Juraj Cintula arbeitete acht Jahre lang im Kohlebergwerk von Handlová.
Expedition Europa

Robert Ficos Attentäter ist Dichter – aber was hat er geschrieben?

24 Stunden, nachdem ein Dichter den slowakischen Premier Robert Fico angeschossen hat, besuche ich die Bibliothek in dessen Geburtsort, der Bergbaustadt Handlová. Was verraten Juraj Cintulas Bücher über seine Radikalisierung?

Das Attentat vom 15. Mai war der bisherige Höhepunkt einer irren Polarisierung. Das von Fico angeführte Lager, das als links-nationalistisch-postkommunistisch und neutral bis prorussisch zu definieren ist, und das Oppositionslager, das sich mehrheitlich bürgerlich-liberal und entschieden proukrainisch-prowestlich präsentiert, schreckten zuletzt auch nicht mehr vor Dehumanisierung des politischen Gegners zurück. Fico persönlich nannte Politiker und Journalisten der heutigen Opposition „Vaterlandsverräter“, „Prostituierte“ und „Ratten“ und stand lachend einer Straßenszene vor, in der seine Anhänger skandierten, Präsidentin Zuzana Čaputová sei eine „amerikanische Hure“. Auch wegen gehäufter Morddrohungen entschloss sich die empathische Liberale Čaputová, zur Präsidentschaftswahl im April nicht mehr anzutreten.

Prowestliche Politiker wiederum beschimpften von Fico unterstützte Lockdown- und Impfgegner als „desolate Affen“, auf den Massendemos in diesem Winter wurde skandiert „Fico ist ein Verbrecher“ und „Fico ist das Böse“, und für besonders verhängnisvoll hielt ich die Unart slowakischer Prowestler, sich den Lorbeerkranz des einzigen „demokratischen Lagers“ aufzusetzen. Als wären alle Andersdenkenden Feinde der Demokratie. Politische Gewalt lag in der Luft.

„Der erfolgreichste slowakische Politiker aller Zeiten“

Robert Fico, 59, ist der erfolgreichste slowakische Politiker aller Zeiten. Mit seiner 1999 gegründeten Smer-SSD („Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“) hat er der slowakischen Mehrheit ein maßgeschneidertes Angebot gelegt: eine sozialstaatlich orientierte Provinzlinke, die allergisch auf urbane Moden wie Gendern reagierte, den katholischen Bischöfen stets Ehrerbietung entgegenbrachte und vor zehn Jahren gar die Ehe von Mann und Frau in der Verfassung verankerte.

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