Angekündigte Streiks, Gerüchte über Missbrauchsenthüllungen, Kontroversen um Filme im Wettbewerb: Das prominenteste Filmfest Europas beginnt mit Verstimmung.
Dunkle Wolken hängen über Cannes. Wäre das etwas Außergewöhnliches – die Côte d’Azur ist im Mai oft weit weniger sonnig, als Postkarten uns weismachen –, könnte man es als böses Omen deuten. Denn das prominenteste Filmfest Europas, das am Dienstag mit der Komödie „Le deuxième acte“ die 77. Ausgabe eingeläutet hat, startet heuer im Schatten prognostizierter Betriebsstörungen.
Gleich zwei Ruten wurden dem Festival kürzlich ins Fenster gestellt. Das freiberufliche Bodenpersonal der aufwendigen Großveranstaltung – Saalregisseurinnen, Projektionisten, Fahrerinnen, Ticketverkäufer – hat einen Streik angekündigt, um auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Filmbranche aufmerksam zu machen. Ob es davor noch zu einer Einigung mit dem französischen Kulturministerium kommt, hing zu Beginn des Events in der Schwebe. Bei der Eröffnungsgala ließen die Protestierenden am Dach des Palais des Festivals ein Banner mit ihrem Slogan über dem roten Teppich flattern: „Sous les écrans la dèche“ („Hinter der Leinwand die Geldnot“).
Für noch größeren Nervenkitzel bei Besuchern und Festivalmachern sorgte allerdings ein anderes Aviso. Kurz vor der Eröffnung keimten Gerüchte in sozialen Medien: Die Rechercheplattform Mediapart hätte vor, im Zuge des Festivals eine brisante Namensliste zu veröffentlichen, die ein „Erdbeben“ auslösen könnte. Renommierte Persönlichkeiten aus der französischen Filmbranche stünden darauf, sie würden sexueller Übergriffigkeit bezichtigt – angeblich seien sogar Teilnehmer des diesjährigen Wettbewerbs von Cannes darunter.