Medizin

Das warme Klima bringt auch neue Pilze

Aufgrund der Dringlichkeit dieses gefährlichen Pilzes gibt es schon erste PCR-Schnelltests, um Candida auris zu bestimmen.
Aufgrund der Dringlichkeit dieses gefährlichen Pilzes gibt es schon erste PCR-Schnelltests, um Candida auris zu bestimmen.APA/Bosch Healthcare Solutions Gmbh
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Der Klimawandel betrifft nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt, sondern beeinflusst auch das Wachstum potenzieller Krankheitserreger. Jüngste Forschungsarbeiten zeigen, dass steigende Temperaturen neuartige Pilzinfektionen bei Menschen begünstigen.

Fußpilz? Lästig! Fast jeder kennt das Problem, das man sich aus den feuchten Räumen des Fitnessstudios oder Hotels einschleppen kann. Pilzerkrankungen können jedoch weit mehr als lästig sein. Tatsächlich stellen sie ein signifikantes Gesundheitsrisiko dar, besonders bei gesundheitlich schon kompromittierten Menschen.

So kann eine Pilzinfektion bei Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation lebensbedrohliche Komplikationen auslösen. Aber auch für Menschen mit nur leichter Immunsuppression – zum Beispiel durch die Einnahme von Kortison oder aufgrund einer nicht optimal behandelten Diabetes-Erkrankung – kann eine Ansteckung mit Pilzen gefährlich werden.

Risikopatienten erhalten Gegenmittel

Im schlimmsten Fall kommt es durch eingeatmete Pilzsporen zu schweren Lungenentzündungen oder bei einer Übertragung in Wunden zur Blutvergiftung. Risikopatienten im Krankenhaus erhalten daher standardmäßig sogenannten Antimykotika, Medikamente, die das Pilzwachstum hemmen.

Seit Kurzem haben Ärztinnen und Ärzte weltweit allerdings mit neuen, besonders problematischen Pilzen zu kämpfen. In nur wenigen Jahren hat sich Candida auris von Japan aus über die ganze Welt verbreitet. Dem Pilz ist es gelungen, von Pflanzen auf den Menschen als Wirt zu wechseln, und Forschende nehmen an, dass die Klimaerwärmung dabei eine entscheidende Rolle gespielt hat.

An höhere Temperatur angepasst

„Es scheint, dass sich der Pilz an höhere Temperaturen, die auf oder im Menschen vorkommen, angepasst hat. Und auch an eine trockenere und salzigere Umgebung. Erst dadurch konnte er auf die menschliche Spezies überspringen“, erklärt Martin Hönigl von der Abteilung für Infektiologie der Medizinischen Universität Graz. Der Infektiologe war federführend an einer kürzlich erschienenen Zusammenfassung des aktuellen Wissenstandes zum Thema Pilzerkrankungen und Klimawandel im renommierten Wissenschaftsjournal „The Lancet“ beteiligt.

„Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass der Klimawandel hier in Zukunft noch mehr Probleme schaffen wird“, warnt Hönigl. Und tatsächlich ist Candida auris kein Einzelfall. In den USA beobachtet man das vermehrte Auftreten von Histoplasmose, einer Infektion mit dem Pilz Histoplasma capsulatum, die ebenso potenziell tödliche Lungenentzündungen auslösen kann. Der Pilz, der trockenes und heißes Klima bevorzugt, konnte sich im Laufe der vergangene zwei Jahrzehnte durch den Klimawandel und immer häufiger auftretende Dürren geografisch ausbreiten und ist vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine Bedrohung.

Gefährliche Resistenzen

Candida auris stellt mittlerweile Spitäler weltweit vor Herausforderungen, denn der Pilz ist nicht nur neu, sondern auch besonders widerstandsfähig. Er zeigt eine Resistenz gegen fast alle bekannten Antimykotika, die er möglicherweise durch die großflächige Anwendung von pilzhemmenden Substanzen in der Landwirtschaft noch vor der Übertragung auf den Menschen entwickelt hat. Verfehlen die Medikamente ihre Wirkung und kann die Infektion in schon stark geschwächten Menschen nicht unter Kontrolle gebracht werden, ist sie in 30 bis 40 Prozent der Fälle tödlich.

Die vermehrt auftretenden Resistenzen in Candida auris, aber auch in altbekannten heimischen Pilzarten wie Candida albicans und Aspergillus zeigen, dass dringend neue Medikamente gegen Pilzerkrankungen benötigt werden.

Neue Medikamentenklassen zulassen

„Glücklicherweise hat die pharmazeutische Forschung dies schon vor 20 Jahren erkannt. Wir hoffen, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren mehrere neue Medikamentenklassen zugelassen werden“, sagt Infektiologe Martin Hönigl. Er weist aber auch auf ein bestehendes Problem hin: „Manche dieser Medikamente sind schon jetzt für die Landwirtschaft zugelassen und werden dort tonnenweise in die Natur ausgebracht. Deswegen müssen wir wahrscheinlich auch in Zukunft mit Resistenzen rechnen.“ Es liegt nun in den Händen der Politik, sowohl Ernährungssicherheit als auch das Gesundheitsrisiko bei der Anwendung von pilzhemmenden Substanzen abzuwägen – auch und vor allem in einem veränderten Klima.

In Zahlen

7 Jahre hat es gedauert, bis sich Candida auris auf allen Kontinenten verbreitet hat.

6-fach gestiegen sind die Fallzahlen in Deutschland im Jahr 2023.

6 Fälle von Candida auris gab es bisher in Österreich. Die Bezeichnung „auris“ kommt daher, dass der Hefepilz 2009 erstmals im Ohr einer japanischen Patientin gefunden wurde.

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