Sportgerät

Pulsmesser: Das Missing Link am Oberarm

Hier misst es sich besser als am Handgelenk, aber nicht ganz so gut wie an der Brust.
Hier misst es sich besser als am Handgelenk, aber nicht ganz so gut wie an der Brust.Tom Rottenberg
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Puls-Brustgurte sind unbequem, die Handgelenksmessung per Uhr aber ungenau: Optische Pulssensoren für Ober- oder Unterarm lösen das Problem - und könnten theoretisch sogar Laufuhren überflüssig machen.

In Wirklichkeit ist die Außenseite des Handgelenks die denkbar blödeste Stelle, um den Puls zu messen. Das wissen die Hersteller von Sportuhren (und natürlich auch von Smartwatches) sehr genau. Eine Uhr die dort – exponiert, an einer intensiv bewegten Körperstelle und meist komfortabel-lose umgeschnallt – mit optischen Sensoren minimale Volumensveränderungen der Haut messen und daraus auf den Puls schließen soll, hat es alles andere als leicht. Höflich gesagt. Erst recht, wenn Feuchtigkeit, Haare und – Gott bewahre – starke Pigmentierung oder gar Tattoos mit ins Spiel kommen: Da für alle User stets verlässliche und präzise und nicht nur In-etwa-Ergebnisse zu versprechen, ist mutig.

Dennoch suggerieren die Hersteller von Sportuhren genau das. Obwohl sie selbst am allerbesten wissen, wie voll sie den Mund da nehmen.

Brustgurt für viele zu beengend

Wieso sie das tun? Auch weil der Markt es verlangt: Obwohl der von Polar 1982 auf den Markt gebrachte „Sport Tester PE 2000“, der erste Pulsmesser per Brustgurt Raketentechnik und ein echter Gamechanger im Breitensport war, ist Dankbarkeit eben nicht nur keine politische, sondern auch keine sportliche Kategorie: Brustgurte werden von vielen – vor allem Frauen – als beengend oder auch wundscheuernd erlebt.

Als in den Nullerjahren die ersten in die Uhr implementierten Handgelenkssensoren aufkamen, war es daher vielen, sehr vielen, Kunden komplett egal, ob oder wie ungenau die Ergebnisse im Detail waren. Und nur ein Schelm würde an dieser Stelle anmerken, dass das vielleicht ja auch damit zusammenhängt, dass das Gros der Freizeitsportler bis heute – zurückhaltend formuliert – wenig darüber weiß, was der Körper in welchem Pulsbereich kann, braucht, tut oder will. Oder wohin die Reise geht, wenn man im falschen Bereich unterwegs ist. Vielleicht ja auch, weil kaum wer nur die geringste Ahnung davon hat, ob der eigene Körper tatsächlich nach den diversen Faustregeln zur Berechnung der individuellen Puls- und Leistungszonen funktioniert. (Offtopic: Die Wahrscheinlichkeit, dass dem nicht so ist, ist hoch – verlässliche Ergebnisse gibt es dafür nur über leistungsdiagnostische Tests.)

Auch Polar beugte sich dem Druck des Marktes

Der Run auf die Uhren-mit-Handgelenkssensoren war also enorm. So enorm, dass Polar massiv Marktanteile verlor – schlicht und einfach, weil das finnische Unternehmen da erst mitziehen wollte, wenn Hand-Sensoren zumindest ansatzweise (und abseits aller Laborbedingungen) mit Brustgurten mithalten könnten. Auch wenn das bis heute nicht der Fall ist: Auch Polar beugte sich nach einigen Jahren dem Druck des Marktes – holte das (auch aus anderen Gründen) verlorene Terrain aber nie wieder ganz auf.

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Doch hier und heute geht es um etwas anderes: um die Frage, ob es einen Kompromiss zwischen ungenauer Hand- und unbequemer Brustgurt-Messung gibt. Und auch wenn wir hier bereits vorgestellte Lösungen wie Garmins (sehr gut funktionierenden) an Sport-BHs klippbare Gurte beiseite lassen, gibt es eine klare Antwort: Ja.

Denn da das Problem nicht die in Uhren eingebauten optischen Sensoren sind, sondern die Messstelle, lag es im Grunde nahe, Sensoren auch „solo“ (mit Sende-Funktion und Batterie) auf den Markt zu bringen. Mit elastischen Bändern (oder Clips) lassen sie sich sicher, fest und doch komfortabel genau dort befestigen, wo nix rutscht und nix scheuert. An Körperstellen, die mehr durchblutetes „Volumen“ zu bieten haben als der Handrücken. Und wo Messergebnisse dann auch genau und aussagekräftig sind: An Ober- oder Unterarm etwa. Eventuell auch an Wade oder Schläfe. Idealerweise (aber bei festem Sitz nicht wirklich nötig) abgedeckt und vor Lichteinfall von außen durch Ärmel, Hosenbein, Badehaube oder Socke geschützt.

Außer Garmin alle relevanten Anbieter vertreten

Mittlerweile haben – mit Ausnahme von Garmin – alle relevanten Player am Sportuhrenmarkt derartige Geräte im Angebot: Wahoo ist mit seinem „Tickr fit“ um 70 Euro vertreten, Polar hat den knapp 100 Euro teuren „Verity Sense“ am Markt, und „Coros“, der derzeit enorm schnell Marktanteile und Sympathien sammelnde Newcomer am Sportcomputer-Markt, ist mit dem „Coros Heart Rate Monitor“ (89 Euro) mit im Spiel.

Alle drei Geräte messen gleich schnell und für den Sportgebrauch absolut genau genug. Sie alle kommunizieren problem- und fehlerfrei mit Uhren und Radcomputern sämtlicher Hersteller. Die Batterielaufzeiten reichen auch für wirklich lange, ganz- mitunter sogar mehrtägige Trainings- oder Wettkampfeinheiten. Und das Aufladen funktioniert über magnetische und/oder Induktionsladekabel. Die Teile sind alle wasser- und damit schweißfest.

Messen beim Schwimmen an der Schläfe

Polars „Verity Sense“ misst sogar beim Schwimmen superverlässlich: Er lässt sich an der Schwimmbrille (so man sie ohne oder unter der Badehaube trägt) anknipsen und misst an der Schläfe. Die Daten werden gespeichert und bei Kontakt mit der Uhr oder nach dem Set übertragen. Aber Obacht: In diesem Fall ist eine Polar-Uhr nötig.

Alle Geräte kommunizieren über das in der Sportwelt übliche „ANT+“-Protokoll mit Uhr oder Radcomputer, können aber auch Bluetooth. Das ist nicht zuletzt beim Indoor-Radfahren und der Verwendung von Online-Trainingsplattformen wie „Zwift“ oder „Rouvy“ wichtig – oder aber, wenn man auf mehreren Geräten Daten aufzeichnen will: Einmal ANT+, einmal Bluetooth etwa. Der Coros Heartratemonitor kann sich allerdings mit bis zu drei bluetoothfähigen Geräten gleichzeitig verbinden: Das ist unter anderem für Trainer, die ihre Schützlinge in Echtzeit beobachten wollen, relevant.

Der Nachteil der Teile? Erstens: Brustgurte – egal welcher Marke – messen immer noch ein Eck genauer. Aufgrund ihrer Positionierung können sie, wenn zusätzlich Trägheitssensoren verbaut sind, auch Schritt- oder Trittfrequenz aufzeichnen. Wobei für Lezteres zum Auslesen dann meist doch Uhren oder Computer des gleichen Herstellers (oder sehr gute Technikkenntnisse) benötigt werden.

Was die Hersteller von Sportuhren gerne verschweigen

Zweitens: Man muss ein weiteres Gerät kaufen. Wobei „zweitens“ nicht ganz zwingend ist: Da Pulsgurte – egal, ob für den Arm oder rund um den Brustkorb – heute fast ausnahmslos bluetoothfähig sind, lassen sie sich mit jedem gängigen Smartphone verbinden. Sport-Tracking-Apps, die auch Pulsdaten verarbeiten, gibt es wie Sand am Meer. Etliche sind sogar gratis. Auf deutsch – und von der Herstellern wohlweislich nie erwähnt: Man könnte Sportuhr und Radcomputer weglassen. 

Freilich: Ob man das Handy beim Laufen, Wandern oder Langlaufen dann ständig in der Hand halten will, ist eine andere Frage. 

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