Auf Achse

Wandern in Italien: Juchhe, der Weg endet in der Wildnis!

Und was, wenn der Pfad plötzlich aufhört?
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Italiens Tourismusbranche hat klammheimlich eine tolle Innovation eingeführt: Escape Hiking. Wir sind begeistert.

Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren waren Escape Rooms das große Ding – eine kleine Gruppe von Menschen findet es lustig und spannend, dass man sie in einen Raum sperrt. Innerhalb einer Stunde sollen sie dem Gefängnis entkommen, indem sie Rätsel lösen oder versteckte Hinweise deuten. Firmen schweißen so ihre Projektteams zusammen, und urbane Freundeskreise, denen die Fähigkeit zur sinnerfüllten Selbstbeschäftigung fehlt, betäuben damit ihre Langeweile. Italiens Tourismusbranche hat dieses Konzept jetzt offenbar auf den Outdoorbereich erweitert: Entkommen Sie der Wildnis, Escape Hiking sozusagen. Freilich ohne die Innovation zu bewerben, klammheimlich sogar, was für einen prickelnden Überraschungseffekt sorgt.

Palestrina bei Rom, Ende April. Der fünfstündige Rundweg ist exzellent ausgeschildert und markiert. Bis kurz vor dem Ziel, da hören die Farbstreifen plötzlich auf. Der Pfad wird immer schmäler, leitet in einen Graben, endet bei einem Bach. Wir kehren kurz um, profimäßig bis zur letzten Markierung, weil wir vermuten, dass wir eine Abzweigung übersehen haben. Fehlanzeige. Die ganze Strecke retour, großräumig ausweichen? Dann würde es dunkel, bevor wir zurück sind. Einzige Chance: vorwärts ins Verderben.

Kein Vergleich mit zuhause

Denn wir müssen betonen: Es ist ungleich weniger heikel, hier in Österreich weglos eine jener Nutzholzplantagen zu durchstreifen, die wir Wälder nennen, als sich querfeldein durch mediterranen Dschungel zu kämpfen. Ringsum zäher Schlamm, unterstes Unterholz, dichtestes Dickicht, und vor allem: ganz viele Dornen. Was es nicht gibt: eine Handyverbindung und Google Maps.

Nur dank des formidablen Orientierungssinnes des Autors haben wir es nach einer Stunde doch noch geschafft – mit zerrissenen Hosen, schweißgebadet, arg zerkratzt und mit Blut gesprenkelt, ein wenig wie Jesus auf diesen Ecce-Homo-Darstellungen. Aber: heilfroh und hungrig, begierig auf Pasta und Vino.

Drei Tage später riechen wir den Braten schon, als uns ein Pfeil suggeriert, der Weg nach Bagnoregio führe in eine einsame Schlucht. Unten ist alles zu Ende, also rauf auf die andere Talseite, und von dort irgendwie weiter auf einem kühnen Cross-Country-Trail. Höhepunkt: ein ruppig steiler Abstieg über Wiesen mit meterhohem Gras, wo jeder Schritt auf einer Viper oder in einem Erdloch enden mag. Nun ist die Leidenschaft entfacht, wie bei Schitourengehern, denen eine präparierte Abfahrt nur noch Gähnen entlockt.

Auf dem Monte Argentario, schon ziemlich abgehärtet, werden wir selbst kreativ. Der Wanderführer behauptet, hier müsse man umkehren, den gleichen Weg zurück? Ach was! Die Strada Panoramica liegt doch nur 300 Meter vor uns! Aber die haben es in sich: gewagte Sprünge über Trockensteinmauern, Überwinden von Stacheldrahtzäunen, Queren von Feindesland mit beißfreudigen Bauernhunden. Die tiefen Kratzer bleiben uns noch eine Woche lang als stolzes Souvenir. Wir kommen wieder, bella, brutale Italia!

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