Interview

Identitätspolitik im Literaturbetrieb: „Da braucht man keine Bücher mehr zu lesen“

Allein weil sie „Weiße“ sind, wurden eine französische Autorin und der Ungar Peter Nádas aus der Shortlist eines wichtigen deutschen Literaturpreises gekickt. Die 31-jährige Deutsche Ronya Othmann kritisierte das - und wurde daraufhin heftig angefeindet.
Allein weil sie „Weiße“ sind, wurden eine französische Autorin und der Ungar Peter Nádas aus der Shortlist eines wichtigen deutschen Literaturpreises gekickt. Die 31-jährige Deutsche Ronya Othmann kritisierte das - und wurde daraufhin heftig angefeindet.Picturedesk/St. Sauer
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Autorin Ronya Othmann berichtete über ihre Erfahrung mit Identitätspolitik in einer Literaturjury: Mit der „Presse“ sprach sie über aggressive Reaktionen, Diskriminierungshierarchien und das Aufrechnen von Identitäten.

Die 31-jährige deutsche Autorin Ronya Othmann ist derzeit nicht nur durch ihr großartiges Buch „Vierundsiebzig“ – über die IS-Massaker an den Jesiden – in der Diskussion. Kürzlich veröffentlichte sie gemeinsam mit der Journalistin Juliane Liebert einen Text in der Onlineausgabe der „Zeit“ über ihre Tätigkeit als Jurorinnen 2023 für den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt (HKW). Darin kritisierten sie, dass allein aufgrund identitätspolitischer Kriterien eine „weiße Französin“, Mariette Navarro, und der Ungar Péter Nádas aus der Shortlist gekickt worden seien. Eine Jurorin sei in der Diskussion auch mit dem Satz konfrontiert worden, sie habe als „weiße Frau“ hier nichts zu reden.

Frau Othmann, wie erklären Sie sich die teilweise aggressiven Reaktionen auf Ihren Text in deutschen Medien? Man warf Ihnen vor allem vor, Jury-Abläufe auszuplaudern …

Ich glaube, wir haben zwei Gruppen verärgert. Die einen sind Leute, die selbst in Jurys sitzen und ein bisschen wütend sind, weil sie ihre Machtposition angekratzt fühlen. Preise vergeben bedeutet ja auch ein bisschen Macht, mitzugestalten, nicht nur finanziell, man kann damit die Aufmerksamkeit auf einen Autor lenken. Vielleicht ist da auch ein bisschen Angst, dass jemand aus eigenen Jurysitzungen etwas ausplappert. Die anderen, die wir verärgert haben, sind Leute, die es einfach richtig finden, wie das hier läuft.

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