Gastkommentar

Ein föderales Stadion für Graz    

Graz hat zwei Spitzenklubs, die angemessen untergebracht sein wollen. Eine Stadiondebatte ist mehr als berechtigt.

Die Österreichische Bundesverfassung, Kelsens Meisterwerk, ist eindeutig. Der erste Absatz des Artikels 2 sagt, „Österreich ist ein Bundesstaat“. Der zweite Absatz definiert, dass der Bundesstaat von „selbstständigen Ländern“ gebildet wird. Es werden vom Burgenland über die Steiermark bis Wien alle in alphabetischer Genauigkeit aufgezählt.

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Heinz Mayer, Österreichs erster Verfassungsjurist, versteht in seinem Kommentar zum Verfassungsrecht einen Bundesstaat als einen dezentralisierten (!) Staat.  

Aber Artikel 5 bestimmt klipp und klar: „Bundeshauptstadt und Sitz der obersten Organe des Bundes ist Wien.“

Das Gute ist, dass ein Fußballstadion kein oberstes Organ ist, wenngleich es zu einem sehr wichtigen werden kann.

Stadiondebatte eröffnet

In der Steiermark wurde in den vergangenen Tagen eine – über zwanzig Jahre – alte Idee wiederbelebt. In Graz soll ein Nationalstadion errichtet werden, das einerseits die Heimstätte des ÖFB-Nationalteams und andererseits das Obdach für Großevents werden soll. Naturgemäß sollten dort auch die großen steirischen Klubs ihre internationalen Spiele durchführen.

Die Stadiondebatte ist mehr als berechtigt. Das Ernst-Happel-Stadion ist zwar denkmalgeschützt, aber vom Zahn der Zeit angenagt. Die Steiermark – beziehungsweise genauer, Graz – hat seit Neuestem gleich zwei Spitzenklubs, die angemessen untergebracht sein wollen. Und die für ihre Anhänger ein bisschen mehr Platz brauchen als bisher.

Wien ist zwar die Bundeshauptstadt, aber Graz mit dem GAK und Sturm – zumindest auf absehbare Zeit – die alleingültige Fußballhauptstadt. Derzeit, Metropole hin oder her, könnte sie nicht einmal Champions-League-Spiele ausrichten. Über Fußballländerspiele sei an dieser Stelle kein Wort verloren.

Die Idee des Nationalstadions Steiermark ist eine gute. Nicht verhehlen möchte ich, dass ich seinerzeit gegen die Errichtung des Klagenfurter Hyperstadions war, weil ich es für die megalomanische Idee eines Provinzpolitikers gehalten habe. Erst Thomas Partl, der Vorsitzende der UEFA-Disziplinarkommission und eingefleischte Fußballfreund aus Kärnten, hat mich in einem Gespräch überzeugt, dass es für die Region ein Segen sein werde, wenn das Wörthersee-Stadion realisiert wird. Heute steht es – und nicht nur für den Fußball. Es treten weltberühmte Sänger auf, und es werden auf dem Spielfeld von Zeit zu Zeit mit Kunstinterventionen namens „For Forest“ 299 vierzehn Meter hohe Bäume gepflanzt …

Nicht nur Wien

Thomas Partl hat mehrere Argumente aufgezählt – das mich überzeugende möchte ich wiedergeben. Er hat nicht nur rhetorisch, aber doch irgendwie apodiktisch ausgeführt, als ich gemeint habe, drei Spiele bei einer Europameisterschaft können nicht ein Riesenstadion bewirken, dass auch im Wiener Stephansdom nicht täglich vierundzwanzig Stunden lang heilige Messen gelesen werden.

Wegen des föderalen Charakters unserer Republik und der ausgleichenden Gerechtigkeit bin ich ein überzeugter Befürworter eines Nationalstadions außerhalb der Bundeshauptstadt. Es muss nicht jede Institution in Wien situiert sein, zumal jedem Bundesland, das den Bundesstaat (mit-)bildet, das Recht auf eigene Einrichtungen zukommt. Die alte Idee ist wiederbelebt – und keine Sorge, die Kosten werden sich jedenfalls amortisieren, zumal Österreich eine glühende Fußballnation ist.       

Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller, lehrt an der Uni Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Zuletzt erschien „Die Istrische Riviera“.

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