Gerhard Rühm beweist wieder einmal seine Kombinationsfreude und Humorbereitschaft.
Gerhard Rühm, dessen künstlerisches Werk Musik, Dichtung und Bildnerisches umfasst, betrachtet die Zahl als „gemeinsamen nenner der verschiedenen kunstsparten“, da sich „alles sicht- und hörbare“ ohne bedeutungstragende Funktion auf ein Zahlenverhältnis zurückführen lasse. In diesem Sinne ist sein neuester Gedichtband, „die gefaltete uhr“, der Zahlendichtung gewidmet. Zahlen kommen darin in Form von Ziffern und Zahlwörtern zur Anwendung. Sie dienen der Aufzählung und Abmessung ebenso wie der außersprachlichen Bezugnahme oder sind allein auf die grafische und lautliche Beschaffenheit des Zahlenzeichens rückbezogen, sprich: konkrete Poesie.
Zahlen werden zu Collagen
Rühm findet in seiner formal-poetischen Auseinandersetzung mit Zahlen zu einer beeindruckenden Variationsbreite, die von der spielerischen Kombinationsfreude und Humorbereitschaft des 94-jährigen (Sprach-)Künstlers zeugt. Visuell werden hier Zahlen zu Collagen, Schreibmaschinenideogrammen und Konstellationen geformt. Als Größenangaben bilden sie Zahlenreihen und Rechnungen, die statt mathematischen mystischen oder geträumten Regeln folgen, sowie Listen und Messergebnisse, die durch pointierte Texttitel eine ironische inhaltliche Rahmung erfahren, wenn etwa der „lebenslauf“ in einer Auflistung der vor- und rückläufigen Körpergröße besteht.