Economist-Insider

Die Inflation und der Frühstart der EZB

FILE PHOTO: European Central Bank (ECB) president Christine Lagarde speaks during a press conference following the Governing Council's monetary policy meeting, in Frankfurt, Germany April 11, 2024. REUTERS/Kai Pfaffenbach/File Photo
FILE PHOTO: European Central Bank (ECB) president Christine Lagarde speaks during a press conference following the Governing Council's monetary policy meeting, in Frankfurt, Germany April 11, 2024. REUTERS/Kai Pfaffenbach/File PhotoReuters / Kai Pfaffenbach
  • Drucken

             

Gerhard Hofer
stv. Chefredakteur

Gerhard Hofer
 

Guten Morgen,

die Woche wird interessant. Kommenden Sonntag sind EU-Wahlen, und bereits am Donnerstag tagt die Europäische Zentralbank und wird wohl die Zinsen um einen Viertelprozentpunkt senken. Alles andere wäre eine Riesenüberraschung. Das Problem ist nur, dass die Inflation sich nicht und nicht an den Fahrplan der Notenbanker in Frankfurt halten will. Die Teuerung legte im Euroraum im Mai sogar zu, stieg von 2,4 auf 2,6 Prozent und entfernte sich somit wieder von der anvisierten Zwei-Prozent-Marke.

Es gibt nicht wenige Ökonomen, die meinen, dass die EZB einen Frühstart hinlegt. Und bekanntlich ist Frühstart auch Fehlstart. Die US-Notenbank Fed wird wohl frühestens im Dezember die Zinsen senken. Aber davon lässt sich EZB-Chefin Christine Lagarde nicht beeindrucken.

Interessant ist, dass die großen „Vorzeigeländer“ am Höhepunkt der Inflation mittlerweile die höchsten Inflationsraten aufweisen. Belgien, Spanien, Portugal. Die wurden – wir erinnern uns – ja so gelobt dafür, dass der Staat in die Preise eingegriffen hat. Das hat kurzfristig funktioniert, aber auf Dauer hält das halt kein Staatshaushalt aus. Nun laufen die staatlichen Preiseingriffe aus – und die Inflation aus dem Ruder. In Spanien etwa stieg die Teuerung von 3,4 auf 3,8 Prozent.

In elf der 20 Euroländer ist die Inflation im Mai gestiegen, Österreich gehört zu den neun Ländern, in denen die Teuerung gesunken ist. Bei uns fiel sie von 3,4 auf 3,3. Ist noch immer kein Ruhmesblatt, zumal sich bei uns der Jojo-Effekt ja auch noch einstellen kann. Noch sind die saftigen Lohnerhöhungen nicht voll in der Statistik aufgeschlagen. Aber dennoch zeigt sich, was der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer, bereits im April im Interview mit der „Presse“ gesagt hat: „Ich glaube nicht, dass das Problem der Inflation schon gelöst ist. Auf den ersten Blick sieht das zwar gut aus. Wir hatten eine Inflationsrate im Euro-Raum von über zehn Prozent. Jetzt sind wir nur noch leicht über der Zwei-Prozent-Marke. Aber es wäre ein Fehler, diesen Rückgang einfach zu extrapolieren.“

Inflation in Österreich und der Eurozone - Preissteigerung im Jahresabstand in Prozent.
Inflation in Österreich und der Eurozone - Preissteigerung im Jahresabstand in Prozent.APA / Rainer Waxmann

Krämer erinnerte daran, dass die vergangenen Inflationsperioden in der Regel mehr als fünf Jahre gedauert haben. Wir haben also noch nicht einmal Halbzeit. Der Ökonom erinnerte an die 1970er-Jahre und sagte: „Damals ging die Inflation hoch und fiel schnell. Aber sie ging nicht auf das Ausgangsniveau zurück, häufig zog sie sogar wieder an. Und das meist in jenen Ländern, in denen die Zentralbanken zu früh den Sieg über die Inflation erklärt hatten.“ Am Donnerstag wird Christine Lagarde wohl den Sieg über die Inflation ausrufen. Es bleibt spannend.

Ich wünsche auch Ihnen einen spannenden Start in diese Woche.

Es grüßt Sie sehr herzlich,

Gerhard Hofer

Hier können Sie alle Newsletter der „Presse“-Redaktion kostenlos abonnieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.