Boom oder Wachstumsbremse

Post-Wachstum: Wie viel Umweltverbrauch ist möglich?

BYD-Elektroautos im Hafen von Yantei, China, harren des Exports.
BYD-Elektroautos im Hafen von Yantei, China, harren des Exports. Imago/CFoto
  • Drucken

Die dreitägige DeGrowth-Konferenz in Wien geht zu Ende – welche Thesen stehen im Mittelpunkt, wie sieht eine Bilanz aus? Und wie denkt der Volkswirt Christoph Badelt über „Post-Wachstum“? Ein Reality-Check.

Wenn ein Tankwagen in einen Unfall verwickelt wird, Treibstoff ausrinnt und das Grundwasser verseucht wird, dann kann das eine gute Sache sein – die Aufräum- und Dekontaminierungsmaßnahmen steigern die Wertschöpfung und das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ähnlich verhält es sich mit der Produktion von Waffen oder dem Wiederaufbau eines Hauses, das zerbombt worden ist.

Das ist einer der Hintergründe, weshalb die „Post-Wachstum“-Bewegung einen anderen Blickwinkel auf die Wirtschaftskennzahlen hat. Die anderen sind der Ressourcenverbrauch (und dessen Folgen für Umwelt und Klima) und die ungerechte Verteilung des Wohlstands.

Pro Kopf und Jahr: 19 Tonnen

Unstrittig unter Experten ist zunächst einmal, dass beim Ressourceneinsatz geschraubt werden muss. Im Durchschnitt werden hierzulande pro Person (und Jahr) 19 Tonnen an Ressourcen umgesetzt. Das Umwelt- und Klimaministerium möchte dies bis 2030 auf 14 Tonnen reduzieren und setzt damit auch diesbezügliche EU-Zielsetzungen um. Im Gegenzug soll die Kreislaufwirtschaft von zwölf auf 18 Prozent gesteigert werden. Insgesamt solle sich europaweit der materielle Konsum um ein Zehntel verringern.

Das kann weitgehend geschehen, indem die „low hanging fruits“ gepflückt werden – etwa, indem der Abbruch in der Baubranche in größerem Ausmaß recycelt wird. In Österreich fallen jährlich zwölf Millionen Tonnen Abbruchmaterial an und 40 Millionen Tonnen Bodenaushub.

„Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen“, sagt Anna Leitner, Mitarbeiterin von Global 2000, die die Degrowth-Konferenz in Wien organisiert haben. Es sei gelungen, meint sie, dass „der Elefant im Raum“ – die kritische Einstellung dem Wachstum gegenüber – zumindest benannt sei. Die Fragestellung liege auf dem Tisch, wie gewirtschaftet werden solle, „ohne dass die planetaren Grenzen überschritten werden“; insbesondere in Bezug auf Biodiversität und Klimakrise.

Wichtig sei auch der Zugang, meint Leitner. Der oft benannte Slogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ sei so nicht richtig – denn es gebe bereits innerhalb Österreichs große Unterschiede bei der Verteilung des Wohlstands. Leitner: „Deshalb sollte die Fragestellung lauten: Was ist notwendig, dass es jeder und jedem gut geht? Und das ist nicht eine Fragte des materiellen Besitzes; es geht um die Bedürfnisse und wie man sie nachhaltig befriedigen kann.“ Das könnte zum Beispiel bedeuten: mehr Reparaturen, mehr Dienstleistungen statt steigende Produktion von Konsumgütern. So das Credo.

Badelt: „Wachstum nicht um jeden Preis“

Der Wirtschaftswissenschaftler Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, sieht das Bruttoinlandsprodukt durchaus kritisch, insbesondere was dessen Aussagekraft über den Wohlstand betrifft. „Man muss vorsichtig sein mit diesem Glauben, dass die Wachstumsrate per se schon wirklich etwas über Wohlstand aussagt. Wir müssen beim Wachstum mehr auf die Inhalte und mehr auf den Ressourcenverbrauch schauen und nicht Wachstum um jeden Preis haben wollen.“

Mehr als skeptisch ist Badelt allerdings, wenn jemand sagt, wir sollten gar nicht mehr wachsen. „Diese Personen frage ich erstens nach den Verteilungsproblemen, die das mit sich bringt. Und zweitens frage ich, wie sie denn glauben, dass man das in einer Demokratie durchsetzen kann. Ich kann ja einer Wirtschaft nicht verbieten, dass sie wächst. Das würde ja auch bedeuten, dass man den Konsumenten verbieten müsste, mehr zu konsumieren. Das ist eine politische Ansage, die nicht bis zum Ende durchgedacht ist.“

Nachvollziehbar sei allerdings die Forderung nach Kostenwahrheit und Effizienz: „Wir brauchen deutlich mehr Effizienz, den Umstieg auf erneuerbare Energien. Und vor allem Kostenwahrheit: Arbeitsumstände, Ausgestaltung des Sozialsystems, Umweltstandards und -belastungen, Transport – das alles muss eingepreist sein.“ Die Endlichkeit des Planeten sei gegeben, „allerdings darf man den Erfindergeist der Menschheit nicht unterschätzen“.

Im Idealbild würde ein „fairer Gott verkünden, dass ab morgen alles fair ist, aber in der Praxis wird das wohl so nicht funktionieren“. Da sind internationale Vereinbarungen das Mittel der Wahl. Entsprechendes zeige sich – „ansatzweise“ – bei Klimakonferenzen. Aber: „Ehrlich gestanden, ich weiß auch nicht, wie die Welt zu retten ist.“

Für ein wichtiges Instrument hält er auch die Besteuerung von Rohstoffen, wenn sie den Standards nicht entsprechen. Aber: Partielle Verbote lehnt er ab. „Wie soll das funktionieren – ein SUV soll verboten werden, ein anderer nicht: Wer soll das entscheiden? Und wie kann dafür eine Mehrheit gefunden werden?“

Schwerpunkt Klimawandel

Die Erderhitzung und die grüne Wende verändern Natur, Gesellschaft und Märkte auf der Welt grundlegend. Das Klima-Team der „Presse“ liefert Hintergründe, jüngste Forschungsergebnisse und Debatten rund um eines der drängendsten Probleme unserer Zeit.

Alle Artikel finden Sie unter diepresse.com/klima. Sie wollen keinen wichtigen Beitrag verpassen? Abonnieren Sie Klimawandel als Push-Nachricht in den Einstellungen der „Presse“-App.

Und: Hören Sie doch einmal in den Klimapodcast „Der letzte Aufguss“ hinein!

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.