Meme-Aktien

„Kampf gegen die Wall Street“: Influencer lässt Aktien von Gamestop in die Höhe schießen

Die Aktie des Videospiele-Händlers Gamestop ist am Montag um mehr als 70 Prozent in die Höhe geschnellt.
Die Aktie des Videospiele-Händlers Gamestop ist am Montag um mehr als 70 Prozent in die Höhe geschnellt. Yuki Iwamura / Bloomberg
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Ein Lockdown-Phänomen ist zurück: Kleinanleger kaufen wieder gezielt bestimmte Aktien, um Short-Seller kalt zu erwischen. Erneut ist dabei die Aktie des Videospielhändlers Gamestop betroffen – sie schnellte um mehr als 70 Prozent in die Höhe.

Was wurde aus Keith Gill? Das hatten sich zuletzt viele gefragt, denn der Finanzanalyst und Investor, der in sozialen Medien unter den Pseudonymen „The Roaring Kitty“ und „Deep Fucking Value“ auftrat, hatte schon länger nichts mehr von sich hören lassen. Vor drei Jahren hatte er ein Phänomen ausgelöst, das als „Meme-Aktienhype“ in die Geschichte einging. Und dieses Phänomen scheint nun eine Neuauflage zu erfahren, wie die extremen Kurssprünge von Aktien wie Gamestop oder AMC am Montag zeigten. Die Papiere des Videospielehändlers und der Kinokette schossen um je mehr als 70 Prozent in die Höhe.

Das was steckt da dahinter? Ein Meme ist ein Internetphänomen mit Wiedererkennungswert. Das kann ein Bild sein, ein kurzer Filmausschnitt oder ein Zitat, das jemand verwendet, um bestimmte Assoziationen zu erwecken. Ein Meme kann auch eine Aktie sein, die von Kleinanlegern im Internet gehypt wird. Solche Aktien zu halten, ist dann weniger ein Investment als ein Statement.

Roaring Kitty hatte 2021 Gefallen an Gamestop gefunden, einem Videospiele-Händler, dem der Lockdown zu schaffen machte und der zu spät auf das Onlinegeschäft gesetzt hatte. Er fand die Aktie unterbewertet. Anfang 2021 kostete eine Gamestop-Aktie (bereinigt um einen späteren Aktiensplit) 4,7 Dollar. Der Finanz-Blogger riet jedoch auf der Plattform Reddit zum Kauf, und seine Fans folgten seinem Rat. Der Kurs der Gamestop-Aktie kletterte binnen weniger Wochen auf 87 Dollar.

David gegen Goliath

Das brachte Hedgefonds in Schwierigkeiten, die auf fallende Kurse gewettet hatten, sie mussten die Aktien, die sie sich nur geliehen und dann verkauft hatten, teuer zurückkaufen, was den Kurs noch weiter antrieb. Die Geschichte wurde zum Kampf von „David gegen Goliath“ hochstilisiert. „Wir holen uns das Geld von der Wall Street zurück“, lautete das Credo. Der Fall wurde sogar verfilmt (“Dumb Money“). Die Debatte erhielt eine ethische Dimension: Ist es fair, sich im Internet zur Kursmanipulation zu verabreden? Oder ist es eine Art Notwehr gegen die Großen an der Börse, die nach Ansicht vieler ja selbst unfair spielen? Sind Hedgefonds nicht einfach nur gierig? Doch sind dann die Kleinanleger viel besser?

Auch andere Aktien wurden damals in die Höhe getrieben: die Kinokette AMC, das Smartphone-Unternehmen Blackberry oder der Autovermieter Hertz. Irgendwann war der Hype vorbei, die Kurse brachen wieder ein. Für Ernüchterung sorgte auch das Vorgehen der Trading-Plattform Robinhood, auf der viele Kleinanleger ihre Gamestop-Aktien handelten. Diese war angetreten mit dem Versprechen, jedem den Zugang zur Börse zu ermöglichen, und zwar völlig kostenlos. Tatsächlich bezahlten die Anleger mit ihren Daten: Robinhood gab deren Orders vor der Ausführung an zahlende Großkunden, zu denen auch Hedgefonds zählten, weiter. Und mitten im Gamestop-Hype setzte Robinhood plötzlich den Handel mit Gamestop-Aktien aus – um den Hedgefonds zu helfen, wie viele mutmaßten. Viele Anleger zogen sich enttäuscht zurück. Roaring Kitty verschwand von der Bildfläche. Vor kurzem kostete eine Gamestop-Aktie zeitweise weniger als zehn Dollar. In den vergangenen Wochen begann das Papier aber recht deutlich zu steigen. Viele setzen Hoffnung in den neuen Chef Ryan Cohen, der das Unternehmen unter anderem zu einer Art Beteiligungsgesellschaft ausbauen will, die andere Firmen erwirbt.

Euphorie ist wieder da

Und plötzlich gab Roaring Kitty ein Lebenszeichen von sich. Auf der Plattform X postete er am Sonntag eine Zeichnung von einem Mann, der auf einem Sessel sitzt und sich nach vorne beugt. Das bedeutet in der Welt der Gamer, dass etwas Wichtiges bevorsteht und dass eine Sache volle Aufmerksamkeit bedeutet. Der Beitrag wurde bis Dienstag 23 Millionen Mal aufgerufen. Gill postete darüber hinaus ein paar Videos mit ähnlich kryptischem Inhalt. Doch das reichte aus, um seine Follower in Ekstase zu versetzen. Die Gamestop-Aktie schoss am Montag um zeitweise 110 Prozent in die Höhe, bevor sie mit einem Plus von mehr als 70 Prozent aus dem Handel ging. Der Handel musste mehrmals wegen der extremen Schwankungen ausgesetzt werden. Ähnliche Kurssprünge vollzog das Papier von AMC.

Einige Analysten sehen darin ein Indiz, dass die Märkte derzeit wieder auf Euphorie zugehen. Bloomberg zitiert Peter Atwater, Präsident von Financial Insights: „Dass er (Roaring Kitty) in der Lage ist, eine solche Menschenmenge hinter sich zu versammeln, zeigt, dass die Menge wieder ein enormes FOMO- und YOLO-Gefühl hat.“ FOMO steht für „Fear of Missing Out“, die Angst, nicht dabei zu sein. YOLO steht für „You only live once“, man lebt nur einmal. „Wenn Menschen in Dinge eintauchen, die rein spekulativen Wert haben, ist ihr Selbstvertrauen extrem hoch, und das zeigt sich unter anderem darin.“

Dass die Neuauflage des Hypes die Hedgefonds wieder dermaßen in die Bredouille bringt wie 2021, ist indes wenig wahrscheinlich: Waren 2021 mehr als 100 Prozent der Aktien leerverkauft, so waren es zuletzt nur 24 Prozent, wie Bloomberg schreibt.

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