Anstieg an Gewalt

Wenn Kinder zu Tätern werden

Ingrid Pöschmann ist Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist seit den 1990er-Jahren in der Sozialarbeit tätig.
Ingrid Pöschmann ist Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist seit den 1990er-Jahren in der Sozialarbeit tätig.Clemens Fabry
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Die Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Ingrid Pöschmann, sieht den Anstieg von Gewalt unter Kindern differenziert. Sie fiele heute schneller auf – und würde ernster genommen.

Die Zahl von Delikten im schulischen Bereich nahm laut Anzeigenstatistik seit 2021 enorm zu, vor allem Körperverletzung. Merken Sie das?

Ingrid Pöschmann: Seit Corona hat sich die Zahl an Familien, die Unterstützung benötigen, verdichtet. Das nehmen wir wahr. Aber das sehen wir schon seit Jahren. Ich bin jetzt 25 Jahren im Geschäft. Wir hatten diese Themen auch schon in den 1990er-Jahren.

Was meinen Sie mit „verdichtet“?

Die Social-Media-Welt ist überfallsmäßig über uns hereingebrochen. Durch sie werden Delikte viel schneller angezeigt, weil sie festgehalten, dokumentiert sind. Eine WhatsApp-Nachricht pickt, ein Eintrag auf TikTok oder Instagram oder Facebook klebt. Eltern sind viel hellhöriger, weil sie plötzlich am Handy sehen, was dem Kind zugespielt wurde.

Haben wir eine verzerrte Wahrnehmung, was Gewalt unter Kindern betrifft?

Na ja, die Sensibilität ist ja gut. Wir haben den Auftrag, den Kinderschutz sicherzustellen. Wir hatten Anfang der 1990er oft noch gar nicht die Begriffe für gewisse Dinge. Heute ist das in Form von Gewaltpräventionskonzepten und sexualpädagogischen Konzepten State of the Art.

Wie laufen die ab?

Wir wollen den Kindern präventiv vermitteln: Deine Grenzen sind etwas wert, aber du hast auch die Grenzen anderer zu wahren. Dann sagen wir, wir lehnen dein Verhalten ab, aber nicht deine Person. Ein offenes Gesprächsklima fängt natürlich schon zu Hause bei den Eltern an. Je schwieriger die Themen werden und je schwieriger und auffälliger die Kinder, desto mehr brauchen wir die Eltern. Auch wenn die Kinder die Eltern zurückweisen, gilt es: dranbleiben, nachfragen, Interesse zeigen.

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