Wien

Ordinationen: Patienten müssen immer länger auf Termine warten

Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, in ihrer Ordination in Floridsdorf.
Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, in ihrer Ordination in Floridsdorf.Clemens Fabry
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Besonders lang warten Patienten in Wien auf Termine bei Kinder- und Jugendpsychiatern sowie bei Neurologen, wie aus einer aktuellen Erhebung hervorgeht. Relevante Unterschiede innerhalb der Bezirke gibt es nicht.

In fast allen Fächern sind bei niedergelassenen Kassenärzten in Wien die Wartezeiten auf Termine in den vergangenen zwölf Jahren deutlich länger geworden. Besonders dramatisch ist die Lage bei Kinder- und Jugendpsychiatern, hier warten Patienten derzeit (2024) im Schnitt (angegeben wird ein Mittelwert, der sogenannte Median) 90 Tage. Bei Neurologen sind es 45 Tage, 2012 waren es noch 33 Tage (bei Kinder- und Jugendpsychiatern wurden die Wartezeiten 2012 nicht erhoben, damals wurde dieses Fach und Kinderheilkunde gemeinsam abgefragt).

Auch der Mangel an Gynäkologen mit Kassenvertrag spiegelt sich in der Studie von Meinungsforscher Peter Hajek wider. Derzeit warten Patienten 32 Tage auf einen Termin, 2012 waren es acht Tage. Ebenfalls gestiegen sind die Wartezeiten in den Fächern Augenheilkunde (2012: neun, 2024: 44 Tage), Dermatologie (2012: sieben Tage, 2024: 28 Tage), Radiologie (2012: 32 Tage, 2024: 57 Tage), Lungenheilkunde (2012: fünf Tage, 2024: 36 Tage) und Innere Medizin (2012: zwölf Tage, 2024: 33 Tage).

Diese Ergebnisse, die am Donnerstag präsentiert wurden, gehen aus einer von der Wiener Ärztekammer beauftragten Erhebung unter 850 Wiener Kassenärzten unterschiedlicher Fachrichtungen her­vor. Dabei gaben sich – zwischen Anfang April und Anfang Mai – Anrufer als Patienten aus und baten um einen Termin. Das letzte derartige „Mystery Calling“ stammt von 2012. Relevante Unterschiede innerhalb der Bezirke wurden nicht festgestellt.

Viele Ärzte nehmen keine neuen Patienten

Fächer, in denen am wenigsten neue Patienten aufgenommen wer­den (die zweite Fragestellung der Studie), sind Gynäkologie, Kinder- und Jugendheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychiatrie. Konkret: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Kinderärzte kann aufgrund der Auslastung keine neuen Patienten mehr aufnehmen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind es 40 Prozent und in der Gynäkologie 30 Prozent. Auch rund jede dritte Hausarztordination kann keine neuen Patienten aufnehmen. „Die Umfrage zeigt jene Problemstellen auf, die bislang nur auf anekdotischer Evidenz basierten“, sagt Hajek. „Die Erhebung wurde im selben Studiendesign wie 2012 durchgeführt, um Vergleichbarkeit herzustellen. Die Ergebnisse sind valide.“

Die Bevölkerung Wiens ist seit 2012 um etwa 16 Prozent gewachsen, die Zahl der Kassenärzte ist der Ärztekammer zufolge im selben Zeitraum um zwölf Prozent gesunken. „Um die Wartezeiten für die Patienten zu verringern, braucht es eine Aufwertung unseres solidarischen Gesundheitssystems“, sagt Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte. „Mit einer Ausweitung der Kassenstellen stehen mehr Kapazitäten und damit rasche Facharzttermine zur Verfügung.“

Die konkreten Forderungen der Kammer: Der von der Regierung für Mangelfächer wie etwa Kinderärzte, Gynäkologen und Hausärzte in Aussicht gestellte Startbonus von 100.000 Euro müsse für alle offenen Kassenstellen gelten. Die Bedarfserhebung der Planstellen im Kassensystem gehöre laufend umgesetzt, derzeit werde noch immer mit Zahlen von 2016 geplant. Moderne Arbeitsmodelle sollten gefördert und der Praxisalltag an die Lebensrealitäten der Menschen angepasst werden: Dazu zählten die flexiblere Teilung von Kassenverträgen (gemeint sind Teilzeitkassenverträge) und flexiblere Öffnungszeiten – beispielsweise längere Öffnungszeiten während der Erkältungswelle im Winter, dafür kürzere im Sommer.

Bonus für Öffnungszeiten gefordert

Für längere Öffnungszeiten sollte zudem ein Bonus ausbezahlt werden. Jene Rahmenbedingungen, die für Primärversorgungseinheiten (PVE) gelten, müssten zudem auch für Einzelpraxen geschaffen werden. Nicht zuletzt sei es längst überfällig, die Telemedizin (Konsultationen etwa am Telefon oder per Video-Chats) weiter auszubauen, die tägliche Arbeit in Ordinationen zu entbürokratisieren und die Zuwendungsmedizin wie etwa die therapeutische Aussprache besser zu honorieren.

„Die Ergebnisse der Studie sind erschreckend. Leider sind die Probleme hausgemacht, weil das Kassensystem seit vielen Jahren kaputtgespart wird“, sagt Kammerpräsident Johannes Steinhart. „Nur mit einer Stärkung unseres solidarischen Gesundheitssystems werden wir gegensteuern können.“

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