Analyse

Schuldig in allen 34 Anklagepunkten: Ein Rückschlag, aber noch kein K.o. für Donald Trump

Donald Trump bezeichnete das Urteil im Schweigegeld-Prozess als „Farce“.
Donald Trump bezeichnete das Urteil im Schweigegeld-Prozess als „Farce“.APA / AFP / Mark Peterson
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Der Ex-Präsident ist nach dem Urteilsspruch angeschlagen, aber noch lang nicht geschlagen. Er wird zum harten Gegenschlag ausholen. Joe Biden weiß, dass Trump nicht zu unterschätzen ist.

Das Urteil ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Schuldig in allen 34 Punkten, so lautete das Verdikt der Geschworenen im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump, zu dem sie nach zweitägigen Beratungen gekommen waren. Kein Zweifel, keine Ungewissheit, keine Grauzone: Der Ex-Präsident, der zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden hat, musste im Gerichtssaal 1530 am Manhattan Criminal Court in seiner Geburtsstadt New York einen niederschmetternden Spruch hinnehmen - einen Tiefschlag, der sehr nah am K.o. war.

Der bald 78-Jährige ist schwer angeschlagen, aber geschlagen ist er fünf Monate vor der Präsidentenwahl noch lang nicht. Mit versteinerter Miene nahm Trump das Urteil zunächst zur Kenntnis, ehe er reflexartig zum Rundumschlag ausholte - gegen den „korrupten“ Richter, die Gerichtsfarce, das manipulierte Verfahren. Eine Attacke, wie sie typisch ist für Trump. Angezählte Boxer haben nichts mehr zu verlieren, und das macht sie umso gefährlicher. Das Trump-Team wird nun wohl umso vehementer zurückschlagen und Hunter Biden, den Präsidentensohn, angreifen.

Eine Trump-Anhängerin vor dem New Yorker Gericht, in dem der Ex-US-Präsident verurteilt wurde. Das wahre Urteil werde am 5. November, bei der Wahl, gefällt, sagt Trump.
Eine Trump-Anhängerin vor dem New Yorker Gericht, in dem der Ex-US-Präsident verurteilt wurde. Das wahre Urteil werde am 5. November, bei der Wahl, gefällt, sagt Trump.APA / AFP / Charly Triballeau

Zulauf für Robert Kennedy

Der republikanische Präsidentschaftskandidat wird sich in bewährter Manier zum Opfer einer „Hexenjagd“, des „Deep State“ und des Establishments stilisieren. „Politischer Gefangener“ ist eine Vokabel des Trumpschen Übertreibungsfurors. Beim Großteil seiner Basis wird er offene Türen einrennen, sie gehen mit ihm durch dick und dünn. In dem Prozess sahen sie ohnehin eine Verschwörung - und in der Schweigegeldzahlung allenfalls eine lässliche Sünde. Erschreckende Postings von Trumpisten, die von einem neuerlichen Marsch auf Washington schwadronieren, lassen Schlimmes für die Wahl befürchten. Mike Johnson, der republikanische „Speaker“ des Repräsentantenhauses, hat sich bereits hinter seinen „Boss“ gestellt. Ein „beschämender Tag“ für die Demokratie, so kommentierte er das Urteil.

Robert Kennedy könnte von Trumps Verurteilung profitieren.
Robert Kennedy könnte von Trumps Verurteilung profitieren.Imago / Michael Brochstein

Doch ein Teil der moderaten Republikaner wird sich von ihrem Kandidaten abwenden und entweder die Wahl boykottieren oder für Robert Kennedy stimmen. Der Mann des dritten Lagers aus der legendären Polit-Dynastie der USA könnte unverhofft Zulauf bekommen. In Umfragen gab eine Mehrheit der Unabhängigen an, nicht für einen verurteilten Politiker zu votieren. Viele sehen ihre Meinung über Trump bestätigt.

Das Urteil der Wähler

All das spricht gegen Donald Trump. Doch spricht dies automatisch auch für Joe Biden? Der Präsident hat ein Problem, seine Wählerkoalition von 2020 neuerlich zu mobilisieren. Fünf Monate sind eine lange Zeit, und Trump hat vor acht Jahren gezeigt, dass er ein „Fighter“ ist und in der Lage, sich von Tiefschlägen zu erholen. Dass Trump nicht zu unterschätzen ist, weiß der Veteran Biden. Den Fehler Hillary Clintons wird er nicht wiederholen. Seine erste Reaktion deutet darauf hin: Die Wähler werden am 5. November ihr Urteil fällen. Ähnlich lautete der Tenor Trumps, allerdings mit zornigem Unterton.

Die US-Amerikaner haben sich auf eine hässliche Kampagne eingestellt. Nun werden aber alle Schranken fallen, mit Leberhaken und Schlägen unter die Gürtellinie.

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