Die dritte Staffel der Serie „Bridgerton“ startet am 16. Mai mit gewohnt pompösen Kostümbild und gibt nicht viel auf historische Detailtreue.
Mode

„Bridgertons“ Kostümbild zeigt vor: Sex-Appeal geht über Authentizität

Das Kostümbild der Serie „Bridgerton“ zieht bunten Pomp und Sex-Appeal Authentizität vor. Das Beispiel macht Schule. Nimmt man es mit der historischen Akkuratesse nicht mehr so genau?

Es waren 238 Menschen, die sich um das Kostümbild der ersten Staffel der Erfolgsserie „Bridger­ton“ kümmerten, ließ Verantwortliche Ellen Mirojnick die britische „Vogue“ wissen. Was so ein Netflix-Budget alles möglich macht, staunt da der unbedarfte Zuseher. Am 16. Mai startet die Serie mit viel Pomp, floralen Stickereien und Metern an bunten Stoffbahnen in ihre dritte Staffel. Ganz der inhaltlichen Ausrichtung angemessen, schert sich das Kostümbild nicht sonderlich um historische Akkuratesse. Immerhin spielt die Handlung in einer fiktiven Vergangenheit, in der Rassismus und Sklaverei im England des frühen 19.  Jahrhunderts längst überwunden sind, eine schwarze Königin, Charlotte, an der Seite eines erkrankten Königs, George, die Geschicke des Landes führt und sich am Hof Menschen jedweder Couleur tummeln. Der Castingprozess ist „colour blind“, also farbenblind, verlaufen, die Besetzung wurde demnach ausgewählt, ohne dabei die Hautfarbe zu berücksichtigen.

 Modebegeisterte dürfen sich jedenfalls auf ein stilistisches Make-Over der Staffelprotagonistin Penelope Featherington freuen, Kostümdesigner John Glaser kündigt sattere, beruhigtere Farbpalette an.
 Modebegeisterte dürfen sich jedenfalls auf ein stilistisches Make-Over der Staffelprotagonistin Penelope Featherington freuen, Kostümdesigner John Glaser kündigt sattere, beruhigtere Farbpalette an.Netflix

Politik und thematische Schwere stehen derweil nicht auf dem Programm: Das Format soll unterhalten. Gerüchte, Drama, Romanzen machen die Serie aus; dazu passt das quietschbunte Erscheinungsbild. Die Kostümbildner hätten zwar Formen und Silhouetten aus Gemälden jener Zeit aufgegriffen, heißt es in Interviews, dafür nahm man sich Freiheiten heraus, wenn es um Farben, Stoffe oder den Schnitt weiblicher Dekolletés ging – man darf in dieser modernisierten Version gern ein wenig mehr Einblick geben, als die keusche Etikette damals vorsah. Hier und da ließ man sich von Entwürfen von Christian Dior aus den 1950er-/1960er-Jahren inspirieren. „Bridgerton“ ist nicht das einzige Format, das sich auf der Streamingplattform als filmisches Pendant zum Groschenroman entpuppt. Auch „Die Kaiserin“, „Das Gesetz der Lidia Poët“, „Outlander“ oder „Blood, Sex and Royalty“ betten ihre Charaktere in ein historisiertes Umfeld ein, um die Fantasie zu beflügeln und ein ästhetisches Beiwerk zu meist hochdramatischen Romanzen zu bieten. Schien einst die oberste Maxime in Kostümfilmen, sich der Realität so weit wie möglich anzunähern, geht man hier verspielter mit der Garderobe der Protagonisten um. Immerhin will man die Formate zumeist einem jüngeren Publikum zugänglich machen und gleichzeitig mehr nackte Haut zeigen, als es die Befindlichkeiten der jeweiligen Zeit erlaubt hätten.

»Mir würde das keinen Spaß machen, mich nur an Authentizität zu orientieren. Das ist ja das Tolle an Film und Kunst: Man kann seine eigene Geschichte erzählen.«

Tanja Hausner

Kostümbildnerin

Kind der Zeit

Die österreichische Kostümbildnerin Tanja Hausner sieht historisch möglichst authentisches Kostümdesign nicht als Wert an sich: „Es ist sowieso fraglich, wie nahe man der Realität wirklich kommt, selbst wenn man sich an Gemälden orientiert und viel recherchiert. Außerdem schwingen auch immer Elemente aus der Zeit mit, in der der Film entsteht“. Ein Film sei außerdem nicht dazu da, die Realität wiederzugeben. „Ein gelungenes Kostümbild transportiert viel mehr eine Stimmung, eine Geschichte. Es macht die Figuren glaubhafter und lässt den Zuseher mitfühlen“, sagt Hausner. Sie hat unter anderem Projekte wie „Club Zero“ und „Amour Fou“ ihrer Schwester, Regisseurin Jessica Hausner, aber auch Ulrich Seidl-Produktionen wie die „Paradies“- Trilogie ausgestattet. Eine Auszeichnung für Bestes Kostümbild erhielt sie beim Deutschen Filmpreis auch für den Film „Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwalder. Der Film folgt Kaiserin Elisabeth und ihrer Hofdame Irma Sztáray nach Korfu, wo sich die Kaiserin vom Korsett des Hofes freimacht. Dementsprechend entschied sich Hausner Sisi nicht wie gewohnt mit eingeschnürter Taille darzustellen, sondern auf lockere, weite und bequeme Schnitte zurückzugreifen, welche die Erzählung unterstützten und sich weniger sklavisch an die realen Gegebenheiten klammerten. Zum Reisen tragen Kaiserin und Hofdame in diesem Fall etwa lockere gestreifte Pullover (Bild unten). Eine Referenz an die Schifffahrt, die sich auch in einem Anker spiegelt, den sich die Kaiserin im Film tätowieren lässt.

Susanne Wolff und Sandra Hüller gaben Kaiserin Elisabeth und ihre Hofdame Irma Sztáray „Sisi & Ich“ in lockerer, bequemer Kleidung.
Susanne Wolff und Sandra Hüller gaben Kaiserin Elisabeth und ihre Hofdame Irma Sztáray „Sisi & Ich“ in lockerer, bequemer Kleidung. Panda Film

Gründlich recherchiert

„Mir würde das keinen Spaß machen, mich ausschließlich an Authentizität zu orientieren. Das ist ja das Tolle an Film und Kunst, man kann seine eigene Geschichte erzählen, das ist etwas sehr persönliches“, sagt Hausner. In einem ihrer jüngsten Projekte, der Biografie „Mit einem Tiger schlafen“ über Maria Lassnig, war es etwa der Farbraum der Künstlerin, der sie besonders faszinierte. Deshalb achtete sie im Kostümbild darauf, ihre Farben aufzugreifen, kleidete Birgit Minichmayr, welche die eigensinnige Malerin verkörperte, in violetten und türkisen Trainingsanzügen und grafischen, wild gemusterteten Blusen. Kreative Freiheit im Kostümbild bedeute allerdings nicht Unwissenheit, betont die Kostümbildnerin: „Das ist ein Irrglaube. Die Recherchearbeit im Vorfeld ist die Gleiche“.

Die Zuckerlfarben in „Bridgerton“ fielen für Hausner dann doch ein wenig plump aus. „Too much“, wie sie es formuliert. Es ist wiederum auch nicht ihre Subtilität, mit der die Serie ihre Zuseher überzeugen will. Modebegeisterte dürfen sich jedenfalls auf ein stilistisches Makeover der Staffelprotagonistin, Penelope Featherington, freuen, Kostümdesigner John Glaser kündigt eine sattere, beruhigtere Farbpalette an. Ganz aus den Zuckerlfarben wird die Serie aber doch nicht hinauswachsen.

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