CEO-Agenda

In Sales geht es darum, Prozesse replizieren zu können

Norbert Haslacher und Sara Mari-Strasser.
Norbert Haslacher und Sara Mari-Strasser.
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Zu tun gibt es viel, doch was steht tatsächlich auf der CEO-Agenda? Zwei Practicioners im Gespräch mit Managementberater Michael Hirt und „Presse“-Redakteur Michael Köttritsch. Diesmal mit Sara Mari-Strasser, CEO Schrankerl, und Norbert Haslacher, CEO Frequentis.

Die Presse: Steigen wir ein mit Wachstum und Erfolg mit B2B-Sales. Ein Thema, das beide Unternehmen beschäftigt, aber mit ganz anderen Perspektiven. Was ist Ihre Wachstumsstrategie?

Sara Mari-Strasser: Für unser Wachstum benutzen wir eine Mischung von Marketing und Sales. Der Fokus des Marketings ist, Inbound-Leads zu generieren und die Marke bekannter zu machen. Unser Sales-Team fokussiert auf Outbound-Sales, um Kontakte mit potenziellen Leads zu erstellen. Herausforderungen gibt es viele, speziell weil wir First Mover sind: Verpflegung für Büros mit einem Smart-Kühlschrank – mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und durch Data Analytics unterstützt. Die Herausforderung ist, den Markt zu schaffen, denn die Firmen kennen das Konzept noch nicht. Oft kommt als Antwort: „Oh, cooles Produkt, aber wir haben kein Budget dafür.“ Aber wir merken auch: Je bekannter wir werden, desto einfacher ist zu begründen, wieso unser Produkt wichtig ist.

Wie viele Kunden haben Sie derzeit und wo sind die angesiedelt?

Mari-Strasser: Aktuell sind es rund 100 Kunden, hauptsächlich in Wien, aber auch in Linz und Salzburg. Und dann wollen wir ins Ausland.

Wie wird das mit dem Namen funktionieren, wenn Sie ins Ausland gehen?

Mari-Strasser: Wir haben genau diesen Namen, Schrankerl, ausgewählt, so wie Almdudler, weil er sehr an die Region angebunden ist. Wir bieten regionale Produkte an, und das Gefühl wollen wir auch kommunizieren. Der nächste Schritt wird Bayern sein, da müssen wir Brand und Name nicht ändern. Wenn wir an weitere Märkte denken, müssen wir eine neue Marke finden.

Norbert Haslacher und Sara Mari-Strasser (v. l.) im Gespräch mit Michael Hirt und Michael Köttritsch.
Norbert Haslacher und Sara Mari-Strasser (v. l.) im Gespräch mit Michael Hirt und Michael Köttritsch.Caio Kauffmann

Zu den Personen

Sara Mari-Strasser, ursprünglich aus Italien, war in der Beratung bei McKinsey in vielen internationalen Projekten tätig. Vor drei Jahren rief sie mit Co-Founder Stefan Halmerle das Start-up Schrankerl ins Leben, ein Food-Tech, das Verpflegung von Mitarbeitenden in Unternehmen organisiert. Außerdem ist sie Präsidentin des Professional Women Network Vienna, das im Bereich Diversity aktiv ist.

Norbert Haslacher ist seit zehn Jahren für das börsenotierte Familienunternehmen Frequentis tätig. Seit 2018 ist er CEO. Davor arbeitete er 17 Jahre in einem US-amerikanischen IT-Konzern mit Aufenthalten in den USA, im Mittleren Osten und hauptsächlich in Europa.

Norbert Haslacher, wie ist es bei Ihnen mit Strategie und Wachstum?

Norbert Haslacher: Wir haben lang nachgedacht, ob B2B auf uns überhaupt zutrifft, weil wir eher B2G machen: Unsere Kunden sind in der Regel Behörden, die nationale sicherheitskritische Aufgaben haben. Und das in knapp 150 Ländern der Welt mit einer Exportquote von 98 Prozent. Und da adressieren wir fünf Kunden- oder Government-Segmente. Das eine ist die Flugsicherung, die in vielen Staaten immer noch staatlich oder teilweise privatisiert ist; dann Defense, primär die militärische Flugsicherung; Public Safety, also Blaulichtorganisation; Maritime und Public Transport, dort liefern wir Applikationen für Kontrollzentralen, die diese Infrastruktur managen. Wir kommen eigentlich aus dem Air-Traffic-Management-Segment und hatten einen Compelling Event 2001 mit 9/11, als die Budgets der Flugsicherungen plötzlich alle auf null gegangen sind und sich keiner mehr zu fliegen getraut hat. Da haben wir diversifiziert. Das ist eine der Stoßrichtungen in der Wachstumsstrategie: dass wir die Kundenbasis, die wir in den 150 Ländern im Bereich Flugsicherung haben, mehr und mehr mit unserer Reputation vor Ort auch in die anderen vier Segmente hineinbewegen. Das ist die eine Stoßrichtung im Sinne der regionalen Erweiterung. Und die zweite Stoßrichtung ist, wenn man sich diesen Kontrollzentralen-Markt im sicherheitskritischen Bereich anschaut, der ist 2024 ungefähr 13 Milliarden Euro schwer. Wir können mit unserem aktuellen Portfolio etwa 3,5 Milliarden adressieren. Das heißt, die zweite Stoßrichtung neben der regionalisierenden Erweiterung ist es, über das Thema R&D und M&A unsere Produktlinien zu erweitern, damit wir mehr und mehr von diesem Markt für uns adressierbar machen. Kunden brauchen wir keine neuen, weil, wie ich schon gesagt habe, wir in etwa 500 Behörden in 150 Ländern der Welt tätig sind. Ich glaube, das ist schon einmal eine ganz gute Basis für Wachstum.

Der Behördenmarkt ist weiterhin der Fokus der Wachstumsstrategie?

Haslacher: Wir haben das analysiert im Rahmen des Börsengangs 2019 in Frankfurt und Wien und uns stark mit dem Thema Strategie auseinandergesetzt. Und auch damit, ob wir zusätzlich zum sicherheitskritischen Behördenmarkt in den Commercial-Markt gehen wollen. Wir sind darauf gekommen, dass die Organisation der Frequentis-Gruppe, egal ob Sie in den USA oder in Brasilien oder in Singapur oder in Wien hineinschauen, in allen Teilen der Wertschöpfungskette auf den sicherheitskritischen Public Sector ausgerichtet ist. Das beginnt im Vertrieb und im Offer-Prozess. Unsere Aufträge werden im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren gegeben. Wir messen übrigens die mittlerweile in Wachstum in Zentimetern, gemessen an der Stärke der Ausschreibungsunterlagen, denn die Vergabeverfahren werden immer komplexer. Das ist eine Sales-Offer-Struktur, die eben gar nicht kompetitiv wäre im Commercial-Markt.

Wie würden Sie die Unterschiede zwischen dem B2G- und B2B-Markt im Marketing beziehungsweise im strategischen Marketing beschreiben?

Haslacher: Wenn man die Kundencharakteristik in den Behörden weltweit ansieht, sie sind sehr risikoavers, sehr auf Vertrauen aufgebaut, auf langjährige Kundenbeziehungen, bei denen man auch eine Reputation mitbringen muss und Erfahrungen und Referenzen. Das Thema Budget spielt im öffentlichen Sektor eine ganz wesentliche Rolle. Sie können nicht unterjährig irgendwo schnell einmal einen Auftrag generieren. Der muss ja im Staatsbudget abgebildet sein. Worauf die Kunden Wert legen, ist, dass sie Innovation bekommen. Und wir als Familienunternehmen, das langfristig denkt, passen sehr gut zu diesen Kunden, denn sie betreiben unsere Lösungen 20, 25 Jahre lang.

Was bedeutet dann Marketing und Kommunikation für Sie? Spielt das überhaupt eine Rolle in dem Sinne?

Haslacher: Marketing spielt für uns schon eine Rolle. Wir unterscheiden im Marketing einerseits das Thema Kundenmarketing, also unser Auftritt in Richtung Markt und seit dem Börsengang in Richtung Investoren. Wir sind Weltmarktführer mit einem hohen Innovationsgrad bei Hochtechnologie. Und wir denken und agieren als Familienunternehmen langfristig. Wir haben den Slogan „Frequentis liefert immer“, wir lassen unsere Kunden nicht zurück. Auf der anderen Seite in Richtung Employer Branding, weil es für uns ganz wichtig ist, auch die richtigen Leute zu bekommen. Wir haben jetzt 2200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit, und wir suchen an allen Standorten für unser Unternehmen mit wertschätzendem Betriebsklima und Non-Punishment-Kultur. Das ist gerade im sicherheitskritischen Bereich wichtig: Uns interessiert nicht, wer den Fehler gemacht hat, sondern ob wir ihn reproduzieren können, um ihn auszubessern, damit er nie wieder auftritt. Wir haben den Anspruch, dass ein Flugzeug sicher von A nach B fliegen kann mit unserer Technologie. Das ist der Purpose, den wir auf dem Employer-Branding-Markt in den Vordergrund stellen.

Immer liefern zu können, Sara Mari-Strasser, ist auch für Sie relevant, oder? Wie kommuniziert man Begeisterung und Verlässlichkeit?

Mari-Strasser: Vertrauen ist für uns sehr wichtig. Das müssen wir generieren. Zunächst, weil uns noch kaum jemand kennt. Bekanntheit ist daher das Ziel unserer Marketing-Strategie. Wenn wir nicht liefern, bedeutet das, es gibt nichts zu essen. Und hungrige Menschen sind verärgert. Liefern ist also sehr, sehr wichtig, und wir können gut erfüllen, was wir anbieten. Viele Start-ups versprechen einfach zu früh zu viel. Es ist eine Herausforderung für viele Start-ups, die schnell wachsen möchten, organisch und gut zu wachsen. Aber langfristiges Vertrauen kann man nur aufbauen, wenn man Versprechen hält. Und das versuchen wir zu machen, mit starker Logistik und starken Prozessen, die immer wichtiger werden im Wachstum.

Welche Rolle spielen Technologie und künstliche Intelligenz im Marketing und Vertrieb und auch beim Produkt selbst?

Mari-Strasser: Technologie ist sehr wichtig. Unsere Kühlschränke sind mit IoT-Technologie eingerichtet. Das bedeutet, wenn ich ein Produkt aus dem Kühlschrank nehme, erkennt das System das und es wird automatisch verrechnet. Was dahinter passiert, ist noch spannender: Unsere Kunden müssen nicht vorbestellen, sondern wir versuchen mittels Data Analytics vorherzusagen, was sie essen möchten. Das heißt, jeder Kühlschrank ist komplett personalisiert. In manchen gibt es mehr Snacks oder mehr Bowls und so weiter. Und das versuchen wir immer weniger manuell zu entscheiden. Gestartet sind wir mit einem Excel-Sheet. Mittlerweile steckt eine KI-Komponente dahinter, die mitlernt, was die Kunden am liebsten essen. Dahinter stehen zwei Ziele: den Geschmack zu treffen und Food Waste zu minimieren, denn wir versuchen, nachhaltig unterwegs zu sein. Und durch KI kann man Verschwendung gut in den Griff bekommen.

Norbert Haslacher, wie ist das bei Frequentis mit künstlicher Intelligenz?

Haslacher: Wir haben vor ungefähr einem Jahrzehnt mit den ersten KI-Forschungsprojekten begonnen. Davon haben es einige schon in unsere operativen Produkte geschafft. Ein gutes Beispiel ist GuardX, das ist eine KI-basierte Speech-to-Text-Lösung für automatische Transkription: Ein Lotse hat die Möglichkeit, den transkribierten Text zu verbessern. In einer Feedback-Schleife lernt das Modell anhand dieses korrigierten Textes, um die Wortfehlerraten zu verbessern. Das erhöht die Sicherheit, wenn man Informationen über die KI drüberlaufen lassen kann, um sie zu validieren. Wir fokussieren uns im Prinzip auf drei Bereiche. Das eine ist das Thema Explainable AI, also die Entwicklung von Methoden, um die Entscheidungen und das Verhalten von KI-Systemen nachvollziehbar und verständlich zu machen, insbesondere für sicherheitskritische Anwendungen. Dann gibt es bei uns Safe AI. Das ist die Entwicklung von Methoden, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit von KI-Systemen zu bewerten, zu prüfen und zu zertifizieren. Im sicherheitskritischen Bereich läuft fast alles über Zertifizierungen und Standards. Und dann gibt es das Thema AI Security, die Analyse von potenziellen Angriffen auf KI-Systeme, sowie die Entwicklung von Abwehrmaßnahmen und Schutzmechanismen. Was für uns allerdings völlig klar ist: Der menschliche Faktor bleibt unverzichtbar, die Entscheidungsfindung liegt weiterhin beim Menschen. Die Zukunft der Sicherheit wird eine Kombination aus KI und menschlichem Fachwissen bleiben.

Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen beiden, Mitarbeitende zu finden, die diese Systeme auch programmieren, trainieren und bedienen können?

Mari-Strasser: Nicht so leicht. Wir haben den Vorteil, ein junges Unternehmen zu sein, und jeder mag gutes Essen. Wir bieten sehr viel Flexibilität: von Remote-Work bis Flex-Stunden und noch mehr im Bereich Entwicklung, denn letztendlich ist es nicht so wichtig, ob man in der Nacht entwickelt oder untertags. Aber: Wir hatten immer sehr viele Bewerbungen und man muss viel Arbeit hineinstecken, mit den Kandidaten reden, verstehen, welche Erfahrungen sie tatsächlich haben. Viele schreiben in ihrem CV etwas von KI. Doch wenn man mit den Leuten redet, kommt heraus, okay, ja, sie haben nicht so diese tiefe Erfahrung.

Mit dem Start-up-Charme können Sie ja nicht mehr ganz dienen, Norbert Haslacher.

Haslacher: Wir haben Corporate Start-ups, die wir separiert haben vom klassischen Business-Modell. Wir haben 75 Prozent Stems (Anm.: Personen mit einer Ausbildung in Science, Technology, Engineering, Mathematics, entspricht Mint: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und müssen unsere eigenen Leute eher bremsen, in die AI-Welt gehen zu wollen. Wir haben also sehr viel Eigenantrieb, in den KI-Bereich hineinzuwachsen, zu lernen und dort etwas zu entwickeln. Und das ist auch gut so. Grundsätzlich suchen wir immer international Leute. Wir haben in Österreich 36 Nationen beschäftigt und international 54 Nationen. Und Wien ist ein attraktiver Standort. Da fällt es nicht schwer, nach Wien zu ziehen, um für die Frequentis zu arbeiten.

Mari-Strasser: Wir sind noch nicht so viele Leute in Tech, aber jede einzelne Person kommt aus einem anderen Land. Ich finde, diese Internationalität an Talenten ist wichtig, wenn man gute Skills sucht.

Haslacher: Wir haben vieles versucht: zunächst, Leute aus der IT zu holen, die haben dann wenig Verständnis für die Regularien in diesem sicherheitskritischen Bereich gehabt und waren leider nicht erfolgreich. Wir haben dann versucht, technische Leute in den Vertrieb zu bringen, die aber nicht das Vertriebsgen haben. Und ja, wir haben uns dann darauf verlegt, statt auf buy auf make zu gehen und uns die Vertriebsleute aus den eigenen Organisationen zu suchen, um die dorthin zu entwickeln. Es wird jetzt auch die ersten Trainee-Programme geben für Sales, sodass wir Leute, die ein gewisses Sales-Gen in sich haben, auch aus der eigenen Organisation heraus in den Vertrieb entwickeln werden können.

Sara Mari-Strasser, wie schaut es bei Ihnen aus? Gute Vertriebsleute sind für Sie ja auch der Schlüssel, um zu skalieren, sonst ist man eingeschränkt im Wachstumsmodell.

Mari-Strasser: Anfangs haben wir stark auf jüngere Talente gesetzt, da diese oft eine sehr hohe Motivation zeigen und sehr lernbereit sind. Allerdings ist es sehr zeitintensiv, weniger erfahrene Mitarbeiter vorzubereiten. Letztendlich sind wir auch bei diesen Personen mit ein bisschen Sales-Erfahrung und Sales-Gen gelandet. Und wir machen Traineeships. Das bedeutet, sie machen zum Beispiel Shadow Calls mit erfahrenen Sales-Personen, mit denen sie Punkt für Punkt analysieren. Was wir für die Skalierung sehr nützlich gefunden haben, ist, den Sales Channel sehr sorgfältig zu pflegen. Also mit sehr guten Daten, um wirklich die Pain Points herauszufinden. Denn es stellt sich immer wieder die Frage: Ich möchte mehr Abschlüsse machen, aber wie kann ich meinen Prozess verbessern? Das kannst du nur, wenn du den ganzen Prozess in wirklich kleine Schritte teilst. Und dann in jedem Schritt schaust: Mache ich diesen Schritt gut genug? Wir haben das analysiert und gesehen: Es ist wichtig, dass die Kunden unsere Produkte verkosten – dann ist die Conversion Rate hoch und die Kunden bleiben.

Wenn Sie sagen skalieren, was bedeutet das konkret?

Mari-Strasser: Die Sales-Prozesse sind oft lang und komplex, da jeder Lead andere Anforderungen hat. Manchmal geht man hier nach Gefühl vor, gerade am Anfang, als wir kein Budget und geringe Ressourcen hatten, um strukturiert vorzugehen. Aber wir haben gemerkt, dass klare Strukturen uns helfen, um die Komplexität zu reduzieren und erfolgreicher zum Abschluss zu kommen. So können auch neue Kollegen hier leichter anschließen.

Haslacher: In der Frequentis bleiben die Leute Gott sei Dank sehr lange. Kürzlich habe ich in einem Interview gesagt, dass der älteste Mitarbeiter 79 Jahre alt ist. Da war die Frage des Journalisten: „Wo arbeitet er?“ Die Antwort: im Vertrieb. Es geht also darum, wie ich den Generationswechsel hinbekommen kann. Wir setzen auf ein Trainee-Programm, um die Leute mitlaufen zu lassen mit Key-Account-Managern oder sehr erfolgreichen Sales-Leuten in den Regionen: Man muss Verkauf von der Pike auf lernen, und man kann es auch lernen.

Um es nochmals auf den Punkt zu bringen, was brauchen Vertriebsmitarbeiterinnen, um gut performen zu können?

Haslacher: Sie brauchen eine klare Zielsetzung. Und der Vertriebserfolg ist ja sehr leicht messbar: Er heißt Auftragseingang. Im Endeffekt, das wurde vorher schon angesprochen, wird der Auftragseingang am Ende des Jahres wieder auf null gesetzt. Und ich brauche im neuen Fiskaljahr wieder einen Auftragseingang. Wir haben einen Sales Cycle von etwa drei Jahren von der Initiierung des Vergabeprozesses bis zur Vergabe. Das heißt, es ist ganz, ganz wichtig, dass Sie in die Zukunft schauen. Da spielt natürlich das Tooling eine wesentliche Rolle. Dass Sie heute ein Ziel vorgeben, dass Opportunities entwickelt werden, die dann 2026, 2027 kommen.

Sara Mari-Strasser und Michael Hirt.
Sara Mari-Strasser und Michael Hirt.Caio Kauffmann

Sara Mari-Strasser, wie lang ist Ihr Sales Cycle von dem ersten Kontakt bis zum Abschluss?

Mari-Strasser: Vielleicht ein, zwei Monate.

Wer ist Buying Center, wer trifft die Entscheidung für eine Beauftragung?

Mari-Strasser: Normalerweise der HR-Leiter, die HR-Leiterin.

Die sind ja auch sehr vernetzt. Gehen Sie es aktiv an, dass Weiterempfehlungen stattfinden?

Mari-Strasser: Das ist von Anfang an immer gut angekommen, weil Essen ein Thema ist, worüber gern geredet wird, auch mit Freunden. Und jeder hat einen Freund, der irgendwo anders arbeitet.

Wie wichtig ist Weiterempfehlung bei Ihnen, Norbert Haslacher?

Haslacher: Eine Empfehlung ist zwar nett, aber im Endeffekt müssen wir eine Ausschreibung gewinnen.

»Ich habe viele Manager in meiner Beratungszeit getroffen, die Angst haben, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Ich persönlich denke, okay, man muss die Hausaufgaben machen, alle Pros und Cons gewichten und alle Analysen machen. Irgendwann kommt die Zeit, da es teurer ist, keine Entscheidung zu treffen.«

Sara Mari-Strasser

CEO Schrankerl

Wir sind bei einem letzten großen Thema angelangt. Was können Sie gegenseitig oder wechselseitig voneinander lernen, Sara Mari-Strasser?

Mari-Strasser: Ich habe in meiner Zeit in der Beratung auch größere Unternehmen kennengelernt. Und ein Punkt ist: Wie schnell kann man Entscheidungen treffen? Für Konzerne ist es schwieriger, weil vieles reglementiert ist. Für ein Start-up, und das wollte ich auch für meine Firma, ist wichtig, dass wir schnell entscheiden und keine Angst haben, zu entscheiden. Ich habe viele Manager in meiner Beratungszeit getroffen, die Angst haben, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Ich persönlich denke, okay, man muss die Hausaufgaben machen, alle Pros und Cons gewichten und alle Analysen machen. Irgendwann kommt die Zeit, da es teurer ist, keine Entscheidung zu treffen. Start-ups machen das manchmal sehr gut, dass sie schnell sind im Markt. Wir waren das, und für uns war sehr wichtig, rasch Feedback von Kunden zu sammeln, bevor unser Produkt komplett fertig war. Das war mutig, aber wichtig, denn dadurch konnten wir uns auch schnell verbessern.

Wo ist der Ort, wo Entscheidungen getroffen werden?

Mari-Strasser: Ich bin Scrum Masterin und habe Schrankerl agil organisiert. Das heißt, wir haben kleine Teams und jedes Team kann für seinen Bereich entscheiden. Und wenn eine Entscheidung getroffen wird, dann gilt ein no blame game. Niemand sollte Angst haben, eine Entscheidung zu treffen. Und das ist insbesondere für das Mittelmanagement ja manchmal schwierig, denn du hast die Leute oben, du hast die Leute unten, die alle schauen, was du machst. Ich finde das extrem wichtig, dass die Leute empowered sind, in ihrem Bereich entscheiden zu können.

Haslacher: Das Entscheidungsthema ist wesentlich – auch in größeren Unternehmen. Zwei Komponenten spielen eine Rolle. Das eine ist das Organisationsmodell. Wir haben uns auf das viable System festgelegt, das in sich entscheidungsfähig und lieferfähig ist. Das andere sind die Themen Governance und Rules and Procedures und Policies. Vor allem bei börsenotierten Unternehmen werden die Reportings immer mehr, was eine Organisation verlangsamt und auch teuer macht. Das sollte hinterfragt werden, ob das auch alles immer notwendig ist.

Norbert Haslacher, Sara Mari-Strasser, Michael Hirt, Michael Köttritsch.
Norbert Haslacher, Sara Mari-Strasser, Michael Hirt, Michael Köttritsch.Caio Kauffmann

Gibt es etwas, was große Unternehmen von Start-ups lernen können?

Haslacher: Wir haben ja selbst Corporate Start-ups: Sie sind agil, schnell. Da gibt es einen, der entscheidet. Start-up ist nett, da gilt noch ein bisschen „Jugend forscht“. Aber wichtig ist, den Zeitpunkt zu erkennen, in dem wir ein Scale-up werden. Wir haben uns dazu ein Organisationsmodell überlegt: Die Start-ups sind in der New-Business-Development-Gruppe. Will ein Start-up in die Scale-up-Phase eintreten, passt es nicht mehr zu diesem New-Business-Development-Mindset: Es braucht ein bisschen mehr Struktur, aber nicht die Regelorganisation, weil die viel zu mächtig ist und viel zu schwerfällig. Deswegen haben wir uns entschieden, eine Zwischenorganisation zu bauen, wenn die ersten drei, vier Launching Customers an Bord sind. Die Zwischenorganisation hat mehr Prozesse, aber deutlich weniger als die Regelorganisationen. Und wenn sie dann stark genug sind, dann überführen wir sie in eine Regelorganisation.

Mari-Strasser: Ich finde, ein Start-up muss lernen, sich selbst zu verändern. Am Anfang brauchst du weniger Prozesse, weil du Ideen entwickeln musst. Aber je weiter du gehst, desto mehr Prozesse brauchst du. Aber nicht sofort zu viele.

Sara Mari-Strasser, wie lang, würden Sie sagen, ist Schrankerl noch ein Start-up?

Mari-Strasser: Es ist schon fast ein Scale-up, weil wir ja schon 100 Kunden haben, aber vielleicht genießen wir noch ein paar Jahre den Start-up-Bonus. Standardmäßig sind es fünf Jahre, in denen man versucht, profitabel zu werden. Wir sind im Wachstumsmodus, wir haben das Produkt und dann kommt das Streamlining von Prozessen, weil alles effizienter und skalierbar werden muss. Es ist ein bisschen ein anderes Mindset.

Unsere allerletzte Frage: Was hätten wir Sie noch fragen sollen?

Norbert Haslacher: Ich möchte noch ein paar Schmerzen teilen, die wir erleben durften in den letzten zehn, 20 Jahren. Wenn ich den Anspruch habe, aus Österreich hinauszugehen und global zu wachsen, dann muss ich mir die Rahmenbedingungen in den Ländern anschauen: nicht nur den Product-Fit, sondern auch den Cultural-Fit und die Verfahren. Was bedeutet das für mich als Unternehmen, wie sehen sprachliche, kulturelle, legale Unterschiede aus? Ich glaube, manche gehen zu schnell in neue Länder, weil es Wachstumsfantasien gibt, ohne eine ordentliche Analyse vorher gemacht zu haben: Was bedeutet das eigentlich? Wichtig zu wissen: Wachstum kostet Geld, auch im Vertrieb. Nicht nur in der Produktentwicklung oder in der Abwicklung. Und man muss sich fragen: Sind wir bereit, dieses Geld auszubringen, oder gibt es andere Channels, vielleicht über Reseller oder über andere Joint-Venture-Modelle in neue Märkte einzutreten, bevor man schnell einmal eigenständig aktiv wird?

Mari-Strasser: Wir haben über Recruiting und Mitarbeiter geredet, und ich finde, mentale Gesundheit ist ein wichtiges Thema – insbesondere für die neue Generation. In Sales arbeitet man meistens allein, bekommt Zusagen, aber auch viele Absagen, deswegen ist es tatsächlich ein harter Job. Also ist es wichtig, die Kollegen und die Mitarbeiter abzuholen und sicherzustellen, dass ihre mentale Gesundheit okay ist. Das gilt für Start-ups wie für große Unternehmen.

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