Migrationsforschung

Die Ursachen von Abwanderung liegen in der jeweiligen Region

Migration (hier: Afghanistan ) geht oft über kurze Distanzen.
Migration (hier: Afghanistan ) geht oft über kurze Distanzen.APA/Sanaullah Seiam
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Für ein EU-Projekt wurden Haushalte in zehn afrikanischen und asiatischen Ländern zu Lebensqualität, Neigung zur Abwanderung und Rückkehrprozessen befragt. Es gibt keine durchgängig gültigen Fluchtursachen, außer der Korruption, die überall herrscht.

Der EU-Wahlkampf, der Fahrt aufnimmt, macht immer wieder außereuropäische Staaten zum Gegenstand. Je nach politischer Gesinnung wird aufgerufen, Bollwerke gegen Einwanderer aus vorwiegend muslimischen Ländern zu errichten, andere wiederum als sichere Drittstaaten zu etikettieren.

Doch die Ursachen, warum Menschen migrieren wollten, sind nicht länderspezifisch, sondern eher regional. Von dem Ansatz geht das Projekt „Mignex“ aus – eines der größten Migrationsforschungsprojekte der EU, an dem auch die Donau-Uni Krems beteiligt ist. „Mignex“ nimmt Regionen in den Blick wie den Distrikt Behsud (Afghanistan), die Insel Boa Vista (Kap Verde), die Kleinstadt Batu (Äthiopien) oder die Bergwerkstadt Redeyef (Tunesien).

26 Regionen mit hoher Vielfalt

Alle 26 Regionen sind hier weniger geläufig als die zehn asiatischen und afrikanischen Länder, denen sie zuzuordnen sind. Neben den bereits genannten waren das die Türkei, Pakistan, Guinea, Ghana, Nigeria und Somalia. Die Regionen sind mit dem Ziel der „theoretisch relevanten Vielfalt“ ausgewählt worden, erklärt Mathias Czaika, Leiter des Departments für Migration und Globalisierung in Krems: „So erleben einige Regionen Stagnation, während andere florieren, sogar innerhalb desselben Landes.“ Bei der Auswahl wurden auch Unterschiede in Bezug auf Sicherheit, Existenzgrundlagen, Infrastruktur und Entwicklungs- und Migrationsfaktoren berücksichtigt.

„Mignex“ beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von Entwicklung und Migration. Die Ergebnisse wurden Ende April bei einer Konferenz mit 150 Teilnehmenden aus der EU-Politik und Praxis diskutiert. Manche Annahmen der Politik habe man widerlegen können, sagt Projektmitarbeiterin Zina Weisner. So zeigte sich, dass keine durchgängig gültigen Fluchtursachen existieren. „Es gibt viele Migrationstreiber, und sie wirken sich unterschiedlich aus. Die einzige lokale Ursache, die wir über alle Regionen als signifikant herausfanden, ist der negative Einfluss von Korruption“, sagt Weisner.

Der Großteil der mehr als 13.000 Befragten habe nicht den Wunsch geäußert, international zu migrieren, sondern entweder innerhalb eines Landes oder in das nächste Nachbarland – und das nur temporär. Weisner: „Das heißt, die Menschen möchten gern in ihre Region zurückkehren.“

In der Gesellschaft aktiv

Überraschend waren auch Ergebnisse zum Zusammenhang von verhinderter Mobilität und Entwicklung. Basierend auf früheren Arbeiten sei man davon ausgegangen, dass Personen, die ihre Lebensziele nicht verwirklichen können, weil sie an der Migration gehindert werden, in die „Aspirationsfalle“ geraten – einen Teufelskreis aus noch mehr Unzufriedenheit bis zu mentalen Problemen oder Depressionen, so Czaika. Diese Hypothese habe sich allerdings in der neuen Studie nicht bestätigt. „Im Gegenteil, wir stellen fest, dass Personen, die sich tatsächlich für internationale Migration interessieren und sich darauf vorbereiten, oft zu den proaktiveren Mitgliedern der Gesellschaft gehören. Sollten ihre Migrationspläne sich nicht verwirklichen lassen, entscheiden sie sich häufig dafür, sich proaktiv in anderen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen zu engagieren.“

Migration nicht verhindern

Daraus jedoch abzuleiten, dass es grundsätzlich sinnvoll sei, Migration und Auswanderung zu verhindern, wäre aus seiner Sicht falsch. Auch bei diesen proaktiveren Mitgliedern der Gesellschaft könne die Verhinderung von Migration zu Einschränkungen der Zufriedenheit und Motivation führen. Czaika: „Dadurch könnte das Potenzial dieser Menschen für persönlichen Aufstieg sowie ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag eingeschränkt werden.“

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