Unbeirrbare Journalistin

Check, Recheck und kein Du-Wort: Concordia-Preis für Anneliese Rohrer

Anneliese Rohrer bei der Preisverleihung im Parlament.
Anneliese Rohrer bei der Preisverleihung im Parlament. Inés Bacher
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Seit fünf Jahrzehnten kommentiert sie Österreichs Politik. Nun wurde Anneliese Rohrer für ihr Lebenswerk geehrt.

„,Wenn ich das Wort Emanzipation höre, kommt mir der Gedanke, ob die Frau damit nicht vielleicht mehr verliert, als sie gewinnt?‘, meditierte Karl Schleinzer bei einem ,Damentee‘ in Baden im Kreis niederösterreichischer Hausfrauen. Die Zustimmung aus diesen Reihen war ihm gewiss, als er den Gedanken fortspann: ‚Eigentlich bedeutet Emanzipation eine zusätzliche Stresssituation für die Frau.‘“

Obiges Zitat des ÖVP-Politikers stammt aus der „Presse“, vom 20. November 1974. Keine zwei Monate zuvor hat Anneliese Rohrer nicht beim Damentee, sondern bei ebendieser Zeitung begonnen. Als Quereinsteigerin – gleich nach der Matura war die gebürtige Kärntnerin, Jahrgang 1944, zunächst einmal in die USA gegangen, später dann als promovierte Historikerin nach Neuseeland. „Nach einem Leben jenseits des Tellerrands“, formuliert es „Presse“-Chefredakteur Florian Asamer, also „zurück hinein in die Frittatensuppe der heimischen Politik“. Für fünf Jahrzehnte pointierten, kritischen Blicks auf selbige wurde Anneliese Rohrer am Montag im Parlament mit dem Concordia-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Wobei die langjährige „Presse“-Innenpolitikchefin, um beim Bild zu bleiben, es stets vermied, in besagter Frittatensuppe mitzuschwimmen. Zu den vielen nur scheinbaren Kleinigkeiten, die den Zugang der „Frau Doktor“ prägen, gehört ihr Umgang mit den journalistischen Grundregeln. Rohrer habe, so Asamer in seiner Laudatio, das Prinzip von Check, Recheck, Doublecheck konsequent um zwei Punkte erweitert: Kein Du-Wort. Und kein Alkohol. („Im Journalismus. In Österreich!“) Allein diese zwei Dinge seien, „wenn man sie über Jahrzehnte beherzigt, eine ziemlich wirksame Impfung gegen Verhaberung, Grenzüberschreitung und damit letztlich Korruption.“

Herzlich, aber unerbittlich

Überzeugt habe Rohrer stets dadurch, dass sie war, wie sie war. „Gscheit, schnell, herzlich, am Gegenüber und an der Sache interessiert, aber auch unerbittlich, wenn sie nicht überzeugt war von Geschichten, Motiven, Argumenten, Personen“, so Asamer. „Wer einmal unter Rohrers stechendem Blick allein eingeknickt ist, weiß, wovon die Rede ist.“

Ihre „nicht gerade gnädige“ Begleitung der schwarz-blauen Wende stieß auch auf Kritik. Schließlich wechselte sie an die Spitze der „Presse“-Außenpolitik. Rohrer habe getan, was sie immer tut: „Weitermachen mit Neugierde, Energie und Begeisterung.“

Auch, als sie, als Frau, ihre Pensionierung mit 60 Jahren akzeptieren musste. „Andere hätten sich neu erfunden, bei Rohrer gab es dazu keine Notwendigkeit.“ Mitarbeit bei den Filmen von Tochter Kat, Reisen, die Rückkehr als „Querschreiberin“ zur „Presse“, ihre wöchentliche, strenge Blattkritik („Drei Geschichten, die mich wirklich interessieren!“, lautet ihre stete Forderung), dazu eine ungebrochene Präsenz in Funk und Fernsehen: All das mache sie, auch wenn sie es nicht gern hört, zur Doyenne der österreichischen Innenpolitik. „I rest my case“, ihr liebster Schlusssatz, gilt nie für lang.

Rohrer selbst zitierte am Montag übrigens einen nicht namentlich genannten Kollegen. Warum sie sich nach 50 Jahren immer noch über die Innenpolitik aufrege, wollte dieser wissen. „Weil sie zu wichtig ist, um ihr gleichgültig gegenüberzustehen“, ist ihre Antwort. Und: Irgendetwas hätten Politik und Medien falsch gemacht. „Sonst wären wir nicht in der Situation, in der wir sind.“

Concordia-Preisträgerinnen

Anneliese Rohrer wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Colette M. Schmidt („Der Standard“) erhielt die Auszeichnung in der Kategorie Pressefreiheit für ihre „beharrliche und couragierte“ Berichterstattung über Angriffe auf Journalisten. Der rechte Rand baue schon länger eigene Propagandamedien auf, sagte sie bei der Verleihung. Diesen müssen man mit Aufklärung und gut recherchierter Information begegnen. Doch obwohl Journalismus so essenziell für die Demokratie sei, sei er am Sterben, warnte Schmidt. 

Nicole Kampl (ORF) erhielt die Auszeichnung in der Kategorie Menschenrechte für die „Am Schauplatz“-Reportage „Woher kommt der Hass?“. Sie widmete sich der Thematik anhand der von Impfgegnern bedrohten Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die Ende Juli 2022 Suizid beging. „Viele Ärzte, die für die Corona-Impfung warben, wurden mit Hass konfrontiert“, so Kampl. Viele seien daraufhin sehr leise geworden oder ganz von der Bildfläche verschwunden. Diesen Rat habe auch Kellermayr bekommen. „Das wollte sie aber nicht, sie wollte weiter laut sein“, erinnerte sich die ORF-Journalistin in ihrer Dankesrede. 

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