Wissenschaft

Selbst Viren sind sozial

Viren von Bakterien entscheiden gemeinsam, ob sie Wirte befallen.
Viren von Bakterien entscheiden gemeinsam, ob sie Wirte befallen. Biophoto Associates/Photorrsearchers/Picturedesk.com
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Auch Einzeller betreiben Kooperation, Konkurrenz und Trittbrettfahren. Die Soziovirologie erkundet das und will es für die Medizin nutzbar machen.

Wenn unwillkommene Gäste ihre Wirte zu Tode bringen, dann stehen sie bald vor dem Problem, dass sie sich ihr eigenes Grab schaufeln, wenn sie zu viele Wirte töten. So ist das etwa bei Phagen, das sind die Viren der Bakterien: Sie dringen in sie ein, lassen sich von ihnen vermehren – aus eigener Kraft können sie das nicht –, dann zerstören sie sie (in Lyse) und schwärmen auf der Suche nach neuen Opfern aus. Sind aber nicht mehr genug neue in der Gegend, verfallen sie in eine Art Schlaf (Lysogenie), indem sie sich in die Genome ihrer Wirte einbauen, bis wieder genug als Opfer zur Verfügung stehen.

Aber woher wissen sie, wie viele es gerade gibt? Um das zu klären, infizierte Rotem Sorek (Rehovot) 2017 Bakterien – Bacillus subtilis – mit Viren, er ging davon aus, dass die Bakterien Signale an andere senden – zum Warnen – und dass die Viren ein Sensorium dafür haben. Aber die Bakterien sandten nichts aus, obwohl sie das bei anderen Anlässen tun, indem sie eine Chemikalie emittieren und zugleich ihre Konzentration in der Umwelt messen. So erheben sie durch Quorum Sensing ihre Kopfzahl und werden erst aktiv, wenn genug da sind. Das hatte in den 1990er-Jahren Bonnie Bassler (Princeton) an Leuchtbakterien entdeckt, die in Tintenfischen lebten und sie illuminierten. Es bzw. sie wurde belächelt. Das endete, als sich zeigte, dass auch Krankheitserreger wie Cholerabakterien erst angreifen, wenn genug von ihnen versammelt sind.

Phagen erheben die Zahl möglicher Wirte mit chemischer Kommunikation

Aber statt der Bakterien kommunizierten in Soreks Labor die Phagen selbst, sie hinterließen in befallenen Bakterien ein Peptid, es wurde ausgeschieden und informierte mit seiner Konzentration über die Zahl noch möglicher Wirte (Nature 541, S. 488). Sorek nannte das Peptid „Arbitrium“, nach dem lateinischen Wort für „Entscheidung“. Das Ganze war auf den ersten Blick natürlich noch absurder als das Quorum Sensing der Bakterien, weil Viren nicht nur Einzeller sind wie Bakterien – was sollen beide sich um Artgenossen scheren bzw. kümmern? –, sondern weil bei ihnen strittig ist, ob sie, die sich nicht vermehren können, im strengen Sinn überhaupt leben (töten können sie, das ist unstrittig).

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