Plattform und Netzwerk.

Wachstum braucht Zukunftsperspektiven

Roland RUDOLPH
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Beim Wiener Strategieforum sprachen hochkarätige Vertreter aus Management, Wirtschaft und Forschung über Strategie und Innovation.

Vor rund zehn Jahren ins Leben gerufen, bietet unsere Plattform eine Gelegenheit, zentrale Fragen zur Zukunft von Unternehmen und wichtigen gesellschaftlichen Organisationen zu erörtern.“ Mit diesen Worten begrüßte Werner H. Hoffmann, Professor für Strategisches Management an der WU Wien, vergangene Woche die rund 150 geladenen Gäste des Wiener Strategieforums. „Auch dieses Jahr freuen wir uns darauf, gemeinsam mit renommierten Sprecherinnen und Sprechern aus verschiedenen Bereichen, aktuelle Themen aus vielfältigen Blickwinkeln zu beleuchten.“

Im Mittelpunkt des Forums stehen wissenschaftliche Erkenntnisse und praxisrelevante Einblicke, heuer etwa in Plattformstrategien und Ökosysteme. „Ein Fokus liegt auf der Diskussion von sogenannten Next-Prac­tice-Strategien“, fuhr Hoffmann fort. Um innovativ zu sein, müsse man über den Tellerrand schauen, nur so ließen sich die großen Herausforderungen der Zukunft besser bewältigen, betonte er. „Unser Forum ist optimistisch und glaubt daran, die Zukunft zum Wohle aller Stakeholder mitgestalten zu können“, so Hoffmann. „Wir wollen heute hier diskutieren, wie Wandel als unternehmerische Chance genutzt werden kann und was nachhaltiges strategisches Management ausmacht.“

Professioneller Partner

Solch ein Forum sei aber nur mit einem professionellen Partner realisierbar, betonte Hoffmann. „Seit Jahren wird das Wiener Strategieforum von der ,Presse‘ unterstützt, wobei ich besonders Geschäftsführer Andreas Rast, der seit zehn Jahren mit Idealismus und ohne übermäßige Kontrolle das Forum begleitet, hervorheben möchte“, sagte Hoffmann und begrüßte den Geschäftsführer auf dem Podium.

Andreas Rast, Geschäftsführer „Die Presse“.
Andreas Rast, Geschäftsführer „Die Presse“.Roland Rudolph

„Wir sind uns bewusst, unter welchem enormen Druck die klassischen Medien heute stehen“, sagte Hoffmann. „Warum unterstützt ein Medienhaus wie ,Die Presse‘ eine derartige Community?“ Rast erläuterte: „Wir Medien übernehmen zwei Rollen. Wir sind einerseits publizistisch tätig, andererseits sind wir auch ein Unternehmen. Besonders in herausfordernden Zeiten wie diesen ist es wichtig, das operative Tagesgeschäft im Auge zu behalten und uns an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, um Finanzergebnisse und Liquidität zu sichern. Gleichzeitig ist es entscheidend, den Blick in die Zukunft zu richten, langfristige Strategien fest zu verankern und kontinuierlich zu evaluieren. Veran­staltungen wie das Wiener Stra­tegieforum bieten die Möglich­keit, uns mit Gleichgesinnten auszutauschen.“

Der Blick in die Zukunft sei für Medien äußerst wichtig, da Qualitätssicherung und Berichterstattung nur gewährleistet werden können, wenn auch der wirtschaftliche Part stimme. „Ist es anachronistisch“, fragte Hoffmann, „sich in einer zunehmend digitalisierten Welt noch analog zum Meinungs- und Gedankenaustausch zu treffen?“ Für Rast hat gerade das Wiener Strategieforum in dieser Form eine große Zukunft. „Als ,Presse‘ unterstützen wir klar analoge Wirtschaftsveranstaltungen wie diese. Wir können die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern, aber wir können aktiv nach Chancen für die Zukunft suchen.“ Das gelinge seiner Meinung nach nur durch persönlichen Austausch in Diskussionen darüber, wie Unternehmen gegenseitig davon profitieren könnten, ergänzte Rast. Das Forum solle dennoch auch digitaler werden, verkündete Hoffmann. „Es wird zunehmend durch digitale Inhalte ergänzt werden, um auf der Plattform einen ganzjährigen Austausch zu ermöglichen.“

Langjährige Begleiter

„So wie ‚Die Presse‘ uns schon über viele Jahre hinweg begleitet, besteht auch mit der Industriellenvereinigung, insbesondere mit der Wiener IV, eine langjährige Zusammenarbeit“, fuhr der WU-Professor anschließend fort. „Ich freue mich, heute deren Präsidenten, Christian Pochtler, wieder bei uns begrüßen zu dürfen“, sagte er und richtete gleich seine erste Frage an ihn. „Herr Pochtler, wie schätzen Sie die wirtschaftliche und politische Lage für Unternehmen in Österreich derzeit ein, nachdem das Wirtschaftswachstum kaum mehr messbar, die Inflation noch immer viel zu hoch ist und die Arbeits- sowie Energiekosten steigen?“ „Österreich ist schlecht durch die Krise gekommen“, konstatierte Pochtler. „Es sind rund 42 Milliarden Euro geflossen und dennoch ist die Wirtschaftsleistung in Österreich am viertschlechtesten in der gesamten EU.“ 

Christian Pochtler, Präsident der IV Wien.
Christian Pochtler, Präsident der IV Wien.Roland Rudolph

Seit 2019 sei das BIP um gerade 1,6 Prozent gewachsen, das BIP pro Kopf hingegen sogar um 1,9 Prozent gesunken. „Das anhaltend negative Konjunkturbild wäre ein Anlass gewesen, Reformen durchzuführen, die jedoch ausblieben. Ganz im Gegenteil, die Deindustrialisierung nimmt zu: Die Industrie ist von 24 auf 22 Prozent geschrumpft. Das ist zwar immer noch relativ hoch, dennoch ist es insgesamt eine alarmierende Situation.“ Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, benötigte Österreich einen grund­legenden Wandel in der Denk­weise der Politiker und der Bevölkerung, so Pochtler. Es brauche eine Willkommenskultur für Unternehmen und Unternehmer, die derzeit nicht vorhanden sei. Es fehle an der richtigen Strategie.

Klare Energiepolitik

Ein weiterer Punkt sei die Notwendigkeit von Mehrarbeit, ergänzte Pochtler. „Wir müssen mehr Menschen von der Teilzeit- in Vollzeitarbeit bringen, was auch die Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen braucht. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Menschen länger im Beruf bleiben. Dafür müssen wir Anreize in der mittleren Einkommensprogression schaffen. Unser Steuersystem setzt hier die falschen Anreize. Und schließlich brauchen wir eine klare Energiepolitik, die langfristige Rahmenbedingungen schafft, sowie eine verlässliche Steuerpolitik ohne neue Steuern. Es gibt also viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.“

Die EU drohe, auf dem Weltmarkt an Boden zu verlieren, setzte Hoffmann das Gespräch fort. Wie sollte die neue Kommission vorgehen, um bessere Rahmenbedingungen für europäische Unternehmen zu schaffen? „Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an die Lissabon-Strategie von 2000“, antwortete Pochtler. „Deren Ziel war es, die Europäische Union bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten und nachhaltigsten wissensbasierten Wirtschaft der Welt zu machen. Das genaue Gegenteil ist eingetreten. Zurzeit ist Europa der am wenigsten wettbewerbsfähige Kontinent.“

Der ausgerufene Green Deal wäre eher ideologiegetrieben als technologieorientiert und habe in die falsche Richtung geführt, was viel gekostet hätte. „Jetzt besinnt man sich wieder auf die Wettbewerbsfähigkeit und hat den ‚Green Deal Industrial Plan‘ vorgestellt, der zwei großen Themen adressiert: die Sicherheit im politischen und ökonomischen Sinne.“ Hier habe sich Österreich nicht gut positioniert. „Es gibt zwar eine Vielzahl an Projekten, es wäre aber sinnvoller, auf einige wenige Punkte zu fokussieren, Anreizsysteme und Leitplanken zu schaffen und dann die Industrie, Wissenschaft und Forschung arbeiten zu lassen. Das muss Europa noch lernen.“

Impact Investment

Hoffmann fasste zusammen: „Also Innovationen und Investitionen in die Zukunft statt Bürokratie und staatlicher Bevormundung – wäre das Ihr Programm?“ In Österreich müsse ein Konsens geschaffen werden, dass technologiebasierte Innovationen der Schlüssel zum Erfolg seien, entgegnete Pochtler. „In Europa haben wir das Dreieck von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Dieses Modell bietet eine hervor­ragende Grundlage, um Fort­schrit­te zu erzielen, einschließ­lich Impact Investing, das sowohl für Investoren als auch für die Allgemeinheit und die Umwelt vorteilhaft ist.“

Es gelte, dieses Dreieck weiter auszubauen, da Europa viele Chancen und Stärken in Bereichen wie synthetische Biologie, fortschrittliche Materialien, Nanotechnologie und datengestützte Lebenswissenschaften hat. Hier sei Österreich besonders gut aufgestellt. „Mein Versuch, dies auch politisch aufzuzeigen, ist gescheitert. Man kann die Fakten ignorieren, aber nicht die Konsequenzen dieser Fakten, und genau da stehen wir. Zukünftig wird auch die künstliche Intelligenz (KI) unser Leben in allen Bereichen beeinflussen. Darauf sollten wir uns schon jetzt besser einstellen.“ In Schweden hätte man bereits reagiert und einen KI-Expertenrat eingerichtet, der die Aufgabe hätte, sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft KI-fit zu machen. „So etwas bräuchten wir auch in Österreich“, sagte der Präsident abschließend.

Information

Das Wiener Strategieforum ist eine Top-Executive-Community des Instituts für Strategisches Management der WU Wien und findet in Kooperation mit der „Presse“ statt. Die Veranstaltung wird von Verbund, ING, Ernst & Young, Greiner, Porsche und der Industriellenvereinigung Wien finanziell unterstützt.


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