Europawahl

Le Pen liebäugelt mit Meloni und Orbán

Marine Le Pen bei Vox-Veranstaltung „Europa Viva 24“ in Madrid.
Marine Le Pen bei Vox-Veranstaltung „Europa Viva 24“ in Madrid. Imago / Alberto Gardin
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Die Chefin des Rassemblement National sagt sich von der AfD los und schmiedet Allianzen, die zur Gründung einer neuen Fraktion führen könnten.

Am Mittwochvormittag versuchte die AfD-Spitze zu retten, was zu retten ist. Nach einer eilig einberufenen Telefonkonferenz gab die deutsche Rechtspartei bekannt: Maximilian Krah zieht sich aus dem Bundesvorstand zurück. Und er bekommt ein Auftrittsverbot im EU-Wahlkampf. Es ist das Eingeständnis eines politischen Debakels: Der 47-Jährige ist Spitzenkandidat der AfD, die laut Umfragen um den zweiten Platz kämpft. Nun muss er versteckt werden.

Die jüngste Episode im chaotischen EU-Wahlkampf der deutschen Rechten begann am Wochenende. In der italienischen Zeitung „La Repubblica“ wurde der Sachse gefragt, ob seine Aussage, die Deutschen sollten stolz auf ihre Vorfahren sein, auch für SS-Offiziere gelte. „Es hängt davon ab, was sie getan haben“, so der AfD-Mann. Die Journalistin antwortete, die SS seien Kriegsverbrecher gewesen. Krah konterte, auch der deutsche Literaturnobelpreisträger Günter Grass sei bei der Waffen-SS gewesen. Am Ende stand Krahs Satz: „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“.

Auf diese Worte folgten in der europäischen Rechten schwere Erschütterungen. Der französische Rassemblement National (RN) will nicht mehr gemeinsam mit der AfD in der Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament sitzen. Die Entfremdung hatte sich abgezeichnet, nun zieht die RN-Chefin die Reißleine. Denn das große Ziel, dem Le Pen alles andere unterordnet, ist die Präsidentschaftskandidatur 2027 in Frankreich. Sie bemüht sich um ein gemäßigteres Image und tritt vehement gegen typische rechtsextreme Begriffe wie die „Remigration“ auf, die auch zum üblichen Repertoire der FPÖ zählen. Die Mitgliedschaft in der ID, der neben AfD und FPÖ die italienische Lega, der belgische Vlaams Belang oder die niederländische Partei für die Freiheit von Geert Wilders angehören, könnte den Wunsch Le Pens, Frankreichs erste Präsidentin zu werden, empfindlich konterkarieren: Wegen ihrer Extrempositionen ist die ID auf der europäischen Bühne größtenteils isoliert.

Grund genug für die 55-jährige, sich um eine Annäherung an die etwas gemäßigter rechtspopulistische Fraktion Europa der Konservativen und Reformer (EKR) zu bemühen, deren Vorsitzende Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist. Am letzten Wochenende heizten die beiden Frauen die Stimmung bei der von der spanischen „Vox“-Partei – auch sie EKR-Mitglied – organisierten Veranstaltung „Europa Viva 24“ in Madrid an. Auch Ungarns Viktor Orbán – seine Fidesz-Partei ist im Europaparlament derzeit fraktionslos –war per Videokonferenz zugeschaltet: „Liebe spanische Freunde, wir Patrioten müssen Brüssel okkupieren“, ließ er seine Zuhörer wissen.

Grenzen zum und Ende des Green Deal

Oberste Priorität im inoffiziellen Wahlmanifest der versammelten Rechten in Madrid gilt einer rigorosen Migrationspolitik und der Forderung nach einem Ende des Green Deal, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens einstigem Prestigeprojekt. Die Souveränität der Nationalstaaten im Gegensatz zur Mär des „allmächtigen Brüssel“, das über die Köpfe der Menschen hinweg unliebsame Entscheidungen trifft, ist ebenfalls ein zentrales Ansinnen.

Vielen der genannten Parteien wird bei der Europawahl ein satter Stimmenzuwachs vorausgesagt: Le Pens Rassemblement National wird laut Umfragen rund 32 Prozent der französischen Stimmen erhalten, Melonis Fratelli d´Italia liegen mit 27 Prozent in Italien ebenfalls klar an erster Stelle.

Ein Zusammenschluss beider Parteien im Europaparlament scheint vor diesem Hintergrund wahrscheinlich – sei es in der bereits bestehenden EKR oder einer von Le Pen und Meloni neu gegründeten Fraktion. Logische Partner – zur Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens sieben Parteien vonnöten – sind neben Vox und Fidesz die Schwedendemokraten, die dänische Volkspartei, die Finnen und die vormalige polnische Regierungspartei PiS.

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