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Chatbots im Kundenservice: Mehr als nur plaudern

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Conversational AI, Chatbots und Sprachassistenten stehen für einen Transformationsprozess, der die Art und Weise, wie wir Informationen einholen und Wissen verwalten, nachhaltig verändert.

Wenn der Benutzer sagt: „Krieg ist der Vater aller Dinge“, und der Computer antwortet: „Erzählen Sie mir mehr über Ihre Familie!“, dann führt das Gespräch wohl nicht allzu weit. Auf kommunikative Probleme dieser Art musste man anno 1966 gefasst sein. Es war das Jahr von „Eliza“, ein vom deutsch-US-amerikanischen Informatiker und MIT-Professor Joseph Weizenbaum entwickeltes Computerprogramm, das die Möglichkeiten der Kommunikation zwischen einem Menschen und einem Computer über natürliche Sprache aufzeigen sollte.

Dass Missverständnisse in der Gesprächsführung zwischen Mensch und Maschine dazumal quasi vorprogrammiert waren, lag an der simplen Funktionsweise von Eliza. Begriffe wurden nach dem Schlüsselwortprinzip mit im Thesaurus festgelegten Zuordnungen verknüpft. Auf „Vater“ folgte seitens des Programms „Familie“, relativ unabhängig von der Bedeutung des Satzes, in dem „Vater“ ein Schlüsselwort bildete. Der menschliche Benutzer wurde vom Programm keineswegs verstanden.

Intelligente Konversation Knapp 60 Jahre sind seit der Entwicklung des ersten Chatbots der Geschichte vergangen. Über Wechat, Siri, Cortana oder Alexa ist man mittlerweile bei Chat GPT gelandet, ein großes Sprachmodell, das vom Open-AI-Team im Jahr 2021 gegründet wurde, um Benutzer bei der Generierung von menschenähnlichem Text auf der Grundlage von Eingaben zu unterstützen. Chat GPT kann für eine Vielzahl von Aufgaben verwendet werden, darunter die Generierung von Gesprächen und die Übersetzung von Sprachen. Das Modell wurde anhand einer riesigen Datenmenge trainiert und kann so Texte erzeugen, die oft nur schwer von menschlich geschriebenen Texten zu unterscheiden sind. Chat GPT wird für seine Fähigkeit gelobt, natürlich klingenden Text zu erzeugen und für seine möglichen Anwendungen in einer Vielzahl von Bereichen. Beweis gefällig? Dieser Absatz wurde von Chat GPT selbst geschrieben und von einem anderem KI-basierten Programm, DeepL, übersetzt.

Die neuen Möglichkeiten von Chatbots sind Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz und insbesondere im Bereich des maschinellen Lernens zu verdanken. Im Laufe der Zeit fand der Übergang von einer reinen Kommunikationsschnittstelle zu einer kompletten konversationellen Oberfläche statt. Conversational User Interface (CUI) verlangt keinen Bildschirm und keine Maus mehr. Alles wird durch Dialog gesteuert. Menschliche Sprache wird in etwas umgewandelt, das von Software verstanden werden kann. Dies kann mithilfe von Natural Language Processing (NLP) und durch das Trainieren des Programms auf Sprachmodellen erreicht werden. Wenn ein Benutzer eine Anfrage spricht oder eintippt, verwendet das System Algorithmen und Sprachmodelle, um die Eingabe zu analysieren und die beabsichtigte Bedeutung zu bestimmen. Anschließend generiert das System eine Antwort, anhand vordefinierter Regeln sowie von Informationen über den Benutzer und den Gesprächskontext. Ziel der intelligenten Konversationsschnittstelle ist es, dem Nutzer ein reibungsloses Erlebnis zu bieten. Die bekanntesten Beispiele für CUIs in der Geschäftswelt sind Chatbots im Kundenservice.

Grenzen von Chat GPT

„Online-Service wird von Kunden immer mehr als unveräußerliches Recht angesehen. Die Erwartungshaltung: sofortige Problemlösung, 24/7. Chatbots versprechen dieses geforderte Online-Erlebnis“, sagt Patrick Zimmermann, Geschäftsführer des Hamburger KI-Unternehmens knowhere, das sich auf intelligente Chatbots spezialisiert hat. Die digitalen Assistenten von heute seien rund um die Uhr einsatzbereit und können repetitive Fragen geschickt beantworten. „Sie lernen mit jedem Kundendialog dazu und versetzen sich somit in die Lage, immer mehr Fragen verstehen, vorqualifizieren und automatisieren zu können. Das technologische Versprechen ist, dass Chatbots die digitale Kommunikation revolutionieren“, so Zimmermann, der auch gleich mit einem „Missverständnis“ rund um Chat GPT aufräumt. „Chat GPT ist beeindruckend – keine Frage. Auch wir setzen es selbst für interne Arbeitsprozesse ein. Trotzdem möchten wir mit einigen Vorurteilen aufräumen und widersprechen, wenn es heißt, dass Chat GPT künftige alle anderen Chatbots ersetzen würde.“

Probleme gibt es in mehrfacher Hinsicht. So sind Texte, die Chat GPT ausspielt, schwer bis gar nicht zu kontrollieren; nicht gerade ideal, wenn man den Chatbot in der Kunden- und Unternehmenskommunikation einsetzen möchte. Zudem erzeugt Chat GPT laut Zimmermann Antworten mit einer sogenannten „Temperatur“: „Das bedeutet, dass bei gleichen Fragen unterschiedliche Antworten gegeben werden. Dies ist gerade in der Kundenkommunikation selten gewünscht.“ Als problematisch erweist sich zudem, dass Chat GPT teils auf veraltete Informationen und zuweilen auch auf frei erfundene Inhalte setzt. In der Kundenkommunikation müssten die automatisch generierten Inhalte demnach vor dem Senden von den Unternehmen gefiltert und geprüft werden. Dazu kommt, dass das KI-Modell auf amerikanischen Servern gehostet wird, was für viele europäischen Unternehmen zu Schwierigkeiten beim DSGVO-konformen Einsatz führen kann. Zimmermanns Fazit: „Auch wenn Chat GPT beeindruckende Möglichkeiten bietet, ist es nicht das geeignete Tool, um in der Kundenkommunikation eines Unternehmens eingesetzt zu werden.“

Automatisierte Service-Agenten

Was Unternehmen von Chatbots für das Kundenservice erwarten, sind schnell und vor allem verlässlich agierende Programme, sprich einfach zu bedienende Software-Produkte, die als automatisierte Service-Agenten auf Unternehmenswebseiten genutzt werden können, ohne erheblichen IT-Aufwand und die Notwendigkeit von Ressourcen und IT-Kenntnissen. Gefragt sind Out-of-the-box-Lösungen, wie sie beispielsweise knowhere mit moinAI anbietet. „Im Gegensatz zu Chat GPT greift moinAI auf vorab erstellte Texte zurück. Dies hat den Vorteil, dass die Inhalte des Chatbots immer aktuell und korrekt sind. Da das jeweilige Unternehmen die Informationen selbst erstellen und pflegen kann, können die Inhalte des Chatbots auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen des Unternehmens abgestimmt werden“, erklärt Patrick Zimmermann. Das Erstellen und Pflegen der Texte wird dabei von einem digitalen KI-Assistenten unterstützt, der im Stil einer generativen KI Inhalte und Formate erstellt, sodass die Erstellung einer Antwort nur wenige Klicks und Minuten erfordert. Dazu werden Branchen-Templates und die Möglichkeit angeboten, ausgewählte Themen gezielt durch den Chatbot zu pushen, wie z. B. „Black Friday“-Angebote im E-Commerce oder Stromausfall-Updates bei Energieunternehmen. „Bei moinAI hat das entsprechende Unternehmen stets redaktionelle Hoheit über alle Inhalte, die der Chatbot den Nutzern ausspielt. Dieses bedeutet zwar einen initialen Aufwand beim Erstellen der Texte, allerdings kann so garantiert werden, dass Nutzern nur Informationen, Hilfestellungen, Links etc. ausgespielt werden, die der Wahrheit und dem Ziel des Unternehmens entsprechen. Es kann also beispielsweise nicht versehentlich passieren, dass einem Interessenten Produkte vom Mitbewerber empfohlen werden“, so Zimmermann.

Aus Daten Wissen generieren

Die DSGVO-konformen Chatbot-Anbieter im deutschsprachigen Raum sind mittlerweile zahlreich. Zu den bekanntesten Conversional-AI-Plattformen zählt etwa das in Wien verortete Unternehmen Onlim. Technisch kommen ein großes Sprachmodell (Large Language Model, LLM) und ein Knowledge Graph zum Einsatz. Die entstehenden Chatbots gehen dabei über den Kundendienst und Produktempfehlungen hinaus und lassen sich auch im Personalwesen oder der IT einsetzen. Einen Schnellstart ermöglichen Vorlagen für verschiedene Branchen. Onlim begleitet zudem Neukunden beim Aufsetzen von neuen Bots. Mit wenigen Mausklicks erhält man so einen funktionsfähigen Bot.

Als Wissensbasis dienen angebundene CRM- und PIM-Systeme (Customer-Relationship- und Product-Information-Management) sowie zugeführte PDF-Dokumente und Webseiten. „Chatbots und Sprachassistenten sind nur so gut, wie das zugrundeliegende Wissen, auf das sie zugreifen können“, betont Onlim-Geschäftsführer Alexander Wahler und fügt an: „Ebenso wichtig wie das Natural Language Processing, NLP, allerdings seltener bedacht, ist bei Chatbots das Thema der Wissensaufbereitung und -modellierung. Nur wenn das in Unternehmen vorhandene und durch die Anfragen generierte Wissen gezielt aufbereitet wird, kann dieses als Input für natürlichsprachige Antworten dienen und den digitalen Assistenten helfen, auch mit komplexen Anfragen zufriedenstellend umzugehen.“

Die Wissensaufbereitung in der auf einem Knowledge Graph basierten Conversational-AI-Plattform ermöglicht die schnelle Inbetriebnahme von Chatbots ohne umfangreiches Training. Dies funktioniert in verschiedenen Sprachen und über verschiedene Kommunikationskanäle, wie Telefon, E-Mail, Messenger-Dienste und klassische Web-Bots. Für Wahler steht jedenfalls fest: „Conversational AI und insbesondere Chatbots und Sprachassistenten sind mehr als ein neues Tool. Es geht um einen vollumfänglichen Transformationsprozess, der die Art und Weise, wie wir Informationen einholen und Wissen verwalten, nachhaltig verändert.“

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