Morgenglosse

Lesen Sie ruhig weiter, hier passiert nichts

Kanzler Karl Nehammer und Sozialminister Johannes Rauch
Kanzler Karl Nehammer und Sozialminister Johannes RauchAPA/TOBIAS STEINMAURER
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Der AMS-Chef schlug ob der Asyl-Lage in Wien eine Residenzpflicht durch die Hintertür vor. Darüber kann man schon diskutieren – oder ernsthafte Alternativen anbieten. Das Dumme ist nur: Das will offenbar kaum jemand tun.

Einfach nur ein paar Zahlen, frei von jeder Wertung und Biegung, ganz gleich in welche Richtung: Laut aktuellem Bericht des Integrationsfonds bezogen im Jahr 2022 knapp 60.000 Flüchtlinge in Wien Sozialhilfe, das entspricht rund 42 Prozent aller Sozialhilfebezieher der Bundeshauptstadt. Derselbe Bericht wies aus, dass sechs Jahre nach der Ankunft im Jahr 2015 rund die Hälfte der Flüchtlinge nicht erwerbstätig war, beim Flucht-Jahrgang 2019 waren nach zwei Jahren 84 Prozent ohne Job. Knapp 80 Prozent der in Wien lebenden Syrer waren 2022 in der vormals Mindestsicherung genannten Sozialhilfe. Im Schuljahr 2022/23 konnten 13.531 Schüler mangels Deutschkenntnissen dem Unterricht nicht folgen, das ist ein Plus von einem Viertel im Vergleich zum Jahr davor, in dem bereits 14 Prozent der Volksschüler Wiens als „außerordentliche Schüler“ geführt wurden. Dabei kam der große Anstieg an Asyl-Familienzusammenführungen erst danach: Laut Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr kommen über diese Schiene derzeit monatlich rund 300 Kinder im Schulalter nach Wien.

Kurzum: Man kann dem Neos-Landeschef durchaus folgen, wenn er von Überlastung spricht, speziell in den Schulen, und eine Neuregelung der Flüchtlingsverteilung zwischen den Bundesländern fordert. Ginge es nach Wiederkehr, der Mann ist übrigens nicht gerade ein Rechter, sollten Flüchtlinge drei Jahre bleiben, wo sie Asyl bekommen haben. Experten meinen, das sei rechtlich schwer umsetzbar; nun schlug aber AMS-Chef Johannes Kopf eine Art Wohnsitzpflicht durch die Hintertür vor. Die Idee: Sozialhilfe solle es vorerst nur mehr in jenem Bundesland geben, wo man Asyl bekommen hat. Das könne die Arbeitsmarktintegration beschleunigen, weil Flüchtlinge damit auch öfter an Orten blieben, wo es mehr Jobs gäbe.

Darüber ließe sich durchaus reden. Und weil Wien mit der Herausforderung letztlich nicht alleine ist, könnte man gleich große Bund-Länder-Gipfel dazu abhalten, auch zu den eklatanten Problemen der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Ansätzen, wie man sie verbessern könnte. Das wird aber nicht passieren. Denn in anderen Bundesländern fürchtet man – zu Recht – eine höhere Asyl-Belastung und winkt dankend ab. Die Bundes-ÖVP wird es sich im Wahljahr also weder mit einem Großteil ihrer Gefolgschaft noch mit ihren Landeschefs verscherzen wollen. Und der grüne Sozialminister Johannes Rauch sprach sich am Sonntag via „Presse“ ohnehin bereits gegen eine Wohnsitzauflage bei der Sozialhilfe aus. Stattdessen müsse „die nächste Regierung eine ‚Mindestsicherung neu‘ angehen“, erklärte Rauch.

Das heißt also, bis zur Nationalratswahl in etwa einem halben Jahr passiert: nichts. Danach kann man sich auf mehrere Monate Regierungsverhandlungen einstellen. Und selbst wenn eine künftige Regierung, wie immer sie aussehen mag, das Thema ganz oben auf ihre Agenda setzt, sind wir weit im Jahr 2025 – bestenfalls.

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