Kafka im Spectrum

Von Affen, Hunden und Mäusen – Kafkas Tiere

In „Forschungen eines Hundes“ bleibt dem forschenden Tier die Welt ein Rätsel.
In „Forschungen eines Hundes“ bleibt dem forschenden Tier die Welt ein Rätsel. Martin Parr/Magnum/Picturedesk
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Den vier Erzählungen Franz Kafkas, in denen jeweils ein Tier spricht, sind der Zweifel der Protagonisten an der Umwelt und ihre Abgeschottetheit von Artgenossen gemein. Welches Tier auch immer spricht, alle erzählen sie Variationen auf ein Grundthema: dass die menschliche Gesellschaft mit ihren Gesetzen und Regeln sie nicht zu ihrem Recht kommen lässt.

Kafka war schon krank, als er begann, über Tiere aus der Perspektive von Tieren zu schreiben. Es war 1917. Der Erste Weltkrieg tobte. Viele österreichisch-ungarische Kinder, wie mein Großvater und seine Geschwister, gingen in den wärmeren Monaten barfuß, schliefen in Schubladen und tranken Milch von Ziegen, die im Nachbarzimmer wohnten, sprich: im direkt an die Wohnräume anschließenden Stall. Ähnlich dürfte sich dem Schriftsteller auch das nordwestböhmische Dorf Zürau dargestellt haben, in das er im Herbst 1917 zog, um bei seiner Schwester zu leben. Er tat es für seine Gesundheit, um seine Tuberkuloseerkrankung zu lindern, zeigte sich in den Briefen an seine Freunde aber auch begeistert von den Tieren, die ihn dort umringten und ihm weitaus näher kamen als in Prag – Ziegen, Schweine, Kühe, Gänse, Mäuse, Katzen.

„Hat man erst einmal das Gefühl überwunden, in einem nach neueren Prinzipien eingerichteten Tiergarten zu wohnen, in welchem den Tieren volle Freiheit gegeben ist, dann gibt es kein behaglicheres und vor allem kein freieres Leben als auf dem Dorf“, schrieb Franz Kafka beispielsweise im Oktober 1917 an seinen Freund Felix Weltsch.

Parallel dazu verendeten im Ersten Weltkrieg, wie in allen Kriegen, neben einer unvorstellbaren Anzahl Menschen auch eine unvorstellbare Anzahl von Tieren – Pferde, Brieftauben, Hunde und zahllose Wildtiere. Ein Umstand, den die Firma Carl Hagenbeck, ein deutsches Imperium für weltweiten Tierhandel, sich zunutze machte. Bekannt geworden war Hagenbeck aber vor allem durch seinen seit 1887 durch ganz Europa tingelnden Zirkus, in dem dressierte afrikanische Wildtiere Tricks ausführten, und die Eröffnung des Hamburger Zoos im Jahr 1907. Erstmals wurden Tiere in gitterlosen Freigehegen zur Schau gestellt, im Bestreben nach artgerechter Haltung und Präsentation in einem semi-natürlichen Lebensraum. Auch in Bezug auf das Training der Tiere für die Zirkusauftritte war Hagenbeck um eine „menschliche Behandlung“ bemüht, indem er, anstelle von Peitschen und Einschüchterung, auf Belohnung und positive Verstärkung setzte.

Zoos als glückliche Orte?

Damit begann ein neues Narrativ über Tiergärten als sichere, ja vielleicht sogar glückliche Orte für ihre nicht menschlichen Bewohner, das bis heute anhält, wenn dem kritischen ­Publikum Zoos als Sanktuarien präsentiert werden, in dem Arten vor dem Aussterben geschützt werden. Tatsächlich befinden sich bei einer Reihe von Raubkatzen und Menschenaffen die größten überlebenden Populationen unter menschlicher Obhut in Tiergärten.

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