht, wie jetzt“, sagte Kogler. „Bei allen Defiziten die die europäische Einigung hat – es ist immer noch das beste“. Nun aber werde das demokratische, liberale, weltoffene Europa massiv angegriffen, „von außen und auch von innen“. Die Welt sei aus den Fugen, sagte Kogler „ja eh“. Aber: „Dieser Hamlet, das war ein schöner Suderant.“ Man hätte ja nichts davon, wenn alles niederlamentiert wird, weil wir in Kriegs- und Krisenzeiten leben. Darum bietet Kogler ein Gegenzitat von Jean Paul Sartre an: „Es mag schönere Zeiten geben, aber diese ist die unsere.“

Angesichts des heutigen Jahrestags des Angriffs Russlands auf die Ukraine, hielt Kogler fest: „Nationalismus führt zu Krieg, das kann man gar nicht oft genug betonen.“ Wenn Putin aufhöre, dann sei dieser Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhöre, sei sie ausgelöscht. Neutralität heiße nicht, passiv danebenstehen, sagte Kogler. „.Wir können die Neutralität auch wieder aktiv beleben“. Österreich müsse das Maximale tun, was wir mit unserem Status können. Dann zog der grüne Bundessprecher eine Ukraine-Fahne aus der Hosentasche und hängte sie sich um. Die Delegierten quittierten das mit Applaus und Standing-Ovations.

Kogler mit Ukraine Fahne
Kogler mit Ukraine FahneAPA / Erwin Scheriau

Dann teilte Kogler gegen FPÖ und SPÖ und auch KPÖ aus. Er sprach von den „blauen Brüdern Putins“ und kritisierte jene KPÖ-Mandatare aus dem steirischen Landtag, die sich mit dessen Handlangern in den besetzten Regionen in der Ostukraine fotografieren hätten lassen. 

„Kommt Kickl, kommt Orbanistan, kommt Niedergang“, sagte er. „Wer sich das anschaut, jetzt in Ungarn, wird erkennen, was das bedeutet für das persönliche Leben, für die Medien. Ungarn ist Mafiastaat. Das kann doch nicht das Vorbild von Österreich sein.“ „Verlässlich auf der falschen Seite“ stehe auch die Sozialdemokratie, wenn sie sich etwa für das Ende der CO2-Steuer ausspreche. Und: „Wir haben die Sozialleistungen valorisiert. Die Roten tun so, als ob 1,5 Millionen Menschen an Hungersnot leiden würden. Das sei völlig unseriös. „Volle Unterstützung für jene, die wirklich Hilfe brauchen - sie bekommen sie auch.“

Und die ÖVP? Die erwähnte Kogler höchstens implizit. Er sprach davon dass die Unternehmer oft weiter wären als die „Betonköpfen“ und die „reformresistenten Blockade-Elite“ in der Wirtschaftskammer. Die Causa Prima des vergangenen Tages, der Schuldspruch gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss fand keine Erwähnung.

Danach wurden zwei Leitanträge präsentiert und diskutiert. Der erste stammte von Klimaministerin Leonore Gewessler und Sozialminister Johannes Rauch. Inhaltlich ist es eine Besinnung auf den „Gründungsauftrag der Grünen Bewegung“. Die fossile Lobby führe mit allen Mitteln einen letzten Abwehrkampf gegen eine grüne Zukunft, heißt es. Dagegen wolle man „die richtigen Leitlinien“ durchsetzen. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist Teil einer mutigen Wirtschafts- und Industriepolitik, die eine unabhängige und leistbare Versorgung garantiert und die Wettbewerbsfähigkeit sichert.“ Und: „Die Klimakrise ist immer auch eine soziale Frage. (…) Wir wollen, dass durch Einnahmen aus der CO2-Bepreisung Leistungen für Menschen finanziert werden, die besonders von steigenden Energie- oder Transportkosten betroffen sind.“ Hinzu kommen klassische grüne Vorschläge etwa zu Verkehrswende und Bodenschutz sowie einer Wende bei der Agrarpolitik. Auch beim Thema Gentechnik bleibt die Partei skeptisch und fordert eine Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln.

Den zweiten Leitantrag stellten Justizministerin Alma Zadić und Klubchefin Sigrid Maurer vor. Der Grundgedanke: Unsere Demokratien seien von außen durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und von innen durch das Erstarken von rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Parteien bedroht. Bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik müssten auch jene Aspekte betont werden, die von Nato-Mitgliedern nicht in die europäische Debatte eingebracht würden: Beschränkung von Waffenexporten, Abrüstung sowie zivile Konfliktprävention und -lösung. (eho)

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