Interview

Marco Wanda: „Ich sehne mich nach Langeweile“

„Wir haben Musikgeschichte geschrieben“, sagt Sänger Marco Wanda.
„Wir haben Musikgeschichte geschrieben“, sagt Sänger Marco Wanda.Clemens Fabry
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Das neue Wanda-Album erscheint am Freitag. Statt Euphorie regiert nun Gelassenheit bei einer der erfolgreichsten heimischen Bands. Ein Gespräch mit Marco Wanda über singende Fußballer und das Bahöl-Machen als Motivation.

Die Presse: Im Winter haben Wanda in der Wiener Stadthalle euphorisiert. Wie anstrengend ist diese Art von Dauerekstase?

Marco Wanda: Sehr anstrengend, klar, was sonst? Aber das braucht man ja auch. Ich glaube, das ist vergleichbar mit der Lebensrealität eines Fußballers.

Es gibt ja jede Menge Fußballer, die auch singen, von Éric Cantona bis Schneckerl Prohaska. Fiel Ihnen so einer besonders positiv auf?

Maradona. Wenn er sang, dann war er weder Fußballer noch Sänger, dann war er nur noch Südamerikaner. Viele Künstler sehen im Fußball zu Recht eine Kunstform. Ein großes Feld an Möglichkeiten, ein Paradies für Kreativität.

Das neue Album klingt irgendwie entspannt. War das der Plan?

Wir gehen nie mit einer klaren Vision ins Studio. Ich sehe die Platte in ihrer Grundstimmung durchaus positiv. Da ist viel Neugier. Das Studio nahm alle negativen Energien, die damals unsere Leben strapaziert haben.

Der Albumtitel lautet „Ende nie“. War das eine Trotzreaktion auf den Tod des Wanda-Keyboarders Christian Hummer?

Den Titel hat sich der Manu (Anm.: der Gitarrist) einfallen lassen. Er hat uns gefallen, weil er ein Signal nach innen ist. Ein Mutmacher.

Kam die Band in Schieflage durch diesen tragischen Vorfall?

Schieflage ist ein viel zu kleines Wort. Diesem Unglück werden Worte gar nicht gerecht. Ich habe keine Erinnerung mehr an diese Tage. Diese Zeit ist gelöscht. Es gab wohl viele Gespräche, aber ich habe nichts mehr davon im Gedächtnis.

Wie stehen Sie zur Endlichkeit des Lebens?

Diese Tatsache beinhaltet eine Mahnung. Der sollte man nachgehen. Aus der Endlichkeit leite ich ab, dass das Leben im Moment wertvoll ist. Aber ich weiß nicht, wie intensiv man sich mit der Endlichkeit des Lebens überhaupt auseinandersetzen sollte. Das könnte Depressionen verursachen.

„Aus meinem Spiegel schaut ein neuer Mann auf mich zurück“ heißt es in „Wachgeküsst“. Ist das autobiografisch?

Eher schon. Mich fasziniert am Menschsein, dass wir immer eine Erschütterung brauchen, um in einen Lernprozess zu geraten. Es muss immer was ganz Heftiges im Leben passieren, dass sich ein kleines Zeitfenster öffnet, in dem wir uns persönlich weiterentwickeln. Das fasziniert mich. Wenn man dafür offen ist, kann die Liebe so einen Wachstumsprozess nachhaltig gestalten. Es waren immer Menschen, die mich im Leben weitergebracht haben. Allein passiert nie etwas.

Sonst spazieren Sie ja in den Wanda-Songs durch viele Charaktere, oder?

Ja, natürlich. Es gibt Persönliches in den Texten, aber im Grunde ist es Rollenprosa. Was uns nicht alle Fans zugestehen.

Ihr Produzent Zebo Adam hat auch Bilderbuch produziert. Gibt es diplomatische Beziehungen zu Bilderbuch?

Ich würde sagen, wir haben auf je eigene Weise zur gleichen Zeit Musikgeschichte geschrieben. Der faktische Kontakt ist eher sporadisch.

Zuerst will man berühmt werden, dann leidet man darunter. Wie geht es Ihnen mit dem Verlust der Anonymität?

Berühmt werden wollte ich nie. Ich wollte einen Bahöl machen. Begonnen haben wir in einer Zeit, in der Clubkonzerte in Wien ganz schlecht besucht waren. Wir wollten schlicht Leute zusammenbringen. Dann hat es sich in den Mainstream übersetzt. Mit dem Berühmtsein kann man sich nie wirklich anfreunden.

Was ist das für eine Gerätschaft auf dem Cover des neuen Albums?

Ein kaputter Jeep. Es ist schon eine kleine Tradition, dass wir Vehikel auf dem Cover haben. Ich selbst fahre ja nicht Auto, habe nur den Mopedführerschein. Das Bild wurde in Georgien gemacht. Im Zuge des Drehs für „Bei niemand anders“ geisterten wir auf einem Schrottplatz in einer Wüste herum, zwei Autostunden von Tiflis entfernt.

Für ein einziges Video nach Georgien?

Ja, uns ist kein Aufwand zu hoch.

Sie haben gemeinsam mit André Heller bei seinem Reflektor-Festival in der Elbphilharmonie gesungen. Was war das für ein Erlebnis?

Das war ergreifend, einer der heftigsten Tage in meinem Leben. Ich war schon total gerührt, dass ich da angefragt wurde. Diesen Querschnitt der Wiener Musikszene auf der Bühne zu haben. war sehr schön. Das passiert ja auch nur alle heiligen Zeiten.

Und Heller?

Er war gottvoll – wie er durch den Abend geführt hat, was er für Geschichten erzählt hat, wie er gesungen hat. Die Vorstellung wurde auf Monitor in die Garderobe übertragen. Die, die gerade nicht auf der Bühne standen, umarmten sich da. Wir haben alle geweint.

Was ist Ihre derzeitige Vorstellung von Glück?

Das Wort Glück ist zu hoch gegriffen. Ich sehne mich eher nach Ruhe und Langeweile.

Album und Konzerte

Universal

„Ende nie“ erscheint am Freitag bei Universal.

Termine in Österreich:
19. Juli, Graz Freiluftarena
20. Juli, Burg Clam
2. August, Lustenau Szene Open-Air
30. August, Festung Kufstein
21. Dezember, Wiener Stadthalle.

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