Wien

Kugelmugel: Die runde Republik öffnet ihre Grenzen

Innenansicht einer Republik: Kugelmugel von innen.
Innenansicht einer Republik: Kugelmugel von innen.Barbara Aichinger
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Die Republik Kugelmugel im Prater hat eine neue Präsidentin. Sie will die Türen für Besucher öffnen – und scheut auch Konflikte mit der Stadt Wien nicht.

„Es ist eine Gemeinheit“, sagt Linda Treiber. Gemeint ist ein Lageplan des Praters, der direkt vor dem Eingang aufgestellt wurde. Dieser Plan verstelle erstens die Sicht und mache zweitens den Grenzübertritt in die Republik Kugelmugel für künftige Besucher schwieriger. Gut, das war jetzt schon recht viel auf einmal, also der Reihe nach.

Die Republik Kugelmugel, das ist dieses kugelförmige Gebäude am Rand des Wiener Wurstelpraters, direkt an der Prater Hauptallee. Linda Treiber nennt sich Präsidentin dieser Republik. Mit Grenzübertritt ist das Betreten des Objekts gemeint – das sollen künftig wieder mehr Menschen tatsächlich machen. Und das Schild, das die Prater Wien GmbH hier direkt vor dem Eingang aufgestellt hat, gibt einen kleinen Einblick in einen skurrilen Konflikt rund um ein fiktives Staatsgebilde.

Der Eingang zur Republik, derzeit hinter einem Lageplan für den Prater etwas versteckt.
Der Eingang zur Republik, derzeit hinter einem Lageplan für den Prater etwas versteckt.Barbara Aichinger

Zum Verständnis lohnt ein Blick in die Vergangenheit: 1971 stellte der Künstler Edwin Lipburger im niederösterreichischen Katzelsdorf das Kugelgebäude auf. Eine Baugenehmigung dafür hatte er allerdings nicht. Und da die Behörden auf Einhaltung der Bauvorschriften pochten, kam es zu einem langen Rechtsstreit. Um sich dem zu entziehen, rief Lipburger 1976 seinen eigenen Staat aus – eben die Republik Kugelmugel. Er nannte sich Präsident, gab eigene Pässe aus, verlieh Staatsbürgerschaften und stellte – gekrümmte – Ortstafeln auf. Wegen Amtsanmaßung saß er dafür dann sogar zehn Wochen im Gefängnis.

Helmut Zilk gewährte Asyl

1982 schließlich gab der damalige Wiener Kulturstadtrat und spätere Bürgermeister Helmut Zilk dem Projekt Asyl. Und seither steht die Kugel hier im Prater. Allein, die Stimmung zwischen Lipburger und Stadt Wien kühlte schnell ab – weil man mit dem Standort nicht zufrieden war, weder Strom noch Wasseranschluss bekam und sich von Zilk, der das Ganze nur als temporäres Projekt sah, hintergangen fühlte. Was Passanten auch an diversen Tafeln rund um die Kugel lesen konnten, auf denen Lipburger seine Sicht schilderte. Abgesehen davon ließ man einander aber weitgehend in Ruhe.

Damit zurück in die Gegenwart und zu Linda Treiber, der neuen Präsidentin. Sie lernte vor rund zwei Jahren Lipburgers Sohn Nikolaus kennen, der das Erbe seines 2015 verstorbenen Vaters angetreten hatte. Sie erzählte ihm von ihrer Berufserfahrung als Managerin von Immobilienprojekten, er zeigte ihr daraufhin den in die Jahre gekommenen Kugelbau. „Ich war schockiert, und gleichzeitig war es großartig“, sagt Treiber. Also beschloss sie, neues Leben in die Republik zu bringen.

Präsidentin Linda Treiber stempelt Passierscheine für die Besucher ab.
Präsidentin Linda Treiber stempelt Passierscheine für die Besucher ab.Barbara Aichinger

„18 Monate haben Nikolaus Lipburger und ich jetzt alles hergerichtet“, erzählt sie. Den Boden geschliffen, neue Fenster eingesetzt, die Fassade gestrichen. „Die Substanz ist jetzt wieder in Ordnung.“ In den nächsten Tagen soll auch jemand kommen, um die schon morsche Grenztür mit den rot-weißen Zacken durch eine neue zu ersetzen. Und schließlich soll es auch wieder Publikumsverkehr geben: Am 1. Juni kamen die ersten Gäste für eine Besichtigung mit Führung. Künftig sollen jeden Samstag von 14 bis 17 Uhr die Grenzen der Republik geöffnet sein.

Ein Passierschein für 15 Euro

Besucher bekommen einen eigenen Passierschein mit Stempel und Unterschrift der Präsidentin – für eine Ausstellungsgebühr von 15 Euro. „Es soll schon exklusiv sein.“ Verdienen wolle sie damit aber nichts, sagt sie. Alle Einnahmen sollen in die Erhaltung und Weiterentwicklung des Kunstwerks gesteckt werden. „Und ich habe ja auch schon viel in das Projekt hineingesteckt.“ Zunächst sollte sie Managerin sein, „mittlerweile hat mir Nikolaus Lipburger das Objekt überschrieben. Und ich werde es auch einmal erben.“

Allein, das mit der Rechtslage ist nicht so einfach. Die Kugel ist ein Superädifikat, also ein Bauwerk, das auf einem fremden Grund errichtet wurde. Der gehört der Stadt Wien. Und mit der ist man ja nach wie vor in einer Art kaltem Krieg. So wie auch mit den Praterbetreibern, die die umliegenden Flächen benutzen. Darum, meint Treiber, komme es auch zu Gemeinheiten wie dem eingangs erwähnten Schild. Außerdem werde die Republik zugebaut – etwa mit einem Veranstaltungslokal, das direkt an den Zaun der Republik reicht.

»Ich sehe es nach 42 Jahren vertragslosem Zustand als ersessen an.«

Linda Treiber

Die neue Betreiberin über den Status auf dem Grundstück der Stadt Wien.

Immerhin, Miete musste man nie zahlen. Ein entsprechender Untermietvertrag sei vom OGH aufgehoben worden. Doch nun könnte es noch weiter eskalieren. „Ich hab das Grundstück von einem Ziviltechniker vermessen lassen“, sagt Treiber. „Und das ist ein einverleibungsfähiges Zertifikat.“ Soll heißen, dass sie den Grund ihrer Rechtsansicht zufolge im Grundbuch auf sie eintragen lassen könnte. „Ich sehe es nach 42 Jahren vertragslosem Zustand als ersessen an.“

Ob es wirklich so weit kommt? Nun, noch will sie es auf friedlichem Weg lösen, sagt sie. Vor etwa einem halben Jahr habe sie der Stadt, konkret Bürgermeister Michael Ludwig, einen Brief geschrieben. Bis heute sei allerdings keine Rückmeldung gekommen. Wenn es hart auf hart komme, meint sie, sei sie bereit zu kämpfen. Aber sie hoffe darauf, dass man gemeinsam zu einer Lösung für die Republik Kugelmugel komme. Und: „Ich würde mich natürlich freuen, wenn der Bürgermeister auf Besuch kommt.“

Auf einen Blick

Die Republik Kugelmugel ist ein Kunstprojekt, das 1971 von Edwin Lipburger in Katzelsdorf (Niederösterreich) ins Leben gerufen wurde. Weil sein Kugelhaus nicht der Bauordnung entsprach, rief er seine eigene Republik aus. Weil er unter anderem auch Ortstafeln aufstellte, musste er dafür sogar in Haft.

1982 bekam das Projekt Asyl im Wiener Prater, wurde aber nur sporadisch genutzt. Mit Linda Treiber als neuer Präsidentin soll die Kugelrepublik wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

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