Türkei

Festgenommen und gleich verurteilt: 20 Jahre Haft für gewählten prokurdischen Bürgermeister

Proteste gegen die Absetzung des Bürgermeisters von Hakkari, hier in der Stadt Diyarbakir.
Proteste gegen die Absetzung des Bürgermeisters von Hakkari, hier in der Stadt Diyarbakir.Imago / Mehmet Masum Suer / Sopa Images
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Die kurdisch bewohnte Stadt Hakkâri im Südosten der Türkei steht nun unter Zwangsverwaltung.

Bei seiner ersten Anhörung am Mittwoch stellte Mehmet Sıddık Akış gleich die Fragen, die die Opposition und vor allem die prokurdischen Kräfte in der Türkei seit Tagen stellen: „Warum nicht vor vier Monaten oder einem Jahr oder vier Jahren?“, sagte Akış vor Gericht. „Dieses Urteil ist politisch motiviert.“ Vor wenigen Tagen wurde Akış von der prokurdischen DEM als Bürgermeister der Stadt Hakkâri abgesetzt. Die Regierung setzte einen Zwangsverwalter ein, die Maßnahme sei vorübergehend, wie es aus Ankara hieß. Doch nach der Anhörung wurde Akış gleich verurteilt: 20 Jahre Haft.

Bei der Kommunalwahl im März hat die DEM (ehemals HDP) ihre Basis im Osten des Landes behaupten können. Seit dem Ende des Friedensprozesses mit den Kurden und seit dem gescheiterten Putsch 2016 haben Regierung und Justiz öfter im Osten durchgegriffen. Es ist nicht das erste Mal, dass mit Akış ein gewählter Kurdenvertreter abgesetzt wird; tatsächlich standen etliche Provinzen in den vergangenen Jahren unter Zwangsverwaltung. Direkt nach der Kommunalwahl sollte der Bürgermeister von Van, Abdullah Zeydan (ebenfalls DEM), abgesetzt werden, doch nach großflächigen Protesten zogen sich die Behörden zurück.

Hitzige Debatten im Parlament

Ein Unterschied zu den vorangegangenen Absetzungen ist, dass sich die neu aufgestellte, kemalistische Opposition CHP mit den DEM-Vertretern solidarisiert und somit auch den Druck auf die AKP-Regierung erhöht hat. Auch Akış wurde von der CHP verteidigt. Nach den bisher bekannten Details wirft ihm das Innenministerium Mitgliedschaft bei einer Terrororganisation (PKK) und Agitation gegen den Staat vor. Der Prozess gegen Akış wurde vor mehr als zehn Jahren eröffnet, doch galten die Vorwürfe schon damals als schwammig und Akış konnte seine politische Laufbahn fortsetzen.

Nach der Meldung über seine Absetzung kam es in Hakkâri zu Protesten und im Parlament in Ankara zu hitzigen Debatten zwischen DEM und AKP. (duö)

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