Landwirtschaft

Lebensmittel: Warum Bio spürbar teurer ist

Wieviel Intensiv-Landwirtschaft tut den Bauern gut, ist verträglich für Tier und Umwelt?
Wieviel Intensiv-Landwirtschaft tut den Bauern gut, ist verträglich für Tier und Umwelt?APA / APA / Barbara Gindl
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„Die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Zwei Bio-Bauern sprechen für ihren Berufsstand und prangern die falsche Förderpolitik an. Gemeinsam mit Umweltorganisationen, AK und Gewerkschaft kämpfen sie dagegen.

„Dem Kahlschlag etwas dagegensetzen“ - so lautet das Motto, unter dem eine Pressekonferenz am Donnerstag in Wien steht. Es geht um die Landwirtschaft und darum, wie sie nachhaltiger aufgestellt werden kann. Eingeladen haben dazu die Umweltorganisationen „Global 2000“ und „BirdLife“, die landwirtschaftlichen NGO Via Campesina Austria sowie „Erde & Saat“, und schließlich die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft ProGe. Sie legen ein Zehn-Punkte-Programm vor, um eine Weichenstellung in die richtige Richtung einzuleiten.

„Die Vorschläge, die die EU mit green deal, farm to fork und den Biodiversitätszielen gemacht hat, gehen in die richtige Richtung, waren in der angedachten Umsetzung allerdings nicht optimal. Und sie ausgerechnet jetzt auszusetzen, ist ein völlig falsches Signal,“ sagt Matthias Böhm, (Rinder-)Biobauer in Oberösterreich und Obmann von „Erde & Saat“. Er fordert eine komplette Neu-Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): „Basis von Förderungen darf nicht die Fläche sein, sondern es müssen konkrete Leistungen der Bauern sein.“

„Systematische Benachteiligung“

Die Verwässerung der Pläne durch die EU in den vergangenen Monaten sei „für jene Bäuerinnen und Bauern, die sich bereits jetzt um Umweltbelange kümmern und diese umsetzen eine systematische Benachteiligung“, meint die Global 2000-Sprecherin Selina Englmayer.

„Wir brauchen einen neuen Zugang“, fordert auch Ludwig Rumetshofer, (Gemüse-)Biobauer und Vorstandsmitglied von ÖBV-Via Campesina Austria. „Es muss evaluiert werden: Was ist sinnvoll, was nicht?“

Bis zu einem gewissen Grad sind für die beiden Biobauern die Proteste der Landwirte in den vergangenen Monaten nachvollziehbar: „Die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie haben Existenzängste.“ Es werde auf Masse gesetzt, nicht auf Qualität.“ Vier Fünftel der Fördergelder gingen an das eine Fünftel, weil die die größten Agrarflächen hätten. „Das ist das Ergebnis einer verfehlten Agrar- und Handelspolitik. Die Großen werden bevorzugt.“

930 Bio-Bauern gaben auf

Darin finde sich auch die Ursache, dass bio deutlich teurer sei. Rumetshofer, dessen Landwirtschaft ebenfalls in Oberösterreich liegt: „Ich baue acht unterschiedliche Kulturen an.“ Es gebe verschiedene Fruchtfolgen; allesamt arbeitsintensiver. Ein industriell geführter Betrieb baue drei oder gar nur zwei verschiedene Kulturen an, etwa Mais, Raps oder Weizen. „Kleinteiligerer, arbeitsintensiverer ist ökologisch verträglicher. Wenn wir das wollen, dann müssen wir das auch bezahlen.“

Was also tun? Die Organisationen treten für ein Zehn-Punkte-Programm ein, an dessen erster Stelle Klima und Umwelt stehen. Die Förderlandschaft sei auf Qualität und erfolgte bäuerliche Dienstleistung auszurichten, nicht auf die Fläche. Begleitende Kontrollen seien auf deren Praktikabilität auszurichten und sollten mit den Betroffenen zu entwickeln. Tierhaltung sei zu extensivieren und habe sich an der artgerechten Fütterung zu orientieren - eine Kampfansage also an Kraftfutter. Christof Kuhn, Leiter der Naturschutzpolitik von BirdLife, plädiert für Biodiversitäts-Maßnahmen und eine deutliche Pestizid-Reduktion. Solche Biodiversitätsleistungen sollten ungefähr ein Zehntel der Fläche ausmachen und sollen jedenfalls kostendeckend abgegolten werden.

Global 2000-Landwirtschaftssprecherin Brigitte Reisenberger will klare Beschränkungen und wie bisher Kennzeichnungspflicht für Gentechnik-Saatgut und verlangt eine verantwortungsvolle Reform des EU-Saatgutrechts sowie klare Beschränkungen im EU-Patentrecht.

Zudem plädiert der Plan für ökonomische Steuerungsinstrumente, insbesondere bei Pestiziden. Außerdem führe „kein Weg vorbei an einer flächendeckenden Ökologisierung“ der Landwirtschaft. In Österreich, das mit 25% einen sehr hohen Anteil an Bio-Betrieben hat, sind im vorigen Jahr 930 Bio-Landwirtschaften aufgegeben worden - überwiegend in der Steiermark, in Salzburg und Kärnten. Es waren Tierhalte-Betriebe, oft auch deshalb, weil sich keine Nachfolgerinnen gefunden haben. Jedenfalls seien biologische Landwirtschaftsmodelle konsequent zu unterstützen.

Digitalisierung wird nicht abgelehnt, dürfe aber nicht die Diskussion ersetzen, welche Fehlentwicklungen die Landwirtschaftspolitik verursacht habe, und wie sie zu korrigieren sind. Wichtig sei, dass die Datenhoheit bei den Bauern bleibe. Vor dem verstärkten Einsatz digitaler Methoden müsse eine Abschätzung der Folgen stehe, die Digitalisierung habe.

Schutz für Mensch und Tier

Eine der zentralen Forderungen im bäuerlichen Positionspapier: gerechte Verteilung der Fördermittel und eine Absicherung der Einkommen. Konkret wird auch gefordert, dass die Existenzgründung und der Zugang zu Land für Jungbäuerinnen und -bauern und Neueinsteigerinnen finanziell unterstützt werde. Insgesamt sei die Investitionsförderung gerechter auszurichten, eine europäische Landrichtlinie gehöre umgesetzt, um der Landkonzentration entgegenzuwirken. Die bäuerliche Position in den Wertschöpfungsketten müsse gestärkt werden.

Tierhaltung und Tierschutz müssen ein deutlich höheres Gewicht haben als heute, Handel und Agrarmärkte seien konsequent auf Nachhaltigkeit auszurichten. Statt Massentierhaltung soll bedarfsgerechte und ökologische Tierhaltung unterstützt werden. Last but not least geht es auch um Menschen - indem die Rechte von Arbeitnehmerinnen erweitert und konsequenter geschützt. Das gilt für die Verbesserung der Arbeitssituation für Landarbeiter und Erntehelfer. Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben müssen Bedingung dafür sein, dass ein Landwirtschaftsbetrieb Förderungen ausbezahlt bekommt. Das Schlagwort: „Gerechtigkeit auf dem Gemüseteller.“

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