TV-Notiz

ORF-Elefantenrunde: Zwischen Schillings Schuld und Vilimskys „Hilferuf“

Die Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (Neos) in der ORF-2-Elefantenrunde am 5. Juni 2024.
Die Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (Neos) in der ORF-2-Elefantenrunde am 5. Juni 2024. (c) APA / AFP / Joe Klamar
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Fünf EU-Spitzenkandidaten, die sich eifrig ins Wort fielen, waren am Mittwoch im „ORF 2“ zu sehen. Die Themen reichten vom „Verbrenner“ über Putin bis zur Fußball-Europameisterschaft. Eine „Therapiesitzung“ wurde angerissen und die Frage gestellt: „Wohin soll uns das bringen?“

Ein letztes Mal kamen die Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (Neos) am Mittwochabend zusammen, um sich auf ORF 2 zu präsentieren, zu kritisieren und Vorhalte zu parieren – sowohl der Konkurrenz als auch des Moderationsduos Raffaela Schaidreiter und Tobias Pötzelsberger. Applaus fehlte mangels Publikum. Am laufenden Band gab es dafür emotionale Spitzen, energisches Fuchteln und verbale Unverständlichkeiten, riefen doch mehrfach alle sieben Anwesenden zeitgleich durcheinander.

Grund dafür war zunächst das Thema Klimaschutz und Renaturierungsgesetz. „Warum leben wir im größten Artensterben?“, brachte Schilling auf, um sich gleich selbst die Antwort zu geben: Weil zu wenig getan werde, insbesondere von der ÖVP, die sich gegen das Gesetz stelle. Lopatka hielt eilig dagegen: „Wir tun schon so viel.“ Wenn die Grüne das nicht glaube, möchte sie doch „Ihre eigene Umweltministerin Leonore Gewessler fragen“, die selbst gemeint habe, Türkis-Grün habe so viel geschafft wie keine andere Regierung. Vilimsky ärgerte sich über die türkis-grüne „Therapiesitzung“ über „das allerletzte Thema, das den Kontinent plagt“, weit wichtiger wäre es, über „Freiheits- und Wohlstandssicherung“ zu sprechen.

Von „Automobil“ bis „Zynismus“

Die Themensetzung gelang dem Freiheitlichen allerdings nicht, vielmehr musste er sich gleich mit dem nächsten Thema befassen, das ihm äußerst widerstrebte: Der Frage, wie er es mit dem Automobil halte. Vilimsky missfiel die „mitschwingende Überheblichkeit“ Pötzelsbergers, jedoch nicht so sehr, dass er das Gespräch abbrach wie am vergangenen Samstag. Die E-Mobilität „hinkt hinten und vorne“, meinte er und wiederholte, endlich zu den „wichtigen Themen“ kommen zu wollen. Ein Satz, der Schilling aufbrachte: Es sei „zynisch“ und „zukunftsvergessen“, das Problem nicht sehen zu wollen.

Brandstätter und Schieder gerieten über weite Strecken der Diskussion in den Hintergrund. Der Neos-Kandidat mühte sich, betont ruhig und langsam artikulierend, dies bei der Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland wettzumachen: „Wenn wir der Ukraine nicht helfen, dann wird Putin auch uns angreifen.“ Schieder folgte dem Beispiel: „Wir sind aus unserer Geschichte und Geografie heraus verpflichtet, der Ukraine zu helfen“ – im Rahmen der Neutralität, verstehe sich. Eine „extrem wichtige“ Möglichkeit ortete er im Fortbestand der Sanktionen gegen Russland und darin, noch weniger Gas von dort zu importieren.

„Weiß nicht, wo uns diese Diskussion hinbringen soll“

„Ich habe für Putin keinerlei Zuständigkeit“, sagte Vilimsky, „aber niemand außer mir und der freiheitlichen Partei interessiert sich dafür, dieses Sterben endlich zu beenden“. Und zeige, was Sache sei, rechtfertigte er das blaue Wahlplakat, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij in intimer Pose zeigt und „Kriegstreiberei“ unterstellt. Lopatka begann zu lachen, Vilimsky zu kontern: „Lachen Sie nur, dann reden wir über die Rolle von Raiffeisen.“ Brandstätter mischte ebenfalls mit: „Es ist auffällig, dass häufig die Propaganda, die von Russland kommt, von der FPÖ übernommen wird.“ Vilimsky gab zurück: „Man fragt sich schon, ob da medizinische Hilfe notwendig ist, bei dem, was Sie sagen.“ Pötzelsberger fuhr dazwischen: „Ich weiß nicht, wo uns diese Diskussion hinbringen soll.“

Der nächste Zwist kochte sogleich hoch: Migranten kämen nach Wien, „weil hier Milch und Honig fließen“, ortete Vilimsky darin den Grund für „den täglichen Messerstich in Favoriten“. Schieder wollte „bei Islamisten nicht wegschauen“, Flüchtlinge sollten „fair innerhalb der EU aufgeteilt werden“. Allerdings würde der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán Asylsuchende „systematisch nach Österreich weiterschicken“. Was Vilimsky erneut laut, Pötzelsberger mahnend werden ließ.

Wer trägt Schuld? Und wer gewinnt die EM?

Das Ende der 120-minütigen „Elefantenrunde“ leitete schließlich die Einspielung einer Straßenumfrage zu der Frage ein, wie viel mehr oder weniger EU für Österreich vorteilhaft sei. Er habe gleich zwölf Gründe für „Vereinigte Staaten von Europa“, zückte Brandstätter „den Europa-Kurier“. „Alter Schmäh“, „das ist ja keine Geschichtestunde“, wurde die Aktion des einstigen Chefredakteurs quittiert. „Sie können nicht zuhören“, monierte dieser. Lopatka schlug dann vor, mehr EU beim Binnenmarkt zu haben, um etwa den ÖBB zu ermöglichen, mit ihren Zügen durch alle 27 Mitgliedsländer fahren zu dürfen. Schieder stimmte zu: Bei der Frage der Mobilität, etwa der Fernfahrer, brauche man jedenfalls eine europäische Politik. Ebenso im Sozialbereich, liebäugelte er nicht nur mit einem EU-weiten Behindertenausweis, sondern auch „einem Erasmus für Seniorinnen und Senioren“. Vilimsky wollte die EU verkleinern, Schilling ein gemeinsames Vorgehen in Energiefragen.

Überraschend schnippisch endete die Diskussionsrunde, als die Moderatoren ihre Gäste mit persönlichen Schuldfragen konfrontierten. Ob Schillings Chataffäre daran schuld sei, sollten die Grünen am Sonntag verlieren? Ob Lopatka dafür verantwortlich sei, sollte die ÖVP von Platz eins auf drei abstürzen? Ob Schieders Wahlkampf „verpufft“ sei und Brandstätter in den Bedeutungsverlust abrutschen werde? Und ob Vilimsky den Champagner schon kalt gestellt habe? Antworten gab es freilich keine, stattdessen fünf Versuche, doch noch Botschaften an potenzielle Wähler abzusetzen, bevor die letzte Sendungsminute für ein Tippspiel genutzt wurde: Wer denn die Fußball-Europameisterschaft gewinnen werde? Österreich? Der Beste! Uneinigkeit unter den Kandidaten. „Frankreich, sagen meine Hintergrundquellen“, schloss schließlich Schaidreiter die hitzige Diskussion, die, um Pötzelsberger zu zitieren, letztlich doch noch „relativ fair war, zumindest was die Redezeit betrifft“.

>>> „Elefantenrunde“ im ORF 2 zum Nachschauen

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