Nemo mit der „Nonbinary Pride“-Flagge: Der Schweizer Act (ha!) bevorzugt die Pronomen „they/them“ oder gar keine.
Genderneutrale Sprache

Keine Pronomen sind auch keine Lösung: Wie spricht man über nicht-binäre Menschen?

Mit Nemo aus der Schweiz hat eine nicht-binäre Person den Song Contest gewonnen – und die Zeitungen beißen sich die Zähne daran aus: Kann man Pronomen einfach aus der deutschen Sprache tilgen?

Der Eurovision-Star 2024 heißt Nemo. Das Schweizer Musiktalent ist auf dem besten Weg, eine queere Ikone zu werden. Haben Sie‘s gemerkt? Kein Wort, das auf Nemos Geschlecht schließen ließe! Das durchzuziehen, haben in den vergangenen Tagen viele Artikel, die im deutschsprachigen Raum über Nemo erschienen sind, versucht. Auch dieser will die Herausforderung annehmen. Ganz so einfach dürfte es nicht werden: Denn die Sprache, derer sich Medien wie die „Presse“ bedienen, und jene, die nicht-binäre Personen wie Nemo für sich beanspruchen, lassen sich nicht immer reibungsfrei vereinbaren. Nicht-binär oder nonbinär, so nennen sich Menschen, die sich als weder weiblich noch männlich betrachten, die also nicht wollen, dass die üblichen Pronomen er, sie, sein, ihr, etc. auf sie angewendet werden.  

Was also tun? Manche Medien pfeifen auf solche Wünsche – und behandeln Nemo grammatikalisch männlich, „seinem“ Geburtsgeschlecht entsprechend. Andere weisen auf die nicht-binäre Identität hin, erklären, dass dies bedeute, dass Nemo weder ein „Er“ noch eine „Sie“ sei – bis ihnen dann, ein paar Absätze später, doch Passagen über „den“ 24-Jährigen und „seinen Triumph“ rausrutschen. Es ist nicht leicht, eine pronomenlose Sprache durchzuhalten.

41 mal den Namen nennen

Die, die es schaffen, tun es oft in denkbar simplen Satzstrukturen. Nemo hat den Song Contest gewonnen. Nemo kommt aus der Schweiz. Nemo hat erklärt, dass Nemo sich jetzt für die Rechte von Nicht-Binären stark machen will. Die „FAZ“ nennt den Namen Nemo in einem Porträt, das keine 500 Wörter lang ist, 41 mal. Ein Satz lautet: „Im Herbst erschien Nemos Lied „The Body“, dazu schrieb Nemo, dass es in einer für Nemo herausfordernden Zeit entstanden sei.“ Klar gelingt es einigen Feuilletons, sich durch elegante bis spitzfindige Formulierungen durch die Einschränkungen, die ein nicht-binär-freundlicher Text mit sich bringt, hindurchzuwinden – bestenfalls ist ihnen der Kraftakt der Pronomen-Vermeidung kaum anzumerken. Doch der einfachste Weg scheint zu sein, über Nemo nur noch in Hauptsatzketten zu schreiben, die so klingen wie die ersten Phrasen, die man in einer neu gelernten Fremdsprache von sich gibt, bevor man deren grundlegende grammatikalische Regeln kennt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.