Angesichts heftiger Regenfälle kann sich die Lage am Wochenende weiter zuspitzen. Mehrere Flüsse und Bäche traten über die Ufer. In Bayern wurde teils der Katastrophenzustand ausgerufen. Menschen müssen teils mit Hubschraubern evakuiert werden.
Der Dauerregen im Südwesten Deutschlands hat zu Pegelständen geführt, wie sie statistisch gesehen nur einmal in mehr als hundert Jahren erreicht werden. Angesichts des extremen Dauerregens und der erwarteten Hochwasserlage riefen mehrere Landkreise im Westen des Bundeslandes Bayern den Katastrophenfall aus.
Am Samstagnachmittag führten die Donaunebenflüsse Umlach in Ummendorf, Rottum in Laupheim (beide Kreis Biberach), Wurzacher Ach in Leutkirch-Reichenhofen (Kreis Ravensburg) und Weihung in Unterkirchberg (Alb-Donau-Kreis) so viel Wasser wie bei einem Jahrhunderthochwasser.
Söder: Situation ist „extreme Belastung“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann reisten in das schwäbische Hochwassergebiet. Die beiden CSU-Politiker machten sich im schwer betroffenen Diedorf ein Bild von der Entwicklung. Für die Bürger sei die Situation eine „extreme Belastung“, sagte der Ministerpräsident. „Das ist noch nicht vorbei. Es geht jetzt erst richtig los.“ Der Schwerpunkt des Unwetters liege aktuell in Schwaben, deshalb würden dort die Ressourcen zusammengezogen.
Manche Bewohner von Diedorf mussten laut dem zuständigen Landkreis nach zwei Dammbrüchen ihre Wohnhäuser verlassen. „Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben“, warnte eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg.
In Babenhausen im Unterallgäu fiel teilweise das Handynetz aus. Wer Hilfe brauche und keinen Notruf absetzen könne, solle ein weißes Leintuch oder Tuch zum Fenster heraushängen oder - wenn möglich - sich am Fenster bemerkbar machen, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen, gab das Landratsamt Anweisung. In dem Ort waren Menschen bereits mit Schlauchbooten aus ihren Häusern geholt worden.
Einsatzkräfte retteten Menschen mit Hubschraubern und Booten aus Häusern
Auch wenn es noch keine großflächigen Überflutungen bis zum Nachmittag gab, war die Situation in einzelnen Gebieten bereits bedrohlich. In Babenhausen südlich von Ulm retteten Einsatzkräfte Menschen mit Booten aus ihren Häusern. In Fischach im schwäbischen Landkreis Augsburg holten Helfer Menschen mit einem Hubschrauber aus ihren von den Fluten eingeschlossenen Häusern. Die Bewohner hätten auf andere Weise den Ort nicht mehr verlassen können, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes.
Justizvollzugsanstalt in Ort in Bayern geräumt
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Memmingen (Bayern) wurde wegen des Hochwassers geräumt. Rund 100 Häftlinge - darunter etwa 20 Frauen - wurden auf die Gefängnisse in Landsberg, Kempten und Aichach verteilt, wie die Leiterin der JVA Memmingen und Kempten, Anja Ellinger, am Samstag auf Anfrage mitteilte. „Wenn die Gefangenen nicht auf die Toilette können, wird es Ärger geben. Das wollten wir vermeiden“, sagte Ellinger. Inzwischen sei das Wasser bis in die Gefängnisräume gestiegen, wenngleich nicht in Haftzellen.
Nicht nur in Bayern, sondern auch im benachbarten Bundesland Thüringen lösten Starkregen und Gewitter am Samstagnachmittag zahlreiche Feuerwehreinsätze aus. Besonders betroffen war demnach der Bereich um Ronneburg im Landkreis Greiz. Dort kam es zu überfluteten Straßen, Feldern und vollgelaufenen Kellern.
135 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden
Über Stunden fiel vor allem im Süden Deutschlands teils heftiger Regen. Dort galt am Samstagnachmittag wegen ergiebigen Dauerregens für Regionen in mehr als zehn Landkreisen in Baden-Württemberg und vor allem in Bayern die höchste Unwetter-Warnstufe 4. Nach Angaben des DWD war hiervon ein breiter Streifen von Pfaffenhofen bis zum Bodensee betroffen.
Nach Angaben der Meteorologen sind seit 8.00 Uhr am Freitag im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler 135 Liter pro Quadratmeter binnen 24 Stunden gefallen. In Kißlegg in Baden-Württemberg seien es 130 Liter gewesen. In mehreren Städten in den beiden Bundesländern kamen bis zum frühen Samstag Niederschlagsmengen von mehr als 100 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zusammen.
Vorarlberg: „Mit blauem Auge davongekommen“
Nicht nur in Deutschland machte Regen den Menschen zu schaffen. Am Grenzfluss Leiblach zwischen Deutschland und Vorarlberg gingen die Pegelstände nach extremem Hochwasser in der Nacht zum Samstag zurück. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagte ein Sprecher der Rettungsleitstelle. Zeitweilig waren die Pegel so hoch wie bei einem Hochwasser, das statistisch nur alle 100 bis 300 Jahre vorkommt.
Unwetter auch in Norditalien und der Schweiz
Unwetter gab es auch im Norden Italiens. In der Schweiz führten starke Niederschläge zu zahlreichen Überschwemmungen, Erdrutschen und überfluteten Kellern. Die Zürcher Feuerwehren mussten bis Samstagfrüh 200 Mal wegen Wasser in Gebäuden oder überfluteten Straßen ausrücken. Im Kanton Thurgau registrierte die Polizei vorerst mehr als 100 Schadensmeldungen. Im Kanton St. Gallen koordinierte die Notrufzentrale rund 90 Feuerwehreinsätze. Auch im Kanton Zug standen mehrere Keller unter Wasser.