Parlament

Was die U-Ausschüsse gebracht haben

Herbert Kickl kam einmal in den U-Ausschuss. Bei der zweiten Ladung ging er lieber auf eine Bergtour.
Herbert Kickl kam einmal in den U-Ausschuss. Bei der zweiten Ladung ging er lieber auf eine Bergtour. APA/Georg Hochmuth
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Herbert Kickl, René Benko und Egisto Ott standen im Mittelpunkt der Untersuchungsausschüsse, obwohl zwei von ihnen nicht als Zeugen aussagten. Erkenntnisse gewinnt der U-Ausschuss aber vor allem aus den Akten. Kickl gerät in der Causa Ideenschmiede in Erklärungsnot und die Regierung muss entscheiden, ob sie Cofag-Überförderungen zurückfordert.

Am Dienstag gab es ein seltenes Ereignis im Parlament: Alexis Pascuttini war als Zeuge im Untersuchungsausschuss geladen – und man merkte ihm an, dass er gern gekommen war und über den Finanzskandal der Grazer FPÖ reden wollte –, auch wenn viele Fragen aus formalen Gründen gar nicht gestellt werden durften. Sonst hatten die beiden U-Ausschüsse, die nun ihre regulären Befragungstage beendeten, nicht viel Glück mit Zeugen. Manche kamen gar nicht, unter mehr oder weniger fadenscheinigen Ausreden, andere kamen und erklärten wortreich, warum sie nichts sagen wollten. Und so mancher wiederum glänzte mit erstaunlichen Erinnerungslücken. Der frühere Finanzminister Gernot Blümel beispielsweise hat es schon zu einer gewissen Meisterschaft in dieser Disziplin gebracht.

Waren die U-Ausschüsse daher sinnlos angesichts fehlender Aussagen? Nicht ganz, denn der Erkenntnisgewinn verschiebt sich immer mehr von den Zeugenaussagen zu den Akten. Diese haben sich – vor allem durch ihre Veröffentlichung – zur schärfsten Waffe der parlamentarischen Kontrolle entwickelt. Und da war diesmal doch einiges an Beachtenswertem enthalten.

Rot-blauer Machtmissbrauch

Einen Paradigmenwechsel gab es beim Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“. Jahrelang war die Rollenverteilung in den U-Ausschüssen klar verteilt: Die ÖVP stand im Visier der parlamentarischen Kontrolle und versuchte abzuwiegeln oder die Untersuchung zu sabotieren. Selbst der Ibiza-U-Ausschuss, der eigentlich den früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ins Visier nehmen sollte, entwickelte sich in diese Richtung.

Diesmal drehte die Volkspartei den Spieß um. Die früheren SPÖ-Minister, um die es eigentlich auch gehen sollte, waren dann zwar kein Thema mehr, wohl aber die FPÖ und deren Parteichef Herbert Kickl, auf den sich die ÖVP im Wahlkampf nun einschießt.

Causa Ideenschmiede. Am Schluss konzentrierte sich alles auf die Causa Ideenschmiede – eine Geschichte, die schon länger bekannt ist, nun aber mit neuem Aktenmaterial aufgewärmt wird und dem FPÖ-Chef im Wahlkampf noch einiges an Erklärungsbedarf abverlangen wird. Ist der FPÖ-Chef heimlich an einer Firma beteiligt, die für öffentliche Aufträge Kick-back-Zahlungen an die FPÖ geleistet hat? Aus der Aktenlage spricht einiges dafür. Die Kick-back-Zahlungen sind dokumentiert, es gibt gerichtliche Verurteilungen. Dass Kickl beteiligt war, auch: Es liegen Treuhandverträge vor, einer für die Firmenanteile, einer für den Kauf der Immobilie, in der die Ideenschmiede ihren Sitz hatte.

Offen ist eigentlich nur, ob Kickl den Treuhandvertrag schon nach kurzer Zeit gekündigt hat, wie er selbst sagt. Ein Dokument dafür liegt nicht vor, wohl aber Zeugenaussagen von Firmenmitarbeitern, die die Involvierung Kickls in die Firma noch Jahre später bestätigen. Und es stellt sich die Frage, warum Kickl noch einen zweiten Treuhandvertrag zum Hauskauf abgeschlossen hat, nachdem er den ersten angeblich schon Jahre davor aufgelöst hat. Das wären Fragen, die Kickl und Ideenschmiede-Geschäftsführer Thomas Sila im U-Ausschuss unter Wahrheitspflicht hätten beantworten sollen. Beide verweigerten das: Kickl unternahm lieber eine Bergtour, Sila hatte einmal das Kommen verweigert, beim zweiten Ladungsversuch meldete er sich krank.

Es gibt aber noch einen zweiten Untersuchungsstrang: Zu der Frage nämlich, warum die Staatsanwaltschaft nie gegen Kickl ermitteln durfte. Zweimal hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Jahr 2015 die Auslieferung Kickls verlangt, zweimal wurde das per Weisung abgedreht. Das erste Mal von Justizminister Wolfgang Brandstetter, obwohl der Weisungsrat Ermittlungen befürwortet hatte, das zweite Mal von der Oberstaatsanwaltschaft – auch diesmal mit Billigung des Justizministeriums. Laut dem Vorhabensbericht, der der „Presse“ vorliegt, geht die WKStA davon aus, dass Kickl immer noch Hälfteeigentümer ist, und wirft ihm Untreue und Bestechung vor.

Ermittlungen gegen die FPÖ. Chats des früheren Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, die an den U-Ausschuss geliefert wurden, haben zu weiteren Ermittlungen gegen führende FPÖ-Politiker geführt. Strache thematisiert darin Inseratenschaltungen in „Österreich“ und will diese wegen Auftritten des früheren FPÖ-Politikers und nunmehrigen Kritikers Ewald Stadler stoppen. Nach einer Vereinbarung mit „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner gab Strache die Freigabe für Inserate. Ging es dabei um Einschaltungen der FPÖ (was legal wäre) oder um Ministeriums­inserate?

Die WKStA nimmt Zweiteres an und ermittelt gegen mehrere frühere FPÖ-Minister. Ganz scheint die Behörde von diesem Vorgehen allerdings nicht überzeugt zu sein: In ihrem Vorhabensbericht schlug sie vor, das Verfahren einzustellen, erst die Oberstaatsanwaltschaft ordnete die Aufnahme von Ermittlungen an.

Spionage. Der Spionagefall rund um den früheren Verfassungsschützer Egisto Ott nahm breiten Raum in den Untersuchungen ein, wobei die Möglichkeiten des U-Ausschusses eher begrenzt waren. Ein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand musste mühsam hergestellt werden, die Justiz sprach sich gegen einen Auftritt von Ott selbst aus – und zwar, weil dessen Sicherheit nicht gewährleistet werden könnte. So blieben gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen ÖVP und FPÖ, in wessen „Netzwerk“ sich der Spionageverdächtige befunden habe. Und aus den Akten ein Organigramm für einen geplanten neuen Nachrichtendienst im Außenministerium, in dem Ott eine wichtige Rolle spielen sollte. Das Thema Spionage ist damit noch nicht erledigt, in der nächsten Legislaturperiode wird es wohl einen eigenen Spionage-U-Ausschuss geben.

Ein Marketing-Schmäh. Ein überraschendes Bekenntnis gab es bei dem Auftritt der früheren FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein: Die bekannte ein, dass die viel zitierte Patientenmilliarde, die die Gesundheits­reform in ihrer Amtszeit bringen sollte, lediglich ein „Marketing-Schmäh“ aus dem damals türkisen Bundeskanzleramt gewesen sei.

Der Cofag-U-Ausschuss

Weniger spektakulär entwickelte sich diesmal der zweite von SPÖ und FPÖ beantragte U-Ausschuss. Auch dieser war – entgegen der Intention für U-Ausschüsse – nicht ganz monothematisch angelegt. Gab es eine strukturelle oder individuelle Bevorzugung von Milliardären im ÖVP-Umfeld bei der Behandlung durch die Finanz, lautete da eine Frage. Wie treffsicher und effizient waren die Cofag-Förderungen, so die zweite Frage.

Stand Herbert Kickl im Mittelpunkt des anderen U-Ausschusses, so war es hier der Unternehmer René Benko – auch wenn dieser zumindest bisher nicht als Zeuge auftauchte. Und was der U-Ausschuss auf jeden Fall an den Tag brachte, das waren strukturelle Probleme bei der Prüfung von großen und verschachtelten Unternehmen: Zu wenige Ressourcen für die Finanz und auf verschiedene Finanzämter aufgeteilte Prüfungen sorgten für nicht unbedingt effiziente Abläufe. Auch wurden im Fall Benko Steuertricks offenkundig: private Ausgaben, die als Unternehmensausgaben deklariert waren. Die Steuerzahler durften den Wohnsitz, das Feriendomizil und das Flugzeug des nun insolventen Investors mitfinanzieren.

In puncto individueller Bevorzugung von Milliardären war das Ergebnis nicht ganz so eindeutig – auch weil der U-Ausschuss nicht die zeitlichen Kapazitäten hatte, den Angelegenheiten auf den Grund zu gehen. Einige bemerkenswerte Eindrücke blieben dann aber doch: Etwa dass sich der Sektionschef plötzlich in Dinge einmischt, in die er sich sonst nie einmischt.

Bei der Cofag – eine ausgegliederte Gesellschaft, die die Corona-Wirtschaftshilfen auszahlt – habe es ein „Designproblem“ gegeben, so die Conclusio der SPÖ. Vor allem an Konzerne seien zu hohe Förderungen ausbezahlt worden, obwohl diese weiter Gewinne gemacht haben. Ausgelöst wurde dies dadurch, dass nicht die Konzerne Förderungen beantragt haben, sondern ihre Subfirmen, wodurch die Cofag-Hilfen kumuliert wurden. Türkis-Grün muss sich nun entscheiden, ob überhöhte Förderungen zurückverlangt werden. Die ÖVP ist eher dagegen, die Grünen sind dafür.

Zeitplan

Befragungen: Die regulären Befragungen sind abgeschlossen, für 22. und 23. Mai sind noch Ersatztermine angesetzt. Dafür hat René Benko bereits zugesagt, auch Ideenschmiede-Chef Thomas Sila soll kommen. Herbert Kickl aber nicht, weil sich die FPÖ querlegt.

Abschlussbericht: Damit ist die Beweisaufnahme beendet, die beiden Verfahrensrichter haben nun zwei Wochen Zeit, den Entwurf für einen Abschlussbericht zu erstellen, die Fraktionen haben weitere zwei Wochen Zeit für ihre Berichte.

Plenum. Am 1. Juli gibt es in beiden U-Ausschüssen noch eine abschließende Sitzung, im Juli werden die Berichte im Plenum des Nationalrats behandelt.

U-Ausschüsse

Rot-blauer Machtmissbrauch: Die ÖVP wollte Aufklärung, ob öffentliche Gelder in SPÖ- und FPÖ-Ministerien „aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden“.

Cofag: SPÖ und FPÖ wollten wissen, ob es eine „Zwei-Klassen-Verwaltung“ und eine „Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“ gegeben hat.

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