Raumfahrt

Erstmals Gesteinsproben von der Mondrückseite: „China spielt in derselben Liga wie die Nasa“

Die Trägerrakete Langer Marsch-5 Y8 mit der Sonde Chang‘e-6 am Weltraumbahnhof in Hainan.
Die Trägerrakete Langer Marsch-5 Y8 mit der Sonde Chang‘e-6 am Weltraumbahnhof in Hainan.APA / AFP / Hector Retamal
  • Drucken

Am Freitag startete die Sonde „Chang‘e-6“ ins All. Sie soll an der erdabgewandten Seite des Mondes Gesteinsproben sammeln. China wäre die erste Raumfahrtnation, die dieses Vorhaben zustande bringt. Die Mission sei extrem komplex, sagt Weltraumforscher Kargl gegenüber der „Presse“.

Am Freitag sollte Chinas „Mondgöttin“ ein weiteres Mal Geschichte schreiben. Die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA schickte die gleichnamige Mondsonde Chang‘e-6 ins All. Das Ziel: Erstmals in der Geschichte sollen Gesteinsproben von der erdabgewandten Seite des Mondes zur Erde gebracht werden. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua sprach von der „ersten Bemühung dieser Art in der Geschichte der menschlichen Monderkundung.“

Um 17.27 Ortszeit startete Chinas größte Trägerrakete Langer Marsch-5 Y8 vom Weltraumbahnhof Wenchang auf der chinesischen Tropeninsel Hainan ins All, um die mehr als acht Tonnen schwere Sonde Chang‘e in den Weltraum zu transportieren. Beobachtet wurde der Staat von Wissenschaftlern, Diplomaten und Mitgliedern der Weltraumbehörden aus Frankreich, Italien, Schweden Pakistan sowie der Europäischen Raumfahrtagentur, die Ausrüstung und Messgeräte mitfliegen lassen. Im Gegensatz zu Forschungseinrichtungen aus den USA, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Chinas Trägerrakete Langer Marsch-5 Y8 startete am Freitag ins All.
Chinas Trägerrakete Langer Marsch-5 Y8 startete am Freitag ins All.APA / AFP / Hector Retamal

Zur Vorbereitung der Mission hat die Volksrepublik bereits den Kommunikationssatelliten Queqiao-2 in die Mondumlaufbahn gebracht. Er umkreist nun den Mond und wartet auf die Ankunft der Sonde Chang‘e. Der Kommunikationssatellit ist notwendig, damit die Sonde Kontakt zum Kontrollzentrum auf der Erde halten kann, denn sie soll im Süden des Mondes auf der erdabgewandten Seite landen.

Mission soll 53 Tage lang dauern

53 Tage lang soll die Mission auf der dunklen Seite des Mondes dauern. Nachdem sich die Sonde von der Rakete gelöst hat, wird sie vier bis fünft Tage benötigen, um in die Umlaufbahn des Mondes einzuschwenken. Die Landung des abgesenkten Landers ist für Anfang Juni geplant. Im Südpol-Aitken-Becken soll er zwei Kilogramm Gesteinsproben sammeln. Zwei Tage wird der Lander auf dem Mond verbringen, um die Proben zu extrahieren. Danach soll das gesammelte Material an das Aufstiegsmodul übergeben, das es zurück zum Orbiter bringt. Die Landung soll in der Inneren Mongolei erfolgen.

Ein Blick auf die Startrampe im Weltraumbahnhof Wenchang.
Ein Blick auf die Startrampe im Weltraumbahnhof Wenchang.APA / AFP / Hector Retamal

Der größte Einschlagkrater auf dem Mond

Das Südpol-Aitken-Becken ist der größte Einschlagkrater auf dem Mond. Das Becken habe einen Durchmesser von mehr als 2500 Kilometer und sei acht Kilometer tief, berichtet das Fachmagazin „Science“. Wann der Krater entstanden ist, ist umstritten. Viele Forscher gehen davon aus, dass das Becken durch einen Asteroideneinschlag vor 4,3 Milliarden Jahren entstanden ist.

»Man kann vielleicht auch Gestein erreichen, das man an der Oberfläche nicht findet, weil es erst durch Krater freigelegt worden ist.«

Günter Kargl

Institut für Weltraumforschung

Die Proben, die die Sonde zurück zur Erde bringt, wären damit die ältesten bisher. Das Gestein, das die USA und die damalige Sowjetunion gewannen, war drei Milliarden Jahre alt. „Der Krater ist relativ tief“, sagt Günter Kargl vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der „Presse“. „Man kann vielleicht auch Gestein erreichen, das man an der Oberfläche nicht findet, weil es erst durch den Krater freigelegt worden ist.“

Die Probenentnahmen können unter anderem Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Mondes - und somit über dessen Entstehung liefern. „Man nimmt an, dass die Erde vor Milliarden Jahren mit einem circa Mars-großen Protoplaneten kollidierte, der Material von der Erdoberfläche wegscherte. Das Material sammelte sich im Orbit und bildete den Mond“, so Kargl. Neues Material könne diese „gut begründete“ These bestätigen oder auch widerlegen.

Nasa spricht von „Rennen ums All“

Doch die Mondlandung hat auch eine geopolitische Dimension. Sie verdeutlicht Pekings generelle Ambitionen, bis 2049 zur technologischen Weltspitze aufzusteigen. Die US-Raumfahrtagentur Nasa spricht bereits von einem „Rennen ums Weltall“. Sie warnt zugleich, dass China sein Raumfahrtprogramm vorantreibe, um daraus auch militärisch Nutzen zu ziehen.

„Auf der Mondrückseite, in hohen Polargebieten, wo man einen Kommunikationssatelliten braucht, einen Lander abzusetzen, macht die Mission extrem komplex“, sagt Kargl. „Die Missionsplanung zeigt, dass China im Weltraumbereich sehr kompetent ist. Es spielt in derselben Liga wie die Nasa und Europa mit.“

Mit dem „Traumschiff“ zum Mond

2020 hatte China mit seiner Vorgängersonde Chang‘e-5 erstmals seit 44 Jahren Gesteinsproben von der dem Planeten zugewandten Seite des Mondes wieder zurück auf die Erde transportiert. 2019 gelang der Volksrepublik als erster Raumfahrtnation weltweit die Landung einer Sonde auf der erdabgewandten Mondseite.

Gemeinsam mit Russland plant China, eine permanente Forschungsstation auf dem Mond einzurichten. Bis 2030 will Peking erstmals auch eine bemannte Mondmission durchführen. Washington will dieses Ziel 2026 wieder erreichen. Mithilfe des Raumschiffs Mengzhou, das übersetzt „Traumschiff“ heißt, und einer Landesonde namens Lanyue oder „den Mond umarmen“ sollen also bald die ersten Chinesen ihre Schritte auf dem Erdtrabanten wagen können.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.