Fleur Jaeggys kühler, fast sezierender Tonfall in ihren Erzählungen steht in extremem Kontrast zum Inhalt.
Der Suhrkamp Verlag legt das Werk der Schweizer Autorin Fleur Jaeggy, die diese Woche den Gottfried-Keller-Preis zugesprochen bekam, neu auf. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Jaeggy wohl mit ihrer Internatsnovelle „Die seligen Jahre der Züchtigung“ bekannt, die sie 1989 in Mailand veröffentlichte, wo sie seit 1968 lebt. Die beklemmende Erzählung handelt von der fiebrigen Leidenschaft, die die Erzählerin für eine Schulkollegin entwickelt. Die Beziehungen der Zöglinge untereinander im abgelegenen Institut, das eines für (sehr) höhere Töchter ist, sind durch subtile Machtstrukturen gekennzeichnet. An männlichem Personal gibt es nur den Geografielehrer und den Mann der Direktorin, zwei absolut farblose Gestalten. Man sucht sich Freundinnen und Beschützerinnen, und in „stummem Einverständnis wird zwischen den Schülerinnen eines Internats von Anfang an und mit zerstreuter Herzlichkeit diejenige bestimmt, die ausgestoßen wird“.
Die besten Jahre im Internat verbracht
Der kühle, fast sezierende Tonfall Jaeggys steht in extremem Kontrast zum beschriebenen Inhalt, dem Innenleben der Erzählerin, die (und nicht nur sie), wie öfter gesagt wird, „ihre besten Jahre in Internaten“ verbringt. Die Mutter schickt aus Brasilien Anweisungen und Befehle, die ihr über die Direktorin ausgerichtet werden.