Sternenbanner verkehrt gehisst

Höchstgericht: US-Richter im Fahnenskandal

Der US-Supreme Court rückt ins Zentrum der Kontroverse.

Der Supreme Court der USA steckt wieder in einem Skandal, und das zu einem Zeitpunkt, in dem das Vertrauen in das Höchstgericht bereits auf einem Rekordtief ist. Nach einem Bericht der „New York Times“ hatte Richter Samuel Alito nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 die US-Fahne verkehrt herum gehisst und 2023 die sogenannte Pine-Tree-Fahne hochgezogen. Beide Symbole wurden beim Angriff auf das Kapitol getragen. Alito erklärt seitdem, dass seine Frau für die Fahnen verantwortlich war. Nun mehren sich Forderungen, er solle sich von allen Gerichtsfällen rund um den Sturm auf das Kapitol wegen Befangenheit zurückziehen. Sogar konservative Persönlichkeiten äußern sich kritisch, laut Senator Lindsey Graham zeige Alito „eine Fehleinschätzung“.

Hinweis:

Gastkommentare und Beiträge von externen Autorinnen und Autoren wie dieser hier müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Angesichts der offenen Unterstützung der Ehefrau eines anderen Richters, Clarence Thomas, für Trumps Wahlbetrugskampagne verabschiedete der Supreme Court 2023 einen Verhaltenskodex, der von den Richtern fordert, sich politischer Aktivitäten zu enthalten.

Schwierig ist zu beurteilen, ob Alito aufgrund der Verwendung der Fahnen in einem Verfahren gegen Trump als befangen gelten könnte. Beide Seiten des politischen Spektrums werden ihre jeweils politisch gefärbten Argumente pro und contra einbringen. Nach Artikel III Abschnitt I der US-Verfassung dürfen Richter ihr Amt ausüben, „solang ihre Amtsführung einwandfrei ist“. Historisch wurde nur ein einziger Richter, Samuel Chase, 1804 wegen voreingenommener Parteilichkeit vom Repräsentantenhaus in einem Amtsenthebungsverfahren angeklagt. Später wurde er vom Senat freigesprochen und blieb für den Rest seines Lebens im Amt. Grundlage dafür war Artikel II Abschnitt 4 der US-Verfassung, in der die Amtsenthebung geregelt ist, die auch in dem Verfahren gegen Alito zur Anwendung kommen könnte.

Trotz des neuen Verhaltenskodex und der Zuständigkeiten von Repräsentantenhaus und Senat bleibt der Supreme Court eine sich selbst kontrollierende Institution. In der Praxis obliegt die Entscheidung, ob sich ein Richter bei Interessenkonflikten für befangen erklärt, einzig bei diesem. Dies mag in früheren Zeiten vertretbar gewesen sein, aber in der heutigen politisch aufgeladenen, polarisierten und kämpferischen Welt sowie angesichts in Krisen schlitternder Demokratien ist dieses System nicht nur zu hinterfragen, sondern zu reformieren.

Relevant für andere Verfahren

Die kürzliche Verurteilung Trumps wird voraussichtliche keine Konsequenzen bezüglich der Fahnenaffäre haben. Da die Verurteilung auf Landesrecht basiert, kann er sich nur auf den Supreme Court berufen, wenn er während seines Berufungsverfahrens Fragen des Bundesrechts aufwerfen kann. Es hat jedoch durchaus Relevanz für seine anderen anhängigen Rechtsstreitigkeiten, insbesondere für die bevorstehende Supreme-Court-Entscheidung, ob Präsidenten Immunität für alle während ihrer Amtszeit begangenen Handlungen genießen sollten.

Fazit: Bindende Regeln zur Wahrung der Unbefangenheit und politischen Unabhängigkeit des Supreme Court sind notwendig. Ein entsprechender Kongressbeschluss bedürfte parteiübergreifender Unterstützung, die angesichts der Polarisierung der demokratischen und republikanischen Partei unwahrscheinlich ist. Der einfachste Weg für den Supreme Court wäre, seinen Verhaltenskodex weiterzuentwickeln und einen Durchsetzungsmechanismus einzuführen. So wären einzelne Richter gezwungen, sich von bestimmten Fällen zurückzuziehen, wenn mittels einfacher Mehrheit für einen solchen Schritt gestimmt wird.

Paul Boles, B.A., International Relations, Tufts University; Student der Rechtswissenschaft, Universität Wien; Mitglied des „Young Team“ des Wiener Forums für Demokratie und Menschenrechte (www.humanrights.at).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.