Naturschutz

Das letzte, große Flussdelta droht, verbaut zu werden

Das Vjosa-Delta in Albanien vor der Weggabelung: Nationalpark oder Tourismus?
Das Vjosa-Delta in Albanien vor der Weggabelung: Nationalpark oder Tourismus?Joshua D. Lim
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Die Mündung der Vjosa in Albanien könnte bald ein Tummelplatz Tausender Urlauber werden. Donald Trumps Schwiegersohn plant im größten naturbelassenen Delta am Mittelmeer ein Tourismus-Projekt. Umweltschützern gefällt das nicht.

Es ist nicht einmal zwei Jahre her, dass über der Vjosa große Worte schwebten: „Für Albanien, für Europa und für den Planeten, den wir für die Kinder unserer Kinder wollen“ werde dieser Fluss, der in den Bergen Griechenlands entspringt und sich von dort über Hunderte Kilometer durch Albanien schlängelt. In seiner Eröffnungsrede zur Schaffung des Nationalparks versprach Albaniens Ministerpräsident Edi Rama: „Unter dem Schutzmantel des Nationalparks wird die Vjosa intakt bleiben.“

Diese Worte im Juni 2022 scheinen nun verklungen. Denn in den knapp zwei Jahren ist es nicht gelungen, ein funktionierendes Management des Nationalparks aufzuziehen und die Nutzungen entlang des Flusses auf ein nationalparkgerechtes Maß zu beschränken. Und mittlerweile werden touristische Pläne geschmiedet, die den Schutz des Flusses völlig konterkarieren.

Letzter großer Wildfluss Mitteleuropas

Das Delta der Vjosa ist das größte an den Mittelmeer-Stränden, das noch in seiner Natürlichkeit intakt ist. Es erstreckt sich über 23.500 Hektar. Es ist eines von 18 Mündungsbereichen an den Stränden von Adria und Mittelmeer, die größer als 10.000 Hektar sind. Eine Untersuchung der 258 Mündungsbereiche an Mittelmeerstränden zeigt, dass es nur noch ganz wenige gibt, die sich in einem natürliche Zustand befinden. Die Vjosa ist der letzte große Wildfluss außerhalb Russlands.

Ulrich Schwarz, Leiter des technischen Büros für Geographie „Fluvius“, hat diese Flussmündungen im Detail analysiert und bewertet. Die Skala reicht von Null bis zwölf, je höher das Ranking, desto naturnäher ist der Zustand zu bewerten. Die Bestnote 12 wurde gar nicht vergeben, die Note elf nur für kleinere Flüsse (2471 Hektar), die Note zehn für mehr als 47.181 ha Mündungszonen – die mit Abstand größte in diesem Zustand ist das Vjosa-Delta. Auch die meisten der übrigen intakten Flussmündungen befinden sich in Albanien. Das allergrößte Delta am Mittelmeer ist die Mündung des Nil (mit 2,7 Millionen Hektar), der Zustand gibt allerdings nicht mehr her als eine Fünf.

Der Schwiegersohn von Donald Trump, Jared Kushner, soll dem Vernehmen nach bereits eine Einigung mit dem albanischen Regierungschef, Edi Rama, erzielt haben, das Delta touristisch zu erschließen.. Grünes Licht also für ein Luxus-Ressort im Vjosa-Delta.

Mit der Erklärung zum Nationalpark ist zwar der gesamte Verlauf des Flusses innerhalb Albaniens unter Schutz gestellt worden – inklusive der Mündung. Teil des Nationalparks sind aber nur schmale Uferzonen – das einmalige Delta bliebe damit ungeschützt.

Der Bereich war im April die Destination einer „Science Week“, die die beiden Umweltorganisationen „River Watch“ und „Euronatur“ veranstaltet haben. Die Wissenschaftler, die sich eine Woche lang Zeit genommen haben, um die einzigartige Natur zu erforschen, kommen aus Albanien, Österreich, Bulgarien, Griechenland und Italien.

„Unsere ersten Ergebnisse zeigen den enormen ökologischen Wert des Deltas. Für alle Wissenschaftler, die an der Wissenschaftswoche teilgenommen haben, ist klar, dass das Vjosa-Delta einen starken Schutzstatus verdient und in den Vjosa Nationalpark aufgenommen werden muss“, meint der Limnologe Fritz Schiemer, emeritierter Professor an der Universität Wien.

„Die Natur funktioniert hier noch“

Aleko Miho, Professor an der Universität Tirana und leitender Wissenschaftler der „Science Week“: „Unsere Ergebnisse aus nur fünf Tagen Forschung sind bemerkenswert und zeugen von der reichen Artenvielfalt des Deltas.“

Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von „River Watch“: „Die Natur funktioniert hier noch, die grundsätzlichen Prozesse funktionieren.“ Wie lange noch? – Das kann derzeit niemand beantworten. Denn in unmittelbarer Nähe wird bereits ein Flughafen gebaut. Der sei „völlig am falschen Platz“, so Eichelmann, und ein Schritt in die falsche Richtung. Noch schlimmere Auswirkungen seien zu befürchten, wenn der Flugplatz Startschuss für eine komplette touristische Erschließung wird.

Problematisch ist außerdem das Management des bestehenden Nationalparks. Denn immer wieder gibt es Bereiche, die regelrecht zugemüllt sind. Es ist vor allem Plastik, das im Fluss schwimmt oder sich am Ufer anhäuft, „aber man kann auch Insulin-Spritzen oder Schuhe finden“, berichtet Eichelmann. Er glaubt, dass Plastik erstmals nach Albanien gekommen ist, nachdem die jahrzehntelange Abschottung des Landes vorüber gegangen ist.

Wie weiter? „River Watch“ und „Euronatur“ starten nun eine Kampagne zum Schutz des einzigartigen Gebiets.

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