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Lokalkritik: Das Bitzinger The Passion als Parodie von Fine Dining

Der Fisch ist noch in Ausbildung zum Steinbutt. Dazu: Champignonscheiben.
Der Fisch ist noch in Ausbildung zum Steinbutt. Dazu: Champignonscheiben. The Passion
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Neben seinem Würstelstand an der Albertina hat Josef Bitzinger ein Fine-Dining-Restaurant eröffnet, in dem man die versteckte Kamera sucht. Absurd sind sowohl das Essen als auch die Preise.

Gut für spontane Gemüter: Eine Reservierung braucht man für das neue Restaurant The Passion nicht – leerer ist nicht möglich, nur draußen sitzen ein paar müde Touristen. The Passion gehört Josef Bitzinger, bekannt für den Würstelstand neben der Albertina sowie den Augustinerkeller. Aus der Vinothek in den hohen Räumlichkeiten der Augustinerbastei, einst von Hans Hollein gestaltet, wurde nun ein Restaurant, das sich das Attribut Fine Dining umhängt, aber eher als dessen Parodie gelesen werden muss. Alles hier scheint in Ausbildung zu sein, das Level A2 ist in weiter Ferne.

Die hohen Räumlichkeiten in der Augustinerbastei wurden einst von Hans Hollein gestaltet.
Die hohen Räumlichkeiten in der Augustinerbastei wurden einst von Hans Hollein gestaltet.The Passion

Seit vier Wochen habe man nun geöffnet, das Menü habe aber noch niemand bestellt, informiert treuherzig die Kellnerin. Das eingangs servierte Stück Brot dürfte seit dem Eröffnungstag im Kühlschrank auf den ersten Menügast gewartet haben. Nach Absprache mit der Küchenchefin, Bitzingers Ehefrau Ling, vermeldet die Kellnerin, dass man aus der Liste der Gänge „sechs Stück“ wählen könne (für Mutige: neun wären auch möglich).

Mit Foie gras und Hummer will man es allen zeigen

Die Gerichte tragen Namen wie Tuna Tartare, Foie gras, Scallops, Steinbutt & Spargel, Lobster, die Weine solche wie Opus Eximium und Legends. In den Regalen sind als Statussymbol alte Flaschen aufgereiht, an deren Leerung man gern beteiligt gewesen wäre, in der Weinkarte ist von ähnlich hohen Ambitionen nicht allzu viel zu spüren, auch wenn Bitzinger dem ­Wiener Sommelierverein vorstand.

Geronnene Sauce, depressive Jakobsmuscheln und „Deko“
Geronnene Sauce, depressive Jakobsmuscheln und „Deko“Anna Burghardt

Mit dem zweiten Gruß aus der Küche, einem Ei-Shrimps-Röllchen, grüßt auch schon jene kirschrot glänzende Sauce, die sich als Teil von vier Gängen wiederfinden wird; das Dressieren von Punkten, Streifen und Schriftzeichen will ja geübt werden. Ebenso wie das Eingießen am Gast, ob von Wein, Suppe oder einer Sauce, die als Portweinsauce angekündigt wird, dann aber als helle Mehlsauce aus dem Kännchen neben die wartenden Hummerbröckchen tröpfelt – „äh, Portwein mit leichtem Knoblaucharoma“. Paradeis- und Spargelcremesuppe – tadellos zubereitet – werden diesseits und jenseits eines Zauns aus Shrimps und Spargel eingegossen.

„Spinat & Tofu“ heißt der Gang, ungewürzten Spinat und Tofuwürfel bekommt man: Der Menüpreis: 149 bzw. 199 Euro.
„Spinat & Tofu“ heißt der Gang, ungewürzten Spinat und Tofuwürfel bekommt man: Der Menüpreis: 149 bzw. 199 Euro. The Passion

Bevor es zu den zwei Flummis aus Foie gras und Gummigeleeüberzug geht, kommt „Spinat & Tofu“, völlig ungewürzter Blattspinat, im Ring angerichtet und mit ein paar Tofuwürfeln belegt. Die Sauce dazu: kirschrot glänzend, wie auch jene zur Apfeltarte aus rohem Blätterteig. Der Fisch, zu Flankerln geschnitten und auf Wokgemüse gebettet, ist noch in Ausbildung zum Steinbutt. Apropos – noch ein kleiner Hinweis, sollten sich in der Leserschaft Gäste in Aus­bildung befinden: Die 149 beziehungsweise 199 Euro, die auf der Speisekarte angeführt sind, sind nicht das Honorar, das Ihnen hier fürs Durchhalten zusteht, sondern die Summe, die Sie für das beschriebene Menü zahlen müssen.

Info

Bitzinger The Passion, Augustinerstraße 1, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/533 10 26, Restaurant: Mi–So: 12–15, 18–23 Uhr.

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