Die Vorwürfe gegen ihre Spitzenkandidatin für die EU-Wahlen haben Österreichs Grüne gewaltig in die Defensive gebracht. Sie haben quasi eine Wagenburg um Lena Schilling gebildet. Wie bewerten heimische Tageszeitungen den Enthüllungsskandal?
Das lateinische Wort „privatum“ bezeichnet „das Eigene“, im Sinne von „abgesondert“. Das Verb dazu lautet „privare“ mit seinen semantischen Tücken. Es bedeutet nicht nur „befreien“, sondern auch „berauben“. Diese Ambiguität ist im heimischen EU-Wahlkampf höchst aktuell und verlangt auch dem Journalismus einiges an Reflexion ab.
Wer benutzt hier wen und warum? Was muss privat bleiben, weil alles andere einem Raub gleicht? Was soll berichtet werden, weil es politische Relevanz hat? Sind heimlich aufgenommene Allmachtsfantasien, die trunkene Spitzenpolitiker absondern, von öffentlichem Interesse? Hat das Wahlvolk ein Recht darauf, zu erfahren, wie viele Entziehungskuren ein Parteichef bereits hinter sich hat? Dürfen amtliche Smartphones beschlagnahmt werden, auf denen pubertär wirkende private Chats angeblicher Hoffnungsträger über die Verteilung von Machtpositionen gespeichert sind? Die politischen Standpunkte dazu divergieren.
Diese Woche ist es wieder einmal passiert. „Der Standard“ berichtete extensiv über mutmaßliche Verfehlungen der jungen Spitzenkandidatin der Grünen fürs Europaparlament. Grundton: Lena Schilling nehme es mit der Wahrheit nicht so genau. Einiges davon habe sogar juristische Relevanz. Die Parteispitze rückte aus, um ihre junge Hoffnungsträgerin zu verteidigen. Sie löste damit eine weitere Lawine erregter Reaktionen aus. Das Niveau in dieser Causa ist wirklich nicht besonders hoch. Was meinen Medien zu diesem Fall?