Gastbeitrag

Seit 1848: Innenminister für jeden einzelnen Beamten verantwortlich

Der Sitz des Innenministeriums in der Herrengasse in Wien
Der Sitz des Innenministeriums in der Herrengasse in Wien Clemens Fabry
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Auch ohne über alle Tätigkeiten ihrer Beamten genau Be­scheid zu wissen, können Minister für deren Tun und Lassen zur Verantwortung gezogen werden.

In den letzten Tagen wurden sowohl vom amtierenden als auch von einem ehemaligen Innenminister bemerkenswerte Aussagen darüber getätigt, wie sie die Ministerverantwortlichkeit auffassen.

Dazu ist aus rechtshistorischer und verfassungsrechtlicher Sicht Folgendes zu bemerken: Das Innenministerium ging im März 1848 aus der Vereinigten Hofkanzlei hervor. Diese Neuorganisierung erfolgte, weil das Innenministerium im Gegensatz zu seiner Vorgängerorganisation nicht kollegial, sondern monokratisch organisiert ist, was bedeutet, dass es von einer einzelnen Person, dem Innenminister, geleitet wird und dieser jedem Mitarbeiter Weisungen erteilen kann. Dies war notwendige Bedingung dafür, dass die neuen Minister auch die volle Verantwortung nicht nur für das eigene Handeln, sondern auch für das Handeln ihrer Mitarbeiter übernahmen. Ausdrücklich hieß es daher z. B. im Ministerverantwortlichkeitsgesetz 1867, dass die Minister für alle Handlungen und Unterlassungen „innerhalb ihres amtlichen Wirkungskreises“ zur Verantwortung gezogen werden können.

Geschäfte gemäß Weisungen

Dieser Wirkungskreis ist heute im Bundesministeriengesetz beschrieben, das auch ausdrücklich bestimmt, dass die Ministerien ihre Geschäfte „gemäß den Weisungen und unter der Verantwortung des mit ihrer Leitung betrauten Bundesministers“ zu besorgen haben. Das heißt, dass der Bundesminister für das Fehlverhalten jedes einzelnen Ministerialbeamten zur Verantwortung gezogen werden kann – so wie ja auch im Privatrecht jeder Unternehmer für das schädigende Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen schadenersatzpflichtig wird.

Natürlich ist zu überlegen, inwieweit es realistisch ist, dass der Minister über alle Tätigkeiten seiner Beamten genau Bescheid weiß, und inwieweit es zumutbar ist, dass der Minister durch eine effektive Dienstaufsicht und kluge Personalpolitik dafür sorgt, dass in seinem Haus alles so läuft, wie er es verantworten will. Aber dies ist lediglich eine Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit, der Schuld, und ändert nichts am prinzipiellen, seit 1848 bis heute unveränderten Umfang der Ministerverantwortlichkeit.

Der Autor

Univ.-Prof. Thomas Olechowski lehrt am Institut für Rechts- und Verfassungs­geschichte der Universität Wien.

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