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Die Schweiz rettet den Eurovision Song Contest 2024

Nemos Triumph ist auch ein Zeichen gegen die Politisierung des Wettbewerbs.
Nemos Triumph ist auch ein Zeichen gegen die Politisierung des Wettbewerbs. APA/AFP/Tobias Schwarz
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Der Liederwettbewerb in Malmö ist geschlagen, ohne die Niederlande. Österreich landet auf dem vorletzten Platz. Nemo aus der Schweiz sticht überraschend Favorit Kroatien aus. Und Israel lag zwischenzeitlich vorne.

Es war ein Eurovision Song Contest, der weniger Spaß gemacht hat als üblich, und der mit einem überraschenden Sieg für die Schweiz einen glücklichen Ausgang fand. Seit Monaten war die Teilnahme Israels von Protesten begleitet, auch im Austragungsort Malmö, wo ein Großteil der palästinensischen Community Schwedens lebt. Tausende marschierten diese Woche dort auf, unter ihnen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Ein mulmiges Gefühl begleitete darum die Show am Samstagabend, weil die Furcht mitschwang, dass etwas passieren könnte, eine Störaktion oder Schlimmeres. Es waren dann „nur“ Pfiffe, die beim Auftritt der 20-jährigen Teilnehmerin Israels, Eden Golan, zu hören waren (wie auch Jubel). Trotz oder wegen dieser Polarisierung wurden ihr Chancen auf den Sieg zugetraut, zuletzt lag sie auf Platz zwei bei den Wettquoten.

Triumphiert hat im Finale aber die Schweiz: Nemo lieferte mit „The Code“ das vielleicht zeitgeistigste Lied des Bewerbs. Nemo, nonbinär sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnend, sang über Selbstfindung und den Ausbruch aus dem binären Code, der mit 0 und 1 nur zwei Zustände kennt – mit Falsett, irgendwo zwischen Pop, Musical und James-Bond-Ballade und einem einprägsamen „Oh-oh-oh“ im Refrain. Die Performance, bei der Nemo allein auf einer sich drehenden runden Plattform stand, gehörte zu den coolen und abgebrühtesten des Abends. Bei den Fachjurys kam „The Code“ – im Gegensatz zu Golan – ausnehmend gut an. Der Song bekam mit Abstand am meisten Punkte der Jury, die im Finale (im Gegensatz zu den Halbfinali, wo nur die Zuschauerschaft abstimmt) gemeinsam mit dem Publikum entscheidet. Nemos Sieg ist ein Zeichen gegen die Politisierung des Bewerbs – und ein Glück für die Veranstalter. Kaum auszudenken, müsste das Wettsingen nächstes Jahr in Israel stattfinden. Vor Aufregung zerbrach Nemo die gläserne Siegtrophäe auf offener Bühne (ein Ersatz war schnell besorgt).

Vorletzter Platz für Österreich

Das Nachsehen hatte der lang favorisierte Baby Lasagna aus Kroatien, der beim Publikum noch besser ankam als Nemo: Sein „Rim tim tagi dim“, ein Rammstein-artiger Rocksong über Auswanderung, punktete weniger mit Melodie denn mit Rhythmus und kam am Ende auf Platz zwei. Auf die Schweiz mit 591 Punkten und Kroatien mit 547 folgten mit Respektabstand die Ukraine (453 Punkte) und Frankreich (445), Israel landete schlussendlich auf Platz fünf (375). Für Österreich gab es insgesamt nur 24 Punkte und damit den vorletzten Platz. Kaleen hatte bei ihrem Uptempo-Song „We Will Rave“ (nicht der stimmgewaltigste Beitrag des Abends) auch Pech: Gerade im Moment ihrer stärksten Tanz-Performance gab es einen Bild-Ausfall. Für Deutschland gab es diesmal nicht wie befürchtet den letzten Platz (wie oft in den vergangenen Jahren), Isaak wurde Zwölfter. Das Schlusslicht machte heuer Norwegen.

Erstaunlich war die Vorliebe der Fachjurys für den Beitrag aus Irland: Bambie Thug lieferte mit „Doomsday Blue“ die albtraumhafteste der Performances. Da wurde viel geschrien und „schirch“ geschaut. Die Horrorshow, die auf Platz sechs kam, hob sich auf schaurige Weise von den anderen Beiträgen ab.

Bambie Thug aus Irland: Da wurde viel geschrien.
Bambie Thug aus Irland: Da wurde viel geschrien.Imago/Jessica Gow/tt

Das Finale wurde auch überschattet von einem Skandal, der nichts mit Israel zu tun hatte: Wenige Stunden davor wurden die Niederlande disqualifiziert. Nach einem Vorfall zwischen Kandidat Joost Klein und einem Produktionsmitglied ermittelt die Polizei. Klein habe eine Geste in Richtung Kamera gemacht, als er gegen seinen Willen gefilmt wurde, so der niederländische Rundfunk, der von einer „unverhältnismäßigen“ Maßnahme spricht. Die Stimmung zwischen den Niederlanden und dem Veranstalter, der European Broadcasting Union (EBU), war während der Durchsage der Punkte merklich unterkühlt.

Drakonische Strafe für Niederlande

Eine solch drakonische Reaktion der EBU so kurz vor dem Finale ist einzigartig in der Song-Contest-Historie. Ironie der Geschichte: Der Niederländer hatte mit dem gut gelaunten „Europapa“ nicht nur als Mitfavorit gegolten, er verkörperte mit seiner Leichtigkeit, ohne oberflächlich zu sein, auch den Geist des Liederwettstreits wie sonst heuer nur Nemo.

Die Platzierung im Überblick

  1. Schweiz (591 Punkte) – Nemo mit „The Code“
  2. Kroatien (547 Punkte) – Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“
  3. Ukraine (453 Punkte) – Alyona Alyona & Jerry Heil mit „Teresa & Maria“
  4. Frankreich (445 Punkte) – Slimane mit „Mon Amour“
  5. Israel (375 Punkte) – Eden Golan mit „Hurricane“
  6. Irland (278 Punkte) – Bambie Thug mit „Doomsday Blue“
  7. Italien (268 Punkte) – Angelina Mango mit „La Noia“
  8. Armenien (183 Punkte) – Ladaniva mit „Jako“
  9. Schweden (174 Punkte) – Marcus & Martinus mit „Unforgettable“
  10. Portugal (152 Punkte) – Iolanda mit „Grito“
  11. Griechenland (126 Punkte) – Marina Satti mit „Zari“
  12. Deutschland (117 Punkte) – Isaak mit „Always On The Run“
  13. Luxemburg (103 Punkte) – Tali mit „Fighter“
  14. Litauen (90 Punkte) – Silvester Belt mit „Luktelk“
  15. Zypern (78 Punkte) – Silia Kapsis mit „Liar“
  16. Lettland (64 Punkte) – Dons mit „Hollow“
  17. Serbien (54 Punkte) – Teya Dora mit „Ramonda“
  18. Vereinigtes Königreich (46 Punkte) – Olly Alexander mit „Dizzy“
  19. Finnland (38 Punkte) – Windows95man mit „No Rules“
  20. Estland (37 Punkte) – 5Miinust x Puuluup mit „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“
  21. Georgien (34 Punkte) – Nutsa Buzaladze mit „Fire Fighter“
  22. Spanien (30 Punkte) – Nebulossa mit „Zorra“
  23. Slowenien (27 Punkte) – Raiven mit „Veronika“
  24. Österreich (24 Punkte) – Kaleen mit „We Will Rave“
  25. Norwegen (16 Punkte) – Gåte mit „Ulveham“

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