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Vom Potenzial zum Ergebnis 

Es ist kein Geheimnis: Veraltete Technologien, begrenzte Ressourcen und manuelle Prozesse behindern die Entwicklung von Banken. Künstliche Intelligenz und Automatisierung bieten sich als Lösung an. Aber nur wenn sie kombiniert und strategisch geplant zum Einsatz kommen.  

Der Druck auf den Finanz- und insbesondere Bankensektor ist in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen. Regulatorische Anforderungen und sich stark verändernde Kundenbedürfnisse kennzeichnen eine Branche im Umbruch. Reaktionen sind erforderlich. Kosten senken, Effizienz der internen Prozesse steigern, Kundenservice optimieren – so lauten einige der Herausforderungen. Der intelligenten Digitalisierung kommt dabei eine Hauptrolle zu, Robotic Process Automation (RPA) ist eines der Schlagwörter. Ein jüngstes Fallbeispiel zeigt, was konkret machbar ist.  

Entlastung statt Entlassung.  

Bei der Volksbank Wien AG hat man vor zwei Jahren ein eigenes Robotics-Team aufgebaut. Mittlerweile sind Software-Roboter, die das Verhalten von Menschen auf einem virtuellen Arbeitsplatz (Virtual Agent) simulieren, unverzichtbar geworden. „Die effizienteste Methode zur Entlastung des Vertriebs ist, dass Privatkunden das KYC – Know your customer durchführen können. Dies erfolgt mühelos über einen Serviceauftrag im Onlinebanking mit nur wenigen Klicks und wird anschließend durch den Roboter verarbeitet“, erklärt Horst Weichselbaumer-Lenck, Leitung Digitale Transformation & Security. Durch die im Jänner 2024 eingeführte Automatisierung wurden in den ersten vier Monaten 55 Personentage eingespart mit 8000 Transaktionen. Ein weiteres Beispiel betrifft den Bereich ESG: „Damit unsere Mitarbeiter die Daten nicht händisch im Kernbanksystem nacherfassen müssen, werden über eine generierte E-Mail aus einer Applikation alle relevanten Daten für den Roboter zur Verfügung gestellt, der die Daten im Kernbanksystem automatisch erfasst“, so Weichselbaumer-Lenck. Neben den Einsparungen von Arbeitszeiten können durch den Roboter auch operative Fehler hinsichtlich falscher Datenerfassung ausgeschlossen werden. Dank Automatisierung wurden im Jahr 2023 92 Personentage eingespart mit 9000 Transaktionen. Laut Volksbank Wien haben sich die Einsparungen nicht auf die Anzahl von Mitarbeitern ausgewirkt. Es geht um Entlastung der Mitarbeiter, nicht um Entlassung.  

Ökosystem der Automatisierung

Software-Roboter übernehmen also nicht nur bankinterne Prozesse, sondern unterstützen auch bei kundenwirksamen Abläufen. „Insgesamt bietet RPA eine Reihe innovativer Möglichkeiten, die Unternehmen verändern, sie wettbewerbsfähig machen und ihnen erlaubt, einen besseren Kundenservice anbieten zu können“, bestätigt Diplom-Wirtschaftsinformatikerin Lisa Weinert, Manager Business Consultant beim Bankenconsulter msg for banking. „RPA kann mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen kombiniert werden, um eine intelligente Automatisierung zu schaffen. Dadurch lernen RPA-Bots aus Daten, treffen Entscheidungen und führen komplexere Aufgaben aus. Mithilfe von RPA können Chatbots und virtuelle Assistenten erstellt werden, die mit Kunden interagieren, ihre Fragen beantworten und einfache Aufgaben wie Kontoabfragen, Rechnungszahlungen und Überweisungen ausführen.“ Weinert weiß um weitere Stärken von RPA Bescheid, etwa zu den Stichworten Predictive Analytics und Hyper-Automatisierung: „RPA kann eingesetzt werden, um Erkenntnisse aus großen Datenmengen zu gewinnen und Vorhersagemodelle zu erstellen, die Unternehmen dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen, Chancen zu erkennen und Risiken zu verringern. Wird RPA mit anderen Automatisierungstechnologien, wie natürlicher Sprachverarbeitung und optischer Zeichenerkennung, kombiniert, ist man am Weg zur Hyper-Automatisierung. Dies kann eine End-to-End-Automatisierung komplexer Prozesse ermöglichen und menschliche Eingriffe reduzieren.“ 
Fest steht laut der Expertin, dass es insgesamt um die Entwicklung eines robusten Automatisierungsökosystems gehen soll, etwa durch die Verknüpfung von RPA-, Business-Process-Management- und Low-Code-Technologien, durch die sich ergänzenden Stärken ergeben, die weit über die Möglichkeiten jeder einzelnen Technologie hinausgehen: „RPA zeichnet sich durch die Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben aus, während BPM die Orchestrierung und Optimierung von Prozessen ermöglicht. Low-Code-Plattformen bieten eine schnelle Anwendungsentwicklung und -anpassung.“ Die Zusammenarbeit zwischen Geschäfts- und IT-Teams beschleunige die Entwicklung und den Einsatz von Automatisierungslösungen, wodurch eine schnellere Markteinführung und eine höhere Agilität möglich werden. „Und das wiederum hat eine verbesserte Prozesstransparenz, Governance und Compliance zur Folge“, so Weinert.  

Bankensoftware

„Mit der Einführung von Risikomanagement, Kundenbeziehungsmanagement (CRM) und automatisierter Kreditvergabe standen Banken schnell vor einer enormen Herausforderung: Die Fachbereiche generierten mehr Daten, als sie auswerten konnten“, kennt Christopher Helm, CEO des deutschen Softwarenunternehmens Helm & Nagel, eine Grundproblematik im Bankensektor. Abhilfe für die Finanzinstitute sollen der Einsatz von spezieller Bankensoftware bringen, um Arbeitsabläufe zu automatisieren, etwa bei der Verwaltung von Kundendaten, Konten, Transaktionen und Kommunikation. „Programme mit fortschrittlichen Technologien erstellen dabei automatisiert Kundenprofile, verfolgen Transaktionshistorien und schlagen personalisierte Dienstleistungen vor. Auf diese Weise steigern Banken die Kundenzufriedenheit und somit auch die Kundenbindung“, so Helm, der weitere Einsatzgebiete anführt. Etwa die Automatisierung des Prozesses der Transaktionsverarbeitung, einschließlich Überweisungen, Lastschriften, Scheckverarbeitung und elektronische Zahlungen. Gefragt ist die intelligente Software-Unterstützung auch im Bereich Risikomanagement und Compliance. Banken nutzen Software zur Überwachung von Risiken, zur Einhaltung von Vorschriften und zur Bekämpfung von Geldwäsche und Betrug. „Das Ziel: Die Minimierung finanzieller Verluste und Vermeidung rechtlicher Probleme. Zum Beispiel verwenden Banken eine Anti-Geldwäsche-Software, um verdächtige Transaktionen zu identifizieren und an die zuständigen Behörden zu melden“, sagt Helm. Auch bei der Bearbeitung von Kreditanträgen zur Bewertung und Verwaltung der Kreditwürdigkeit von Antragstellern sowie bei der Anlage- und Portfolioverwaltung wird auf smarte Algorithmen gesetzt, die Kreditvergabe-Managementaufgaben erledigen bzw. auf Basis einer profunden Marktdatenanalyse Investitionsentscheidungen treffen. 

Disruptive Kraft

Wie massiv die Auswirkungen des Einsatzes von generativer KI eingeschätzt werden, zeigen Zahlen aus der Studie „The economic potential of generative AI: The next productivity frontier“ (2023, McKinsey). Das McKinsey Global Institute rechnet, dass der globale Bankensektor ein jährliches Optimierungspotenzial von 200 bis 340 Milliarden US-Dollar mit generativer KI ausschöpfen kann, was in etwa neun bis 15 Prozent des Betriebsgewinns entspricht. Die zu erwartenden Produktivitätssteigerungen sollen allen Bankensegmenten und -funktionen zugutekommen. Dabei geht es nicht allein um erhöhte Effizienz dank Automatisierung. Laut den McKinsey-Analysten wird die Technologie die Art und Weise, wie Aufgaben erledigt werden und wie Kunden mit Banken interagieren, erheblich verändern und so zu völlig neuen Geschäftsmodellen führen. Das wiederum bedeutet, dass es nicht ausreicht, smarte Technologie zu implementieren. Vielmehr verlangt der Technologiesprung eine neue Denkhaltung von Führungskräften. Die drängenden Fragen für Bankinstitute sind, wie und wo sie KI am effektivsten einsetzen und wie sie sicherstellen können, dass die Anwendungen in ihren Unternehmen vollständig angenommen werden und skalierbar sind.  

Wie KI genutzt wird

Kommt generative KI bei Bankinstituten erstmals zur Anwendung, stehen in der Regel die Verbesserung des Kundenservice, die Produktivität der Mitarbeiter und die Softwareentwicklung im Fokus. Nach einer Analyse von McKinsey fallen etwa 75 Prozent des durch Gen-KI geschaffenen Werts in diese Bereiche. 

In Sachen Kundenbindung geht es um Lösungen, die langwierige, manuelle Prozesse in effizientere Interaktionen verwandeln. So führt beispielsweise der virtuelle Assistent eines Kreditgebers seine Mitarbeiter mit hilfreichen Auszügen aus dem Chat-Verlauf und Erklärungen von Begriffen durch den Kreditantragsprozess. Der Prozess wird damit rationalisiert und weniger mühsam. Firmenkundenbanken setzen wiederum KI ein, um ihren Mitarbeitern eine genehmigte Vorlage zur Verfügung zu stellen, die bei der Erstellung bestimmter Arten von Serviceunterlagen hilft. Die Leistung der Mitarbeiter verbessert sich dadurch, dass große Mengen an Informationen zusammengefasst und daraus Erkenntnisse gewonnen werden – etwa indem sie die neuesten öffentlichen Vorschriften in verschiedenen Regionen abfragen, Forschungsberichte, Analysen der Kundenstimmung und Bedienungsanleitungen erstellen oder als virtueller Experten fungieren. Das US-amerikanische Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Morgan Stanley hat beispielsweise mit GPT-4 einen KI-Assistenten entwickelt, der seinen Zehntausenden von Vermögensverwaltern hilft, schnell Antworten aus einer umfangreichen internen Wissensdatenbank zu finden und zusammenzufassen.  

Gen-AI-Modelle können für viele Anwendungsfälle auch maßgeschneiderte Inhalte in Echtzeit erstellen, zum Beispiel personalisierte Marketing- und Vertriebsmaterialien auf der Grundlage von Kundenprofilen, Historie und Produktdetails. Im McKinsey-Report wird von Banken berichtet, die eine GPT-basierte Engine zur Erstellung hyperpersonalisierter Marketingbotschaften nutzen, um eine End-to-End-Kampagne zu beschleunigen und gleichzeitig die Gesamteffektivität zu verbessern. 
Auch bei der Software-Codierung leistet Gen-KI laut den McKinsey-Experten wertvolle Dienste: „Generative KI-Code-Assistenten beschleunigen die Softwarebereitstellung. Code-Assistenten übersetzen Legacy-Code, also technologisch veraltete, ungenügend dokumentierte, nicht getestete oder unsauber implementierte bzw. „geerbte“ Quellcodes, in neuere Sprachen, indem sie Natural-Language-Eingabeaufforderungen verwenden.“ 

Holistisches Denken

Während das Potenzial und der Nutzen von KI und Automatisierung im Finanzwesen also hinlänglich bekannt ist, stellt die Umsetzung dieses Potenzials in reale Geschäftsergebnisse noch eine große Herausforderung dar. Der Anteil der sogenannten KI-Hochleistungsperformer“ − McKinseys Begriff für Unternehmen, die 20 Prozent oder mehr Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) aus KI-gestützter Automatisierung erzielen − bleibt laut einer Studie des Strategieberaters hartnäckig unverändert bei acht Prozent. „Die meisten Führungskräfte in Banken stehen vor dem Dilemma, dass sie Strategien für eine Technologie zu entwickeln haben, die sie nicht vollständig verstehen. Sie wollen KI und Automatisierung nutzen, um den Wert für ihren Vorstand und ihre Aktionäre zu steigern. Aber die Organisation ist nicht ausreichend darauf vorbereitet“, so die McKinsey-Experten. Ihr Ratschlag: „Banken sollten sich für eine ganzheitliche Strategie entscheiden. Eine Strategie, die die Agilität und Geschwindigkeit der Automatisierung mit der neuen Generation der KI und spezialisierten KI-Fähigkeiten zusammenbringt, um Betrieb, Kultur, Produkte und Dienstleistungen zu verändern.“ 
Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 von Bain & Company, eine der weltweit führenden Management- und Unternehmensberatungen mit Hauptsitz in Boston (USA), ergab, dass 74 Prozent der Unternehmen einen positiven Return on Investment von ihren KI-getriebenen Automatisierungsinitiativen erzielen, wobei 56 Prozent dieser Unternehmen sagen, dass die Kombination aus Automatisierung und KI den Unterschied macht. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Analyse des US-amerikanischen Softwareunternehmens UiPath mit Hauptsitz in New York. Demnach können Unternehmen mit einem ausgereiften Automatisierungsprogramm ihre Kapazitäten erweitern oder die diversen Prozesskosten um bis zu 30 Prozent senken − mit den jüngsten Fortschritten von Gen-KI verdoppelt sich der Effekt. Um die Vorteile zu generieren, sei laut UiPath zudem eine wertorientierte Transformationsstrategie erforderlich, um die Mitarbeiter, Prozesse und Technologien nutzbar auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.  

Strategische Ergebnisse

Im jüngsten UiPath-Whitepaper mit dem Titel „Turn AI potential into AI results“ sprechen die Autoren Cam Lau und Eugene Wyniawskyj von jenen Schritten, die es braucht, um das Wertepotenzial von KI und Automatisierung in der Bankenwelt heben zu können. Der Weg beginnt mit der Erstellung eines Aktionsplans, wobei die strategischen Ziele, die von Vorstand und Geschäftsführung festzulegen sind, den Ausgangspunkt bilden. „Es ist wichtig, die Problemstellung und die entsprechenden Ziele zu verstehen, bevor man sich auf eine transformative Reise begibt“, heißt es − ganz nach einem Motto zur Problemlösung, das einst Albert Einstein formuliert hatte: „Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, ein Problem zu lösen, würde ich 55 Minuten über das Problem und fünf Minuten über die Lösung nachzudenken.“ Erst wenn eine klare Sicht auf die Problemstellung gegeben ist, kann als nächster Schritt die Bemessung des potenziellen Wertes einer Lösung in Betracht gezogen werden. Über die präzise Vorstellung der geschäftlichen Zukunft mit KI-gestützter Automatisierung führt der Weg über mehrere Etappen bis hin zu Erstellung eines ganzheitlichen Investitionsfalles, der die Gesamtbetriebskosten und das KI-Potenzial berücksichtigt. 

Bei den strategischen Ergebnissen, die sich dank KI und Automatisierung erzielen lassen, geht man bei UiPath weitgehend konform mit den meisten Experten. Hervorgehoben werden die Aspekte Kostentransformation (bessere Ergebnisse mit weniger Mitarbeiteraufwand), profitables Wachstum (Steigerung der Gewinne bei gleichbleibenden oder sogar sinkenden Margen), effizientes Risikomanagement und maximierte Compliance sowie verbessertes Kundenerlebnis dank schnellerer Prozesswege. Hervorgestrichen wird von UiPath ein weiterer Punkt, dem in Zeiten des sich verschärfenden Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt eine besondere Bedeutung zukommt: „Durch eine strategische intelligente Prozess-Automatisierung verbessern sich auch die Erfahrungen der Mitarbeiter. Das hilft, die besten Talente anzuziehen und zu binden. Firmen werden so zu einem bevorzugten Arbeitgeber und eine zufriedenere Belegschaft fördert Loyalität und Ertragswachstum.“ In Anbetracht dieser Vorteile, sollten Unternehmen bei einem Satz der Autoren im Executive Summary des Whitepapers besonders aufhorchen: „Das volle Potenzial der Automatisierung nutzen die meisten Banken bis heute nicht.“ . 

Zahl

74 Prozent der Unternehmen erzielen laut Bain & Company-Umfrage (2023) einen positiven Return on Investment von ihren KI-getriebenen Automatisierungsinitiativen. 

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