Flugsicherheit

Singapur Airlines: Flugzeug sackte in wenigen Sekunden 54 Meter ab

Einige Passagiere durchbrachen die Decke des Flugzeuges.
Einige Passagiere durchbrachen die Decke des Flugzeuges.Reuters / Stringer
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Eine vorläufige Auswertung der Flugdaten zeigt, dass eine massive Änderung der Beschleunigungskraft die verheerenden Verletzungen an Bord der Maschine der Singapur Airlines verursachte. „Wenn ein Passagier durch die Gegend fliegt, brechen Knochen“, sagt Experte Patrick Huber.

54 Meter in fünf Sekunden – so tief stürzte ein Flugzeug der Linie Singapur Airlines vergangene Woche während eines Fluges von London nach Singapur. Das Boeing-Großraumflugzeug 777-300ER mit 229 Menschen an Bord sackte etwa 10 Stunden nach Beginn des Fluges ab, als die Besatzung gerade Frühstück servierte. Viele Passagiere waren zu dem Zeitpunkt nicht angeschnallt. Bei den schweren Turbulenzen kam einer der 211 Passagiere ums Leben, mehrere wurden schwer verletzt.

Mittels einer vorläufigen Auswertung von Flugdatenschreiber und Stimmenrekorder konnten die Behörden in Singapur die Geschehnisse grob nachzeichnen.

Während ein Großteil des Fluges normal verlief, kam es gegen Ende der Flugreise – über dem Süden Myanmars – zunächst zu leichten Turbulenzen. Der Pilot ordnete das Aufdrehen des Anschnall-Signals an. Wenige Sekunden später erlebte die Maschine eine massive Änderung der Beschleunigungskraft (G).

Luftlöcher: Passagiere geraten in Zustand der Schwerelosigkeit

Fliegt ein Flugzeug gerade aus, wirkt normalerweise eine Kraft von 1 G. „Beim Start oder in einer Kurve im Steigflug wirkt im normalen Reiseflugbetrieb maximal eine Kraft von 1,5 G“, sagt Experte Patrick Huber im Gespräch mit „Die Presse“. In einem Kampfflugzeug wirken hingegen Kräfte von bis zu neun G, so Huber. Unausgebildete wären dann bereits bewusstlos.

Wenige Sekunden später erlebte die Maschine eine massive Änderung der sogenannten G-Kraft, mit der die Erdschwerebeschleunigung angegeben wird. In der Nähe der Erdoberfläche ist sie annähernd konstant. Ein G entspricht dort 9.81 Meter pro Quadratsekunde.

Bei Turbulenzen, umgangssprachlich auch Luftlöcher genannt, herrschen negative G. Das Flugzeug sackt nach unten, die Passagiere geraten in einen Zustand der Schwerelosigkeit, werden in Richtung Decke geschleudert. Die Maschine der Singapur Airlines erlebte in 0,6 Sekunden zunächst genau eine solche Abnahme der vertikalen Beschleunigung von 1,35 G auf negativ 1,5 G. Die Passagiere, die nicht angeschnallt waren, flogen in die Luft, sagte das Verkehrsministerium in Singapur am Mittwoch.

»Die Passagiere fallen nicht einfach hinunter, sondern werden auf den Sitz oder Boden des Flugzeuges geknallt.«

Patrick Huber

Kurz darauf schlug die vertikale Beschleunigung ins Gegenteil um, von negativ 1,5 G auf 1,5 G in vier Sekunden. Das Flugzeug flog nach oben. „Die Passagiere fallen nicht einfach hinunter, sondern werden auf den Sitz oder Boden des Flugzeuges geknallt“, so Huber. Der Höhenunterschied in den 4,6 Sekunden betrug etwa 54 Meter, berichtete Channel News Asia. Das entspricht einem mehrstöckigen Gebäude.

Wichtig, dass Gurt geschlossen bleibt

„Die Kräfte sind enorm. Wenn ein Passagier durch die Gegend fliegt, brechen Knochen“, erklärt Huber. „Daher ist es wichtig, dass der Gurt während des gesamten Fluges locker geschlossen bleibt.“



Ein 73-jähriger Brite starb, vermutlich an einem Herzinfarkt. Seine Frau und Dutzende andere Passagiere und Crew-Mitglieder wurden nach der Notlandung in Bangkok in verschiedene Krankenhäuser gebracht. Eine Woche nach dem Unglück befinden sich nach wie vor 26 Menschen in Spitalsbehandlung. Mehrere Passagiere erlitten Verletzungen am Rückenmark und an der Wirbelsäule. Andere Patienten trugen Schädel- und Hirnverletzungen davon. (me)

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