Podiumsdiskussion

Was braucht der Standort Österreich?

Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion bildete den Abschluss des Wiener Strategieforums 2024.
Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion bildete den Abschluss des Wiener Strategieforums 2024. Roland Rudolph
  • Drucken

Wirtschaftsminister Martin Kocher, Verbund-CEO Michael Strugl und Unternehmer Kari Ochsner sprachen mit Hanna Kordik, „Die Presse“, über Perspektiven für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Das Wiener Strategieforum endete mit einer Diskussionsrunde zum Thema „Standort Österreich“. Es diskutierten Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, Michael Strugl, CEO Verbund AG und Kari Ochsner, Eigentümer und Geschäftsführer von Ochsner Wärmepumpen. Moderatorin war Hanna Kordik, stellvertretende Chefredakteurin von „Die Presse“.

Kordik eröffnete die Diskussion mit einer Frage an Minister Kocher hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen in China, wo die Regierung zur Förderung der Chipindustrie einen Staatsfonds mit einem Volumen von umgerechnet 43,7 Milliarden Euro aufgelegt hat. „Herr Minister, haben wir angesichts dieser Zahlen überhaupt noch Chancen?“ „Diese Zahlen erschrecken mich nicht“, entgegnete Kocher. Europa sei mit dem European Chips Act und einem Budget von 43,3 Milliarden Euro, davon rund drei Milliarden Euro für Österreich, gut aufgestellt. „Es gibt jedoch Faktoren, die Europa herausfordern, darunter höhere Kosten und die Alterung der Bevölkerung“, fügte er hinzu.

Wärmepumpenhersteller Kari Ochsner, der kürzlich in China war, erzählte über die Veränderungen in der chinesischen Arbeitskultur und betonte die zunehmende Bedeutung von Technologieführerschaft und Arbeitsmoral in China im Vergleich zu Europa. „China transformiert sich grundlegend weg vom Image eines Billigproduktionslandes. Junge Menschen sprechen dort Englisch mit amerikanischem Akzent, kennen Stars wie Taylor Swift und arbeiten auch sonntags mit Begeisterung. Sie wollen Technologieführer sein und arbeiten doppelt so viel wie wir in Österreich, bei geringeren Arbeitskosten. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.“

Anreize statt Regulierung

In der nächsten Frage wollte Kordik von Michael Strugl wissen, ob Europa zu sehr mit Regulierung beschäftigt sei und Innovationen dabei vernachlässige. „Das ist durchaus ein Problem“, so der CEO der Verbund AG. „In Europa wird meist versucht, alles zu regulieren, während in den USA vielmehr Anreize gesetzt werden, zum Beispiel durch den Inflation Reduction Act.“ Ein Beispiel sei die Wasserstoffwirtschaft: In Europa dauere es oft Jahre, bis ein Projekt genehmigt werde, während die Umsetzung in den USA auf Basis von Tax Incentivs viel schneller passiere. Kordik: „IV-Präsident Georg Knill sagte ja, in den USA überlegt man, was man mit KI alles machen kann, während man in Europa darüber nachdenkt, was man damit nicht machen sollte.“ Ein gutes Beispiel für die europäische Vorgehensweise, konstatierte Strugl. „Wir müssen eine bessere Balance zwischen ökonomischem Fortschritt und regu­la­tor­ischen Rahmenbedingungen finden.“

Unternehmer Kari Ochsner, Michael Strugl, Verbund, BM Martin Kocher.
Unternehmer Kari Ochsner, Michael Strugl, Verbund, BM Martin Kocher.Rudolph

Die Diskussion zog auch den Investitionsbedarf für die Energiewende bis 2030 in Höhe von 145 Milliarden Euro in Betracht. „Einige Wirtschaftstreibende kritisieren dies als Wettbewerbsnachteil. Wie stehen Sie dazu, Herr Strugl?“, wollte die Moderatorin wissen. „Die Energiewende ist nicht kostenlos“, betonte dieser. „Es sind massive Investitionen in Erzeugung, Speicherung, Netzausbau und Transformation nötig.“ Es gehe nun darum, ökonomische Vorteile aus diesen Investitionen zu ziehen und die technologische Führerschaft zu erlangen. Ochsner, der seit den 1970ern Wärmepumpen verkauft, als noch Energiesparen das Hauptthema war, betonte: „Der Klimawandel ist jetzt das größte Problem. Es wird viel kosten, dem entgegenzusteuern, aber nichts zu tun, wird noch teurer. In Europa haben wir große Chancen. In Niederösterreich beispielsweise stammte im März der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien.“ Es gelte nun, die Netze zu erneuern. „Die Kosten sollten aber nicht auf die Bevölkerung oder Unternehmen abgewälzt werden.“ Minister Kocher sprach sich für weniger Bürokratie und mehr Zielorientierung auf europäischer Ebene aus. „Österreich ist im Bereich Green-Tech gut aufgestellt. Wir dürfen uns aber nicht selbst im Weg stehen. Europa neigt zu bürokratischen Lösungen. Wir brauchen einfachere und schnellere Förderprozesse, insbesondere bei Wasserstoffprojekten.“

Wasserstoff und Industrie

Die Wasserstoffstrategie der Regierung sei beschlossen, fuhr der Minister fort. Jetzt gebe es erste Fortschritte, wie den Wasserstoffbeirat. „Regulatorische Sicherheit und der Aufbau von Infrastruktur sind aber nun entscheidend, um die Wasserstoffwirtschaft zu unterstützen“, sagte er. Es gehe hier vor allem um große Unternehmen, die nicht ohne Wasserstoff dekarbonisieren könnten. Einig waren sich alle Diskutanten, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle in der zukünftigen Energieversorgung einnehmen werde, vor allem im Industriesektor. Ochsner erläuterte: „Wasserstoff wird besonders dort eine wesentliche Rolle spielen, wo wir für die Produktion hohe Temperaturen benötigen.“ Österreich werde Wasserstoff aber nicht selbst erzeugen können und ihn daher importieren müssen. Strugl, der erst kürzlich in Abu Dhabi war, erzählte, dass man dort davon überzeugt sei, dass eine globale Wasserstoffwirtschaft entstehe und man sich dort bereits darauf vorbereite. Auch Europa sollte jetzt schon darüber nachdenken, welche notwendigen Maßnahmen zur Regulierung der Infrastruktur nötig seien.

Fokus Fachkräftemangel

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion zum Thema „Standort Österreich“ war der Fachkräftemangel. „Da viele junge Leute sich für den Bereich erneuerbare Energien interessieren, mangelt es bei uns nicht an Bewerbungen“, erklärte Ochsner. „In Summe gesehen fehlen jedoch in der Industrie Fachkräfte. Zudem wird der demografische Wandel das Problem noch verschärfen.“ Er betonte, dass Zuwan­derung eine wesentliche Rolle spiele, um den Fachkräftemangel in der Industrie zu bekämpfen, und äußerte sich kritisch zur 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. „Das ist einfach nicht realistisch.“ Kordik wandte sich an den Minister mit der Frage, ob in Österreich mehr gearbeitet werden solle. „Ich denke, die Frage ist falsch gestellt“, antwortete dieser. „Themen wie Frühpensionen, Teilzeitarbeit und kürzere Arbeitszeiten stammen aus einer Zeit mit einem Überangebot an Arbeitskräften. Aufgrund des demografischen Wandels haben wir nun eine ganz andere Situation, die wir analysieren müssen und auf die wir entsprechend klar reagieren müssen. Die Frage ist, wo liegen die Potenziale? Es geht hier um das Arbeitsvolumen, nicht nur um die Wochenarbeitszeit. Wir haben immer noch eine zu hohe Teilzeitquote, zu lange Ausbildungszeiten, ein zu frühes Pensionierungsalter und zu viele Menschen, die nicht ausreichend qualifiziert sind. Wir dürfen nicht vergessen: Unser Wohlstand wird durch Beiträge finanziert, und wenn diese abnehmen, werden auch die Leistungen weniger.“ Strugl ergänzte: „Weniger Arbeiten führt nicht zu mehr Wertschöpfung. Wenn Europa im globalen Wettbewerb bestehen will, brauchen wir mehr Anstrengung. Eine Arbeitszeitverkürzung ist da kontraproduktiv.“

Union für Risikokapital

Kordik wies darauf hin, dass für den Ausbau des Netzes im Zuge der Energiewende nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Kapital erforderlich sei. „Die Beschaffung von Risikokapital funktioniert in Europa jedoch nicht optimal. Eine Kapitalunion, die dringend erforderlich wäre, existiert nicht.“ Woran das liege, wollte sie vom Verbund-Vorstand wissen. „Ich würde das Problem nicht nur auf den regulierten Bereich und den Netzausbau beschränken“, antwortete dieser. „Wenn wir das gesamte Investitionsvolumen für die Energietransformation betrachten, ist klar, dass dies nicht allein von den Staaten finanziert werden kann.“ Der Großteil müsse von Unternehmen und Investoren kommen. „Erwähnenswert ist auch, dass die Refinanzierung letztlich immer durch die Steuerzahler erfolgt. Die Frage ist nur, wie mobilisiere ich das notwendige Kapital für dieses enorme Volumen? Im Vergleich zu den USA haben wir im Kapitalmarkt einen großen Unterschied: Während in den USA viele Finanzierungen über den Kapitalmarkt laufen, basieren sie in Europa hauptsächlich auf Bankkrediten.“ Um das in Europa zu ändern, müssten einige Voraussetzungen geschaffen werden. „Die Kapitalmarktunion, die Sie erwähnt haben, ist entscheidend. Wir brauchen einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt, der auch für den Mittelstand breiter aufgestellt ist. Vor allem aber benötigen wir Verlässlichkeit, Investitionssicherheit und Planbarkeit, da Investoren sofort auf regulatorische Risiken reagieren.“

Moderatorin Hanna Kordik.
Moderatorin Hanna Kordik.Roland Rudolph

Problem Deindustrialisierung

Fest stehe, Österreichs Industrie stehe unter großem Druck. „Ein Problem sind die Auswirkungen überhöhter Gewerkschaftsforderungen auf die Wirtschaft“, meint Ochsner. „Es ist wichtig zu erkennen, dass die österreichische Industrie eine Million Arbeitsplätze schafft und 50 Prozent der gesamten Forschungsausgaben trägt.“ Eine Abwanderung hätte negative Konsequenzen. „Fakt ist, wenn die Lohnstückkosten nicht wettbewerbsfähig sind, können wir hier nicht weiter produzieren.“ Da Österreich stark industrialisiert sei und dadurch bisher gut durch Krisen gekommen sei, müsste sichergestellt werden, dass dies so bliebe. „Das Thema Deindustrialisierung ist immer problematisch“, sagte Minister Kocher abschließend. „In Österreich haben viele Industrien bereits ihre Produktion ins Ausland verlagert. Natürlich müssen wir sicherstellen, dass die Produktion in Österreich bleibt. Das wird nicht in allen Fällen möglich sein, daher brauchen wir die richtige Balance. Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Energieversorgung sicherzustellen und die Fragmentierung des Welthandels zu verhindern.“ Zudem müsse man den europäischen Binnenmarkt wieder zum Wachstumsmotor machen, damit es weiterhin eine regelbasierte Welt gebe, die einen relativ offenen Welthandel unterstütze.

Information

Das Wiener Strategieforum ist eine Top-Executive-Community des Instituts für Strategisches Management der WU Wien und findet in Kooperation mit der „Presse“ statt. Die Veranstaltung wird von Verbund, ING, Ernst & Young, Greiner, Porsche und der Industriellenvereinigung Wien finanziell unterstützt.


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.