Wissenschaft

Spinnen: Furcht, Ekel - und erstaunliche Fähigkeiten

Was ist das für eine? Jetzt ist eine gute Zeit zum Beobachten: Es ist eine Gartenkreuzspinne.
Was ist das für eine? Jetzt ist eine gute Zeit zum Beobachten: Es ist eine Gartenkreuzspinne. Mary Evans/picturedesk.com
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Arachniden wecken Furcht und Ekel wie keine anderen Tiere. Dem könnte der Augenschein abhelfen, dem Datenmangel der Forschung auch.

Kein Tier weckt so unterschiedliche Reaktionen wie das mit den acht Beinen, die Spinne. Manche Menschen halten sich handtellergroße Taranteln als Spielgefährten, anderen gefriert beim Anblick eines Weberknechts das Blut in den Adern. Letztere sind in der Überzahl, und auch wenn es sich nicht immer zur Arachnophobie steigert, liegen doch die Spinnen in einer Studie, in der Daniel Frynta (Prag) unter Mitteleuropäern Furcht und Ekel vor Tieren abgefragt hat, weit an der Spitze: Furcht verbreiten andere auch (Schlangen, Wespen), Ekel lassen andere auch empfinden (Bandwürmer, Kakerlaken), aber beides zusammen bleibt in höchster Intensität den Spinnen vorbehalten (British Journal of Psychology 12409).

Dabei haben sie Fähigkeiten, die staunen machen – von der Schärfe der Augen über die Raffinessen der Jagd bis zu ihrer Seide – und die wir nur bestaunen können, weil sie dafür gesorgt haben, dass es uns noch gibt: Sie sind die größten Räuber im Tierreich, dezimieren Insekten, die Krankheiten übertragen oder Ernten wegfressen.

Ohne Spinnen gäbe es uns nicht, sie schützen uns und unsere Ernten vor Insekten

„Ohne sie wären wir wahrscheinlich tot“, hat Kefyn Catley vorgerechnet, Arachnologe am American Museum of Natural History: „In einem typischen Hektar Wald fressen sie 47,5 Tonnen Insekten im Jahr. Man hat kalkuliert, dass das Gewicht der Insekten, die jährlich auf der britischen Insel gefressen werden, das Gewicht der menschlichen Population übersteigt.“

Das war früher auch auf den Feldern so, inzwischen kommen von dort nur noch zwei Prozent der erdweit 400 bis 800 Millionen Tonnen im Jahr gefressenen Insekten, bilanziert Martin Nyfeller (Basel), die Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und Insektiziden hat dafür gesorgt (The Science of Nature 104: 30). Die Zahlen sind Schätzungen, genaue gibt es nicht, die Geringschätzung der Spinnen schlägt auf das Interesse an ihrer Erkundung durch – und das zur Verfügung gestellte Geld. Das fließt nur dort, wo es um Verwertbares geht, die Pharmazeutik ist interessiert an Giften und die Materialwissenschaft an dem Gespinst, aus dem manche Spinnen Kokons für die Brut oder Nester für sich selbst bauen, andere weben Fallen daraus. Diese Seide – fünfmal so stark wie Stahl, leicht wie Kevlar – wird schon lang geschätzt: Die Griechen nutzten sie als Wundverband, Polynesier zum Fischen, im 18. Jahrhundert wollte der Naturforscher de Réaumur Handschuhe daraus fertigen (und regte Jonathan Swift in Gullivers dritter Reise zum Spott über einen Gelehrten an, der Spinnen mit Fliegen verschiedener Farbe fütterte, „um jedermanns Geschmack zu treffen“).

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